| # taz.de -- Testbaden in Berliner Seen: „Wie kalte Seide am Körper“ | |
| > Jessica Lee hat ein spezielles Hobby: Sie testet Seen – egal ob im Sommer | |
| > oder Winter. Dabei achtet sie nicht nur auf die Wasserqualität. | |
| Bild: Wer Seen testet muss nicht nur auf die Wasserqualität achten, sondern au… | |
| taz: Frau Lee, waren Sie heute schwimmen? | |
| Jessica Lee: Ja, heute Morgen um 8 Uhr war ich im Weißen See. Sehr ruhig. | |
| Drei oder vier Leute waren außer mir da. Jeder schwamm für sich allein. Es | |
| war großartig. Das Wasser kam mir ein bisschen dick vor. Je heißer es wird, | |
| umso mehr Algenentwicklung. Das Wasser wird trüb, die Qualität geht runter. | |
| Sie haben ein sehr spezielles Hobby. Sie testen Seen. Wie muss man sich das | |
| vorstellen? | |
| Für mich ist das mehr als ein Hobby. Es ist Teil meines Lebens. Ich | |
| versuche in so vielen verschiedenen Seen wie möglich zu schwimmen. Ich | |
| schwimme das ganze Jahr hindurch, Sommer wie Winter. Das ist wichtig, um | |
| die Seen an den Orten, an denen ich lebe, zu ergründen. Ich versuche | |
| sozusagen eine Beziehung zu ihnen aufzubauen. | |
| Wie viele Seen in Berlin und Brandenburg haben Sie auf diese Weise schon | |
| kennengelernt? | |
| Inzwischen sind es 55. Die guten Badeseen habe ich fast alle durch. | |
| Haben Sie einen Lieblingssee? | |
| Das hängt von meiner Stimmung ab. Den Bötzsee bei Strausberg mag ich sehr. | |
| Das ist ein kleiner See mitten im Wald. Er ist nicht sonderlich tief. | |
| Nach welchen Kriterien beurteilen Sie die Seen? | |
| Jeder See ist hat seinen eigenen Charakter. Zunächst laufe ich ein bisschen | |
| am Ufer entlang, um mir einen Eindruck von der Landschaft zu verschaffen. | |
| Vorher habe ich meistens etwas über die Entstehungsgeschichte gelesen. Die | |
| Flora und Fauna in der Gegend interessiert mich natürlich auch. Wenn ich | |
| ins Wasser gehe, achte ich auf die Beschaffenheit des Grundes: Ist er hart, | |
| sandig oder sumpfig? Beim Schwimmen selbst überlasse ich mich meinen | |
| Gefühlen. Die Wasserqualität ist natürlich auch sehr wichtig. | |
| Gibt es große Unterschiede? | |
| Wenn man das ganze Jahr schwimmt, merkt man, dass sich das Wasser ständig | |
| verändert. Seen in der Stadt haben anderes Wasser als Seen auf dem Land. | |
| Baggerseen unterscheiden sich von Gletscherseen. Ich beurteile das nach | |
| Gefühl. | |
| Wie fühlt sich denn ein idealer See an? | |
| Das ist, wie wenn kalte Seide an meinem Körper entlanggleitet. | |
| Gehen Sie auch in Strandbäder? | |
| Selten. Strandbäder sind laut und voller Trubel. Am Straussee in Strausberg | |
| gibt es ein kleines Strandbad, das mag ich. Es ist ein bisschen altmodisch. | |
| Aber, wie gesagt, ich mag es lieber einsam. | |
| Hatten Sie schon immer so eine Affinität zu Seen? | |
| Überhaupt nicht. In meiner Kindheit hatte ich große Angst vor Seen. Ich bin | |
| in Ontario in Kanada aufgewachsen. Dort gibt es viele Seen. Ich habe aber | |
| nur in Swimmingpools gebadet. | |
| Wie haben Sie die Angst besiegt? | |
| Das hat sich langsam entwickelt. Irgendwann war ich mutig genug, es zu | |
| wagen. Und als ich die Hemmungen überwunden hatte, merkte ich, wie | |
| wunderbar das ist und was ich die ganze Zeit versäumt hatte. Das Schwimmen | |
| in Seen verbindet mich mit den Orten, an denen ich lebe. Egal wo ich bin, | |
| es gibt mir ein Heimatgefühl. | |
| ■ Dieser Text ist Teil des Schwerpunkts in der Wochenendausgabe der | |
| taz.berlin vom 2./ 3. Juli 2016 über Seen und Strandbäder in Berlin | |
| 2 Jul 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Plutonia Plarre | |
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