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# taz.de -- Es tut sich was im einstigen Spaßbad: Im SEZ ist der Spaß zurück
> Im ehemaligen Freizeitzentrum in Friedrichshain wird getanzt. Auch der
> lange Rechtsstreit um das einstige Spaßbad ist endlich entschieden.
Bild: Ruinenhaft hinterm Zaun in bester Citylage: das ehemalige SEZ
Berlin taz | Ein Samstagmorgen, 2.30 Uhr vor dem SEZ in Friedrichshain. Die
Techno-Party unter dem Motto „Evil Euphoria“ ist in vollem Gange, der
Eintritt ist kostenlos und vor der Tür heißt es: Einlassstopp. Es geht dann
aber doch schnell voran, es gab nur zu viel Gedrängel an der Garderobe.
Und dann ist man tatsächlich drin im SEZ, einem Ort mit einer sagenhaften
Geschichte, der in den vergangenen zwei Jahrzehnten und nach einem
[1][schier endlosen Rechtsstreit] des Landes Berlin mit dem derzeitigen
Betreiber Rainer Löhnitz zur weitgehend stillgelegten Schrottimmobilie
heruntergewirtschaftet wurde.
Vor Corona gab es in dem gewaltigen Gebäudekomplex auf einem fast fünf
Hektar großen Grundstück noch ein Sportangebot und eine Sauna. In zugigen
Hallen, bei denen gar nicht mehr versucht wurde, sie ordentlich zu
beheizen, konnte man hier Badminton und Tischtennis spielen. Im Keller gab
es eine Bowlingbahn mit echtem DDR-Charme. Seit der Coronapandemie, während
der das SEZ ein Impfzentrum war, ist es auch damit vorbei. Und das 1981
eröffnete ehemalige Spaßbad, der einstige Stolz der DDR, fault und gammelt,
halb verborgen hinter Bauzäunen, inzwischen nur noch vor sich hin, [2][dem
sicheren Tod entgegen]. Der Club, den es hier seit Ende Juli gibt und der
sich Recede nennt, macht sich die morbide Aura des Ortes zunutze und
verspricht seinen Gästen eine „Lost Place Atmosphäre“.
Einen besseren Ort für einen Club in Berlin kann man sich eigentlich kaum
vorstellen. In den Neunzigern fand die Technokultur ihre Räume in den
Ruinen der untergegangenen DDR, an diese mythischen Zeiten knüpft man hier
an. Auch wenn man als Liebhaber der SEZ-Bowlingbahn etwas wehmütig werden
kann. Die ist verschwunden. Im einstigen Gastrobereich gibt es nun auf fast
1.000 Quadratmetern zwei Dancefloors.
Der Sound, der an diesem Samstagmorgen läuft, würde bei geschmackssicheren
Berghain-Fans sicherlich zu gerümpften Nasen führen. Man befindet sich hier
eher in einer Dorfdisco denn im Szeneclub. Es riecht nach einer Mischung
aus abgestandenem Bowlerschweiß und sich durch die Wände fressendem Zerfall
und Kellermoder. Von einem Drogenverchecker wird man auf Schwäbisch
angesprochen: „Brauchsch was?“
## Vorgängerclub mit zweifelhaftem Ruf
Warum aber ist dieser Club in der Top-Location kaum bekannt? Das liegt
vielleicht daran, dass es vor Recede seit September 2022 hier bereits einen
Vorgängerclub mit eher zweifelhaftem Ruf gab. SEZ-Club nannte sich der und
man munkelte, hier würden Nazis im Keller zu Remixen von ausgesuchten
Reichsparteitagsreden tanzen – oder so ähnlich. Was das Antifa-Clubportal
„[3][Geradedenken]“ jedenfalls herausfand, ist, dass hier mehrfach Acts des
Magdeburger Hardtekk-Labels Strezzkids auflegten. Und mindestens zwei
davon, DJ Hunnel und Zahni, fielen mit Selfies und anderen Fotos auf, auf
denen ein „I love Hitler“-Aufkleber und dergleichen zu sehen war.
„Geradedenken“ wandte sich daraufhin an den SEZ-Eigentümer und der kündig…
den Betreibern des Clubs den Mietvertrag. Der Macher des Recede, Amadeus
Siegel, sagt der taz am Telefon, er habe immer noch enorme Schwierigkeiten,
bei Bookings den Leuten klarzumachen, dass er und sein Team mit „I love
Hitler“ rein gar nichts anfangen könnten. „Wir werden in diese Schublade
gesteckt, weil es immer noch heißt, im SEZ gäbe es einen Naziclub.“
Ende Oktober wurde im Bereich des Recede Clubs von Unbekannten ein
Stromkasten angezündet. Jemand ist in das SEZ eingebrochen und hat im
Keller ein Feuer gelegt. Siegel sagt, man wisse nicht, wer das war.
Vielleicht jemand von der Konkurrenz, vielleicht auch jemand aus dem Umfeld
der ehemaligen Betreiber.
## Ein Zentrum für Klimaaktivisten
Auch eine gute Geschichte ist, dass im Herbst die Letzte Generation im SEZ
ein Schulungszentrum aufbauen wollte. Die Klimaaktivisten und der
SEZ-Eigentümer hatten bereits eine Übereinkunft. Doch dann kamen die, so
Siegel, mit einem „LKW mit Matratzen“, schleppten Bio-Klos und
Freiluft-Waschbecken an und fragten, wo hier die Duschen seien. Die
Aktivisten wollten sich offensichtlich hier häuslich niederlassen. Damit
platzte auch der Mietvertrag.
Ganz frisch ist nun die Meldung, das Land Berlin habe bei ihrem
Rechtsstreit mit SEZ-Eigentümer Löhnitz vor dem Bundesgerichtshof Recht
bekommen. Das SEZ, das 2003 dem Investor für einen symbolischen Euro
übergeben wurde, in der Hoffnung, der würde hier wieder ein Spaßbad
errichten, „[4][geht zurück an das Land Berlin und kommt damit endlich
wieder den Berlinerinnen und Berlinern zu Gute]“, heißt es in einer
Pressemitteilung von Finanzsenator Stefan Evers (CDU).
Ein Sprecher der Senatsverwaltung für Finanzen sagt auf taz-Anfrage, der
Rechtsweg sei damit für Löhnitz erschöpft. Die zig weiteren
Schadensersatz-Klagen, die der Investor vor Gericht eingereicht hat, hätten
keinen Einfluss auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes.
Clubbetreiber Siegel hofft, dass er dennoch im SEZ-Keller weitermachen
kann. Bis der Plan umgesetzt werden könne, etwa 500 Wohnungen und eine
Schule auf dem SEZ-Grundstück zu errichten, werde es noch ein Weile dauern.
So lange würde er gerne weiter Partys veranstalten. Am liebsten aber wäre
es ihm, wenn Möglichkeiten gefunden werden würden, das SEZ doch noch zu
erhalten.
2 Jan 2024
## LINKS
[1] /Einstiges-Spassbad-der-DDR/!5866932
[2] /DDR-Bad-mit-vager-Zukunft/!5807239
[3] https://geradedenken.net/
[4] https://www.berlin.de/aktuelles/8589763-958090-berlin-kann-wieder-ueber-sez…
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
SEZ
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Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
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