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# taz.de -- Rodung befürchtet: Die letzten Tage der Leinemasch
> Die Klimaschützer*innen eines Landschaftsschutzgebiets in Hannover
> rechnen mit einer Räumung ab Montag. Zum Wochenende mobilisieren sie
> bundesweit.
Bild: Baumbesetzer in „Tümpeltown“, einem Baumhausdorf in der niedersächs…
Hamburg taz | Wann die Bagger anrollen werden, wissen die
Aktivist*innen nicht genau. Aber sie bereiten sich darauf vor, dass die
letzten Tage in der Leinemasch angebrochen sind. Für das kommende
Wochenende mobilisiert das Bündnis „Leinemasch bleibt“ bundesweit
Klimagruppen nach Hannover, [1][um das Landschaftsschutzgebiet zu
verteidigen]. Fridays for Future, „Ende Gelände“ und „Wald statt Asphalt…
haben ihre Unterstützung zugesagt und mobilisieren ebenfalls in das
Flussgebiet im südlichen Hannover.
Entlang der Bahnstrecke zwischen Hannover und Hildesheim soll die als
Südschnellweg bezeichnete Bundesstraße erneuert und um 10 Meter auf 25
Meter verbreitert werden. Die Fahrstreifen, die in den 50er- und
60er-Jahren gebaut wurden, entsprächen nicht mehr den heutigen
Sicherheitsstandards, gibt die niedersächsische Landesbehörde für
Straßenbau und Verkehr an – die Autos seien in den vergangenen Jahrzehnten
zu breit geworden. „Eine S-Klasse der 50er-Jahre ist so breit wie ein
heutiger Mini-Cooper“, schreibt das Ministerium auf seiner Homepage.
Die vierspurige Straße bekäme durch die Erneuerung keine weitere Spur, aber
zwei Standstreifen und einen breiteren Mittelstreifen. Ein Fahrradweg ist
nicht vorgesehen. Knapp vier Kilometer der Strecke führen durch das
Landschaftsschutzgebiet Leinemasch – zahlreiche Bäume und Büsche müssten
plattgemacht werden. Umweltgruppen und lokale Bürgerinitiativen halten das
für völlig unsinnig und weisen darauf hin, dass die Verkehrsprognosen aus
dem Jahr 2015, die den Plänen zugrunde liegen, veraltet seien. „Wir
brauchen eine Verkehrswende und keine Verbreiterung der Straße“, sagt die
Sprecherin von [2][Leinemasch bleibt], Tabea Dammann.
Seit über zwei Jahren organisieren Dammann und andere den Widerstand gegen
das Projekt. Ein runder Tisch mit Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) endete
ergebnislos. Im Oktober 2022 besetzten Aktivist*innen Bäume und
errichteten Baumhäuser. Das „Barrio Tümpeltown“, so nennen die
Besetzer*innen ihre Baumhaussiedlung, steht noch immer. „Wir wollen die
Räumung für die Politik und die Polizei so unangenehm wie möglich machen“,
sagt Dammann.
## Besetzer*innen von Tümpeltown
Ursprünglich hatten die Aktivist*innen schon im Herbst 2022 mit den
Rodungen in der Leinemasch gerechnet. Ein Teilabschnitt wurde auch schon
gerodet und für einen Tunnelbau vorbereitet. Gegen den Tunnelbau wehrten
sich die Aktivist*innen nicht, sagt Dammann – ihnen gehe es um die
Verbreiterung im Landschaftsschutzgebiet. Seit einigen Tagen verdichten
sich die Hinweise, dass es diesem Teilabschnitt ab nächster Woche an den
Kragen geht. Die [3][Hannoversche Allgemeine Zeitung] schrieb Mitte
Dezember unter Berufung auf Behördenkreise, dass eine Räumung ab dem 8.
Januar wahrscheinlich sei.
Die Besetzer*innen von Tümpeltown registrierten zudem ein
Hinweisschild, das eine Sperrung einer angrenzenden Straße ab dem 8. Januar
bis in den März hinein ankündigt – ein Hinweis, dass Polizei und
Räumungsfirmen dort Mannschaftswagen und schweres Gerät parken wollen. Die
Rodungssaison endet am 29. Februar, danach dürfen bis Oktober keine Bäume
gefällt werden. Offiziell halten die Behörden den Termin geheim.
Doch nun könnte den Besetzer*innen ausgerechnet eine Folge von
Umweltzerstörung und Klimawandel in die Hände spielen: das Hochwasser.
[4][Wie andere Küsten- und Flussregionen in Niedersachsen] ist auch die
Leinemasch abgesoffen. „Im Moment ist das hier ein kompletter Sumpf“, sagt
ein Baumhausbewohner, der sich „Belgrad“ nennt, im Gespräch mit der taz.
Unter dem besetzten Baumhausdorf laufe mittlerweile ein Bach und der
Tümpel, der dem Barrio seinen Namen gab, werde immer größer. „Wenn das so
weiter geht, kann hier auf jeden Fall kein schweres Gerät eingesetzt
werden“, sagt der Aktivist. Das niedersächsische Verkehrsministerium und
die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr ließen die taz-Anfrage, ob das
Hochwasser ein Problem für die Räumung darstelle, bis Redaktionsschluss
unbeantwortet.
## Hochwasser könnte Straßenbauprojekt verzögern
In jedem Fall wollen die Aktivist*innen vorbereitet sein, falls es doch
Anfang nächster Woche losgeht, versichern Belgrad und eine Mitstreiterin,
die sich „Regen“ nennt. Für das Wochenende sei ein umfangreiches Programm
geplant. Ab Samstag soll eine Dauermahnwache als 24/7-Anlaufpunkt für
Unterstützer*innen fungieren. An der Mahnwache befinden sich auch eine
zum Zelten ausgewiesene Fläche sowie eine Küche für alle und
Veranstaltungszelte. Dort soll es Aktionstrainings, Erste-Hilfe-Schulungen,
Konzerte und am Sonntag einen letzten Spaziergang durch die Leinemasch
geben.
Selbst wenn das Hochwasser die Räumung um ein paar Wochen verzögern sollte,
ist es wahrscheinlich, dass die Behörden alles daransetzen werden, das
Straßenbauprojekt vor Ende Februar durchzusetzen. In der Vergangenheit
ließen sich Bund und Land weder durch in den Bäumen wohnende Fledermäuse
noch durch im Tümpel lebende Biber aufhalten. Beide Arten sind streng
geschützt; Bäume, in denen Fledermäuse wohnen, dürfen keinesfalls gefällt
werden.
Doch die Landesbehörde verklebte die Eingänge zu den Fledermaushölen
kurzerhand mit Bauschaum. Auch das Biberpärchen, dass laut den
Besetzer*innen und dem Nabu im Tümpel von Tümpeltown wohnt, konnte
bislang keine aufschiebende Wirkung erzielen. Die Pläne zum Straßenausbau
sehen vor, den Tümpel zuzuschütten und als Baustellenfläche zu nutzen.
Die Landesbehörde geht davon aus, dass die Biber eigentlich woanders leben
und nur sporadisch am Tümpel vorbeischauen.
4 Jan 2024
## LINKS
[1] /Protest-gegen-Strassenausbau-in-Hannover/!5886197
[2] https://leinemaschbleibt.de/
[3] https://www.haz.de/lokales/hannover/suedschnellweg-hannover-rodung-in-der-l…
[4] /Schaeden-durch-Hochwasser/!5983453
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
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