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# taz.de -- Naherholung: "Barcelona hat das Meer, Berlin Parks"
> Die Ferien gehen zu Ende, also schnell noch mal vor der Tür im Grünen
> ausspannen. Doch wie funktionieren eigentlich Parks? Landschaftsplaner
> Jürgen Weidinger erklärts.
Bild: Hier lässt es sich liegen.
taz: Herr Weidinger, was soll ein Stadtpark heute leisten?
Jürgen Weidinger: Ein Park sollte eine Antwort auf das heutige Lebensgefühl
sein. Ein kultureller Kommentar, wie ein Kinofilm, wie Architektur oder
Mode. Die gesellschaftlichen Ideen der Epoche sollen sich darin
widerspiegeln.
Aha. Wir sitzen hier im Weinbergspark in Mitte. Für wen ist dieser Park
gedacht?
Für alle. Wenn man einen Park entwirft, sollte jeder etwas davon haben, vom
Highend-Kunstsammler bis zum Obdachlosen. Schließlich lebt jeder von ihnen
in der Stadt.
In diesem Park aalen sich die Städter besonders gern in der Sonne. Warum?
Im Weinbergspark steht die Sonne lange am Himmel, der Sonnenverlauf ist
besonders günstig. Die leicht abschüssige Grünfläche lädt dazu ein, sich
auf die Wiese zu legen – so wie der Mann dort drüben, der auf einer Decke
ein Buch liest. Der Weinbergspark liegt an einem Südhang des eiszeitlichen
Berliner Urstromtals, in dem heute die Spree verläuft. Auf beiden
Uferseiten des Spreetals kann man solche grünen Parkhänge finden, etwa auch
im Viktoriapark in Kreuzberg.
Der Weinbergspark liegt heute inmitten der Stadt. Wie kann denn hier eine
so entschleunigte Stimmung geschaffen werden?
Sehen Sie die hohen Bäume am äußeren Rand des Parks? Die sind extra dorthin
gepflanzt worden, um die Häuser zu verdecken. Ein normaler
mitteleuropäischer Laubbaum wird rund 20 Meter hoch, gerade so wie die
fünfgeschossigen Berliner Häuser, die die Stadtkulisse prägen. Die Bäume
wirken wie ein grüner Vorhang, durch sie entsteht ein „Innen“ des Parks. Es
ist eine abgeschlossene Parkwelt, die sich dem Alltag der Stadt entzieht.
Was für eine Art Park ist der Weinbergspark?
Es handelt sich um einen Quartierspark, einen etwas kleineren Park,
inmitten der Häuserblöcke und Straßen. Ihn nutzen vor allem die Anwohner
aus der näheren Umgebung.
Wie ist so ein Quartierspark aufgebaut?
Im Zentrum des Parks findet man meistens eine multifunktionale Rasenfläche.
Dort können Studenten Frisbee werfen, Mütter mit ihren Kindern spielen oder
Familien picknicken. An den Rändern gibt es Nischen mit weiteren Angeboten
wie Parkbänken im Schatten. Hier im Weinbergspark ruhen sich auf ihnen
gerade drei Obdachlose aus. Am oberen Rand des Parks gibt es ein Café mit
Terrasse, in dem die Bohemiens ihren Caffè Latte trinken.
Den oberen Rand des Parks ziert ein duftender Rosengarten. Ist das heute
noch weit verbreitet?
Die Idee der Rosenbeete hat sich aus der Zeit des Barocks in manche Parks
hinüberretten können. Eine der prägenden Wurzeln für moderne Parkgestaltung
war die Gartenkunst. Sie achtete weniger auf den direkten Nutzen als auf
den Schmuckaspekt. Die Tradition des Schmückens wurde in der Parkgestaltung
in Ost und West bis in die 1980er Jahre übernommen. In den Berliner Parks
gab es schmückende Blumen je nach Jahreszeit: den sogenannten Frühjahrs-,
Sommer- und Herbstflor. Solche Pflanzungen brachten eine tolle Farbwirkung
mit sich. Leider steht den Gartenämtern heute kein Budget mehr für
Sommerblumen und andere Schmuckbeete zur Verfügung.
