# taz.de -- Ausstellung Technik u. Kunst in Bozen: Die Hoffnungsmaschine | |
> In der Kunstausstellung „Hope“ im Museion Bozen herrscht ein | |
> optimistischer Glaube an die Gegenwart. Die liegt aber zwischen | |
> Apokalypse und Neuanfang. | |
Bild: Aus der Ausstellung „Hope“ im Museion Bozen: Michael Fliri, „Fluid … | |
„Die Kunst ist die höchste Form von Hoffnung“, schrieb Gerhard Richter 1982 | |
in einem Text zur documenta 7. Die Kunst veranschauliche demnach eine | |
Realität, „die wir weder sehen, noch beschreiben können, auf deren Existenz | |
wir aber schließen können“. Weil alles Unbekannte uns ängstigt und | |
gleichzeitig hoffnungsvoll stimme, nehmen wir Bilder als Möglichkeit, um | |
das Unerklärliche vielleicht etwas erklärlicher, auf jeden Fall aber | |
umgänglicher zu machen, [1][so Richter]. | |
Niemand wird nach 2023 bestreiten, dass wir Hoffnung gebrauchen können. Ob | |
wir aber immer noch in der Lage sind, das Unfassbare mittels Kunst sehen zu | |
wollen, von dem Richter als Notwendigkeit spricht, bleibt abzuwarten. | |
„Hope“, also Hoffnung, heißt derzeit eine Gruppenausstellung im Museion | |
Bozen. Als dritter und letzter Teil der multidisziplinären | |
Ausstellungstrilogie „Techno Humanities“ eröffnete sie im September 2023 zu | |
einem Zeitpunkt, an dem die Covid-Pandemie seit einem Jahr für überwunden | |
erklärt worden war, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine schon weit | |
über ein Jahr andauerte und nur knapp eine Woche später das gegenwärtige | |
Blutvergießen im Nahen Osten beginnen sollte. | |
Die Reihe „Techno-Humanities“ soll Fragen der menschlichen Existenz in | |
ihren Zusammenhängen mit Ökologie, Technologie und Ökonomie untersuchen. | |
Und „Hope“ konzentriert sich nun abschließend auf die heutige Rolle des | |
Museums, auf sein Vermögen, die „künstlerischen, poetischen und | |
spekulativen“ Rahmenbedingungen zu schaffen, um Geschichten und Narrative | |
zu sammeln. | |
So sehen es die Kurator:innen [2][Bart van der Heide], der das Museion | |
Bozen seit 2020 leitet, Leonie Radine aus seinem Team sowie der | |
Elektroproduzent DeForrest Brown, Jr. Brown ist auch Autor des 2022 | |
veröffentlichten Buches [3][„Assembling a Black Counter Culture“ zur | |
Geschichte des Techno]. | |
## Der Museumsbau, ein Ufo | |
Der würfelartige Bau des 2008 eingeweihten Museion, entworfen vom Berliner | |
Architekturbüro KSV Krüger Schuberth Vandreike, wird oft als UFO | |
beschrieben. Seine prismatische Glasfassade erinnert mehr an die Zentrale | |
eines Hightech-Unternehmens denn an ein Museum für Gegenwartskunst. Es ist | |
daher irgendwie erhebend und amüsant, nun in der Eingangshalle von einem | |
Neonschriftzug mit dem Wort „Open“ empfangen zu werden. | |
Die gleichnamige Lichtinstallation von Ricardo Previdi erinnert an | |
Werbeschilder und formuliert auch einen Imperativ der Offenheit. Im | |
Fahrstuhl wiederum dringen aus der elektronischen Musik einer | |
Soundinstallation des Künstlerinnen-Duos Ulrike Bernard und Caroline | |
Profanter Durchsagen hervor, als kämen sie aus den Lautsprechern eines | |
Bahnsteigs. Sie schicken einen direkt in den Ausstellungsrundgang. | |
Der erstreckt sich über vier Etagen, die je einem Thema gewidmet sind. Er | |
beginnt im hoch aufragenden vierten Stockwerk, dem „Observatorium“. Dort | |
weist zunächst ein überdimensioniertes, arg in die Länge montiertes | |
Kameraobjektiv von Beatrice Marchi mit dem Titel „The Photographer Lens“ | |
nach draußen. | |
Andere Kunstwerke hier erscheinen wie archäologische Artefakte, wie | |
Überbleibsel einer Katastrophe. Auch die Eighties-Popsongs, die der | |
bosnisch-französische Künstler Bojan Šarčevic leise aus einem | |
sarkophagartigen Eisschrank tönen lässt. Seine Installation „Sentimality is | |
the Core“ von 2018 erinnert an eine Dekade, in der die Popkultur zugleich | |
die Depression und die Euphorie einer No Future zelebrierte. | |
Im zweiten Stock, dem „Third Earth Archive“, eröffnet DeForrest Brown, Jr. | |
seine Recherchen zur Geschichte des Techno, wenn er auf raumhohen Regalen | |
eine umfangreiche Plattensammlung ausbreitet. Dazwischen tauchen auf | |
digitalen Sci-Fi-Bildern die afrofuturistischen Superhelden in | |
Unterwasserlandschaften von AbuQadim Haqq auf. | |
## Atlantis der Sklav:innen | |
In der raumschiffartigen Installation des „Third Earth Archive“ enträtseln | |
sie den in der Technokultur von Detroit verankerten [4][Mythos von | |
Drexciya, von jenem Utopos Atlantis,] das von Nachkommen Schwarzer | |
Sklav:innen bewohnt sein soll. Die Installation entwirft eine alternative | |
Zeitrechnung und die beginnt „am Ende der Zukunft“. | |
Zum Schluss dieses dichten Ausstellungsrundgangs verbinden sich in der | |
3-Kanal-Videoarbeit „Dove fermarsi?“ von Linda Jasmin Mayer Melancholie | |
und Dystopie. Hybride Wesen aus Vogel und Mensch bewegen sich da in einer | |
nebeligen halb natürlichen, halb menschgemachten Landschaft. | |
Die Kunstwerke, sie seien „Maschinen für Emanzipation und Empowerment“, | |
meinen die drei Kurator:innen. Der optimistische Glaube, der „Hope“ | |
zugrunde liegt, ist nicht zu leugnen – und er neigt gar dazu, die manchmal | |
zaudernde Kunst zu übertönen. Doch die Wochen, die seit | |
Ausstellungseröffnung vergangen sind, scheinen die Diskrepanz zwischen der | |
Idee eines Museums als „Hoffnungsmaschine“ und dem Stand der Dinge | |
verstärkt zu haben. | |
12 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Tal Sterngast | |
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