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# taz.de -- SPD-Basis kritisiert Koalitionsvertrag: Schwarz-Rot in Hessen kommt
> Die Sozialdemokraten winken die Koalition mit der CDU durch. Aber Teile
> der Partei stoßen sich vor allem an den Vereinbarungen zur Asylpolitik.
Bild: Verstehen sich prächtig: Nancy Faeser (SPD) und Boris Rhein (CDU)
Groß-Umstadt taz | Nach heftiger, kontroverser Debatte hat der
Landesparteitag der hessischen SPD im südhessischen Groß-Umstadt den
[1][mit der CDU ausgehandelten Koalitionsvertrag] verabschiedet. Mehr als
80 Prozent der Delegierten stimmten am Ende zu. Zeitgleich hatte in
Frankfurt am Samstag der kleine Parteitag der Hessen-CDU den Weg für die
erste schwarz-rote Landesregierung in diesem Bundesland freigemacht.
Die Vorleute der hessischen SPD mussten sich in der mehrstündigen Debatte
zunächst viel Kritik anhören. Vor allem die jungen, aber auch einige
erfahrene GenossInnen attackierten den Vertragstext heftig. Der frühere
Generalsekretär der Landespartei, Norbert Schmitt, erinnerte die
Landesvorsitzende, Bundesinnenministerin Nancy Faeser, an das „miserable“
Resultat bei der Landtagswahl am 8. Oktober. Als Spitzenkandidatin hatte
sie 15,1 Prozent erreicht, das schlechteste Wahlergebnis der SPD in Hessen.
„Du warst die falsche Kandidatin zum falschen Zeitpunkt!“, rief er „Nancy…
zu und warnte seine Partei davor, „Leute der Vergangenheit“ ins Kabinett zu
berufen.
Juso-Landeschef Lukas Schneider beklagte den künftigen Kurs in der
Migrationspolitik, bei dem nicht länger die Humanität im Zentrum stehe:
„Die Geflüchteten werden drangsaliert, wem wollen wir damit helfen?“,
fragte er. Die Hoffnung der gebeutelten Partei auf einen „sicheren Hafen“
in der Koalition mit der CDU werde „in dem Sumpf enden, in den wir geraten
sind.“ „Mehr Abschiebungen sind doch nicht die Lösung, lasst die Menschen
arbeiten“, rief eine Juso-Vorstandskollegin. Viel Kritik gab es in diesem
Zusammenhang auch am Bekenntnis des Vertrags zum dreigliedrigen Schulwesen
„inklusive Noten und Sitzenbleiben“.
Der scheidende Landtagsabgeordnete Gernot Grumbach rief empört: „Ich
bekenne mich nicht zu einem Schulsystem, das soviel Leid und
Ungerechtigkeit gebracht hat“; er attackierte auch die Abschaffung der
Gendersternchen, die die neue Koalition für Behörden, Schulen und
öffentlich-rechtliche Institutionen durchsetzen will. Sie dienten der
Erkennbarkeit von Frauen in der Sprache, sagte Grumbach. Die nicht binäre
Person Amilio Ludwig-Dinkel klagte, mit diesen Sätzen aus dem
Koalitionsvertrag werde ihre Identität infrage gestellt. Ein Delegierter
sprach vom „Kulturkampfmüll“, den die CDU in den Vertrag hinein verhandelt
habe.
Bei der Schlussabstimmung gab es schließlich trotz dieser Debattenbeiträge
eine breite Mehrheit für die schwarz-rote Koalition, Nancy Faeser hatte mit
einer kämpferischen Rede für den Koalitionsvertrag geworben. Auch sie
beklagte die Formulierungen zu einer härteren Gangart in der
Migrationspolitik, auf denen die CDU bestanden habe: „Da schüttelt es
einen“, sagte sie. Als im Kabinett für Migration und Arbeit Zuständige
garantierten künftig SozialdemokratInnen eine humane Integrationspolitik,
versicherte die Bundesinnenministerin. Die Koalition mit der CDU sei „keine
Liebesheirat, sondern eine Verantwortungsgemeinschaft in schwerer Zeit.“
Faeser hob vor allem die Vereinbarungen zur Sozial- und Wirtschaftspolitik
hervor, in der die SPD in den nächsten fünf Jahren Verantwortung gestalten
könne. Die vereinbarten Investitionen in Bildung und Infrastruktur würden
das Leben der Menschen verbessern, so die SPD-Landesvorsitzende. Das
„dramatisch schlechte Wahlergebnis“ der SPD werde nun intern „fein
säuberlich“ aufgearbeitet, so Faeser. Sie dankte den vielen Ehrenamtlichen
in der Partei: „An Euch lag es sicher nicht!“, übernahm sie Verantwortung
für die Schlappe im Oktober.
In der kontroversen Debatte hatten ihr Bürgermeister und Landräte aus der
kommunalpolitischen Vereinigung der SPD den Rücken gestärkt. Dass sich das
Land künftig an den Betriebskosten für Kitas beteiligen und mehr Geld für
Krankenhäuser zusteuern wird, dass Unternehmen aus einem
Transformationsfonds bei dem Übergang in die digitale und nicht fossile
Welt unterstützt werden sollen, bezeichneten mehrere KommunalpolitikerInnen
als wichtige Entlastung der Kommunen. Nach ihrer Rede und nach der
Schlussabstimmung feierte eine deutliche Mehrheit der Delegierten die
Landesvorsitzende mit langanhaltendem Beifall, auch weil sie ihre Partei
nach 25 Jahren in der Opposition in Hessen wieder in
Regierungsverantwortung bringen wird.
Die neue CDU-geführte Landesregierung wird mit der konstituierenden Sitzung
des hessischen Landtags am 18. Januar ins Amt kommen. Wer dann neben
Ministerpräsident Boris Rhein, CDU, auf der Regierungsbank Platz nimmt,
wird erst nach Weihnachten entschieden.
16 Dec 2023
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[1] /CDU-SPD-Koalitionsvertrag-in-Hessen/!5976320
## AUTOREN
Christoph Schmidt-Lunau
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