Wozu dient das Wasserbassin am Fuße des Weinbergsparks? Als Hundefreibad?
Nein, der Zaun um den Teich soll die Hunde eher vom Baden abhalten. Der
Teich ist nierenförmig, deshalb vermute ich, dass er aus den 50er oder 60er
Jahren stammt und eine Gestaltung aus DDR-Zeiten ist, die ebenfalls einen
Schmuckcharakter hat. Man muss gar nicht reinspringen können. Vielmehr
lässt sich der Park als Raumangebot verstehen. Man kann barfuß über die
Wiese zu dem kleinen Teich laufen, sich ihm nähern und die Seerosen
betrachten. Allein das ist schon eine Qualität. Außerdem belebt Wasser den
Park. Es wirkt kühlend in der näheren Umgebung, und man kann damit die
anderen Parkbesucher nass spritzen. Leider steht heute auch für die
Unterhaltung von Wasseranlagen kaum noch Geld zur Verfügung.
Ist Berlin im internationalen Vergleich eine grüne Stadt?
Sehr grün. Auf der Grundfläche von Paris leben einschließlich der Banlieues
etwa 12 Millionen Menschen. Auf derselben Fläche leben in Berlin etwa drei
Millionen. Die Dichte in Berlin ist nicht so groß; es gibt viele
Freiflächen, auf denen auch ohne Parks Pflanzen wachsen. Jede Stadt hat
ihre Eigenheit: Barcelona hat das Meer, Salzburg die Berge, und Berlin hat
seine Parks.
Bäume und Parks werden oft als Lungen der Stadt bezeichnet. Was ist damit
gemeint?
Das Bild der grünen Lunge bezieht sich zum einen auf die
Sauerstoffproduktion durch die Bäume und den Kühlungseffekt, der durch
Verdunstung in der Nähe von Bäumen entsteht. Zusätzlich sind Pflanzen eine
Art Staubfilter auch für Abgase. Solche Effekte wirken sich auf das
Kleinklima rund um Parks und die angrenzenden Häuserblocks aus. Im größeren
Kontext der Stadt muss man sich die vielen einzelnen Grünflächen dann als
ein vernetztes System vorstellen. Jeder kleine Park ist da ein Baustein.
In vielen Parks gibt es oft eine skurrile Auffälligkeit: einen Trampelpfad.
Wie entsteht so was?
Ein Pfad entsteht, wenn der Architekt es nicht geschafft hat, ausreichend
lustvolle Umwege zu gestalten: interessante Pflanzungen oder Rasensenken,
die eine schlüssige Wegführung unterstützen.
Sucht der Städter immer den kürzesten Weg?
Auf dem Weg zur Arbeit ganz sicher. Aber im Park geht es gerade darum,
nicht den kürzesten Weg zu gehen. Es herrscht ein anderer Modus des Gehens.
Man schlendert, spaziert, wandert, bleibt stehen. Es ist ein anderes Gehen
als an der Straße.
Halten die Berliner Parks, was sie versprechen?
In diesem Punkt erwarte ich noch mehr von Berlin. Die klamme finanzielle
Situation führt dazu, dass viele Parks sehr ähnlich und manchmal auch öde
sind. Politisch wird oft sehr verwalterisch gedacht, durch die Brille des
Controllers: immer gleiche Sitzbänke hier, robuste Pflanzungen dort. Wenn
es überall gleich aussieht, ist das zwar gerecht, aber auch langweilig. Mir
fehlt im Senat ein Leitbild für die Stadtparks, das mehr Überraschungen
produziert: im positiven Sinne verwildernde Parks einerseits, anderseits
aber auch gestalterisch intensivierte Raumerlebnisse. Die Frage ist, ob
sich die Verwaltung zu einer Erlebnisqualität bekennen kann, die einen Park
als kulturelles Abenteuer versteht.
2 Aug 2012
## AUTOREN
Constantin Schöttle
## TAGS
Spree
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