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# taz.de -- Taylor Swifts Erfolgsgeheimnis: Weiß und reich und hübsch und nett
> 130 Millionen Menschen in den USA bezeichnen sich als Fans von Taylor
> Swift. Sie ist progressiv, bodenständig und irgendwie nett. Kann das gut
> gehen?
Bild: Ein friedlicher, femininer Hafen in einer krisengeschüttelten Welt: Tayl…
Falls wir Zweifel hätten, schrieb das Time Magazine neulich nur ein
bisschen schnippisch in der Lobpreisung seiner frisch gewählten „[1][Person
of the Year“, Taylor Swift,] sollten wir uns gefälligst einmal Folgendes
überlegen: Wie oft haben wir in diesem Jahr über Taylor gesprochen? Wie oft
ein Foto von ihr auf dem Handy gesehen? Wie oft haben wir über einen
Instagram-Post von ihr gelacht oder auf eine Überschrift mit ihrem Namen
geklickt? Oder beim Warten in der Kassenschlange „Cruel Summer“ gesummt?
Nun ja. Wir hier vielleicht gerade nicht so … aber andere schon. Zum
Beispiel mehr als die Hälfte aller US-Amerikanerinnen – über 130 Millionen
Menschen dort bezeichnen sich nach einer aktuellen Studie als Taylor-Fans.
## Millionen Fliegen können sich nicht irren!
Natürlich erinnert das Quantitätsargument ein bisschen an den Titel des
1959 erschienenen Elvis-Presley-Compilation-Albums „50,000,000 Elvis Fans
Can’t Be Wrong“, ebenso wie an das (von einigen Menschen ausgerechnet dem
deterministischen Gänseforscher und Nationalsozialisten Konrad Lorenz
zugeschriebene) Zitat: „Fresst Scheiße! Millionen Fliegen können sich nicht
irren!“ Aber beeindruckend sind die Zahlen schon. Was verbindet diese
vielen, vielen Swifties?
Und es will kein Ende nehmen: Mittlerweile gibt es eine eigens vom
Mega-Medienkonzern Gannett ausgeschriebene Stelle als exklusive
Taylor-Swift-Reporter:in, die bereits besetzt wurde, Universitäten bieten
Taylor-Kurse an, Taylor-Fans übernachten tagelang in Zelten vor den
Stadien, als wären sie Grateful-Dead-Fans und hätten sonst nichts zu tun,
und Taylors Dokumentarfilm über „The Eras Tour“ hat dem Konzertfilm an sich
ein Make-Over verpasst, von dem so mancher Blockbuster träumt.
## Sie taugt prima als Aushängeschild
Dazu ist Taylor jung, schlank, normativ schön, kann singen, Stücke
schreiben, Gitarre spielen und erfolgreich Urheberrechte erkämpfen,
unterstützt die Pro-Choice-Bewegung und macht sich für die LGBTQ+-Community
stark, versteckt mit Eifer Easter Eggs, sieht gut aus im Glitzerbody, und
wenn man sie fragt, was sie am liebsten zu sich nimmt, dann sagt sie
Normalo-Dinge wie „Kaffee“, „Wodka-Diet Coke“, und „Hähnchen – wenn
Kalorien nicht zählen würden, hihi“.
Und sie ist selfmade reich. Insofern taugt sie prima als Aushängeschild
einer Gesellschaft, die sowohl auf der Suche nach massentauglichen
Aushängeschildern als auch nach gesunden Kollektiverfahrungen ist: Taylor
scheint der kleinste gemeinsame Nenner zu sein. Vielleicht ist sie die
Antwort auf die im Westen soziologisch schon lange geschärfte Forderung
nach unbedingter Individualität – und der Beweis dafür, dass zu viel
Individualität uns Herdentieren gar nicht so gut gefällt.
## „Nett“ bedeutet: „Kein Stress“
Vielleicht ist sie ein friedlicher, auf eine nicht beängstigende Art
femininer Hafen in einer krisengeschüttelten Welt. Vielleicht berühren ihre
Songs so viele Menschen, weil so viele Menschen Liebeskummer kennen.
Vielleicht merkt man dem Megastar von nebenan gar nicht an, dass einem
keine Person, sondern ein Konzern gegenübersitzt. Vielleicht ist sie auch
wirklich einfach nur weiß und reich und hübsch und nett. Denn „nett“ ist
zwar einerseits der beiläufigste Begriff der Welt. Aber andererseits
bedeutet er „kein Stress“.
Jedenfalls wird es interessant und bestimmt auch traurig sein, zu
beobachten, ob, wann und wie sich das leidenschaftliche Verhältnis vor
allem der US-amerikanischen Swifties doch noch ändert. Wie sagte Billy
Crudup als Chef des imaginären Networks „UBA“ in der großartigen, vor
weißen, reichen, erfolgreichen Blondinen wimmelnden und auch genau das
vorbildlich thematisierenden und problematisierenden Mediensatire „The
Morning Show“? „Dem Zusammenbruch einer geliebten Frau zuzuschauen, ist
zeitlose amerikanische Unterhaltung.“ Aber das ist vielleicht auch nur so
ein bitterer Männerspruch.
25 Dec 2023
## LINKS
[1] /Taylor-Swift-ist-Person-of-the-Year/!5978550
## AUTOREN
Jenni Zylka
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