# taz.de -- Naturschutz in Berlin: Friedensschluss am Müggelsee | |
> Berlins größter See wird unter Naturschutz gestellt. Ein Kompromiss, mit | |
> dem – vom Umweltschützer bis zum Wassersportler – alle Seiten leben | |
> können. | |
Bild: In Köpenick: Warten auf die Sommersaison | |
Gute Nachrichten für Fischotter, Schlammpeitzger und Wespenbussard: Sie und | |
viele andere Tier- und Pflanzenarten sind rund um den Müggelsee bald besser | |
vor menschlichen Einflüssen geschützt. Noch in diesem Frühjahr werden | |
Berlins größter See und angrenzende Bereiche unter Natur- bzw. | |
Landschaftsschutz gestellt. Das ist das Ergebnis eines Gesprächs zwischen | |
Umweltsenatorin Regine Günther (parteilos) und Interessenverbänden am | |
Freitagabend. Allerdings handelt es sich um eine Kompromisslösung – die | |
Naturschutzgebiete hatten ursprünglich größer ausfallen sollen. | |
Rund drei Stunden dauerte der Dialog in der Senatsverwaltung für Umwelt am | |
Köllnischen Park. Geladen hatten Günther und ihr Umwelt-Staatssekretär | |
Stefan Tidow in erster Linie Anwohner und Vertreter von | |
Wassersportvereinen, die auf dem Müggelsee aktiv sind. Sie hatten | |
wiederholt öffentlichkeitswirksam gegen die im vergangenen Sommer | |
vorgelegte Schutzverordnung protestiert – mit Erfolg: Die zur | |
Senatsverwaltung gehörende Oberste Naturschutzbehörde legte einen | |
abgewandelten Plan mit zum Teil deutlich verkleinerten Schutzflächen vor. | |
Günther nannte das gegenüber der Presse einen „Kompromiss, der die Belange | |
des Naturschutzes und die Interessen der Erholungssuchenden und der | |
Sporttreibenden integriert“. | |
Wenn die Verordnung tatsächlich demnächst in Kraft tritt, hat Berlin | |
endlich mit einer Hausaufgabe begonnen, die mehrere Vorgängerregierungen | |
auf die lange Bank geschoben hatten: Schon Mitte der neunziger Jahre | |
meldete das Land unter anderem den Müggelsee sowie Teile des Fredersdorfer | |
Mühlenfließes der EU als sogenanntes FFH-Gebiet. Dabei handelt es sich um | |
Landschafts- und Artenschutzgebiete (Fauna-Flora-Habitat – kurz: FFH) auf | |
der Grundlage einer europäischen Richtlinie von 1992. Perspektivisch sollen | |
sie zu einem gesamteuropäischen Naturschutz-Flächennetz namens „Natura | |
2000“ zusammengefasst werden. Insgesamt hat der Senat 15 FFH-Gebiete | |
gemeldet. | |
Allerdings beließ es Berlin ebenso wie die meisten anderen Bundesländer | |
vorerst bei der Meldung: Die geforderte rechtliche Absicherung als | |
Landschaftsschutzgebiet (LSG) oder Naturschutzgebiet (NSG) kam schleppend | |
oder gar nicht voran – es sei denn, ein solcher Status lag schon vor, etwa | |
bei der Pfaueninsel, den Reinickendorfer Baumbergen oder den Gosener | |
Wiesen in Köpenick. Erst als die EU 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren | |
gegen Deutschland einleitete und mit einer Klage vor dem Europäischen | |
Gerichtshof drohte, setzte sich der rot-schwarze Senat in Bewegung. | |
Die 2016 zur Bürgerbeteiligung vorgelegte Verordnung definierte fast den | |
gesamten Müggelsee sowie angrenzende Flächen als Landschaftsschutzgebiet | |
(LSG), mehrere Teilgebiete wurden als Naturschutzgebiet (NSG) ausgewiesen. | |
In Letzterem gelten strengere Regeln: Je nach Einschätzung der Lage kann | |
die Naturschutzbehörde das Betreten einzelner Bereiche gänzlich untersagen. | |
Daraufhin schlugen Ruderer, Kanuten und Segler Alarm: Sie befürchteten, | |
ihre Sportarten nicht mehr wie gewohnt ausüben zu können, weil ihnen die | |
Naturschutzgebiete das Heranfahren an weite Teile des Ufers unmöglich | |
machen würden (siehe Grafik). Der Segelverein Rahnsdorf 1926 bezeichnete | |
die Verordnung sogar als existenzgefährdend. | |
Die nun vorgelegte Lösung kommt den Interessen der Wassersportler weit | |
entgegen: Das Naturschutzgebiet am Westufer des Sees wurde fast auf ein | |
Drittel verkleinert. Betroffen ist zwar ausschließlich Wasserfläche, diese | |
stellt jedoch einen wichtigen Winterrastplatz für Zugvögel dar. | |
Segel-Regatten, die im Landschaftsschutzgebiet genehmigungsfähig sind, | |
haben jetzt deutlich mehr Platz für Wendemanöver. Auch die | |
Naturschutzflächen am südlichen und östlichen Ufer wurden verschlankt, hier | |
gibt es auch zwei Stellen, an denen die Uferlinie selbst nicht mehr unter | |
Naturschutz steht. Motorschiffe und -boote dürfen wie bisher nur eine | |
Fahrrinne in der Mitte des Sees benutzen. | |
In der Senatsverwaltung erwartet man, dass die EU-Kommission den Kompromiss | |
akzeptiert. Mit den Nutzern hat Günther vereinbart, die Grenzen der | |
Naturschutzgebiete zu respektieren. „Der Naturschutz ist insgesamt auf | |
einem guten Weg“, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Tillmann Heuser am | |
Sonntag zur taz. Nun müsse es darum gehen, diese umzusetzen. Günther | |
kündigte an, in den kommenden Jahren regelmäßig auszuwerten, ob die | |
Schutzzwecke greifen. | |
Denn die Crux ist: Der Senat kann das Befahren der Naturschutzflächen mit | |
Booten ohne Motor eigentlich nicht verbieten. Dagegen steht, dass der | |
komplette Müggelsee eine Bundeswasserstraße ist. | |
Offen ist laut Günthers Sprecher nur noch die rechtliche Situation von | |
Stegbesitzern am östlichen Ufer. Dazu will sich Günther zeitnah mit | |
Treptow-Köpenicks Bürgermeister beraten. Und wenn alles in trockenen | |
Tüchern ist, beginnt die nächste Runde: Ebenfalls am Freitag startete das | |
Beteiligungsverfahren für die Unterschutzstellung großer Teile des | |
Grunewalds. | |
12 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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