| # taz.de -- Nach dem Krieg in Gaza: Sind zwei Staaten die Lösung? | |
| > Der Nahostkonflikt ist militärisch nicht zu lösen. Joe Biden drängt auf | |
| > die Zweistaatenlösung. Für einen politischen Vorstoß braucht es neue | |
| > Führungen. | |
| Bild: Bringt die Zweistaatenlösung wiederholt und mit Vehemenz ins Spiel: US-P… | |
| Lange wurde sie herbeigesehnt, dann belächelt und schließlich für tot | |
| erklärt. Doch jetzt ist sie zurück: die Idee von der Zweistaatenlösung. Vor | |
| allem ein Mann bringt sie wiederholt und mit Vehemenz ins Spiel: | |
| US-Präsident Joe Biden. In Israel verhält es sich anders. Viele in der | |
| Zivilgesellschaft, die lange für eine Zweistaatenlösung gekämpft haben, | |
| stecken derzeit [1][ihr Herzblut in andere Dinge]. | |
| Sie versuchen, Aufmerksamkeit auf die noch [2][im Gazastreifen | |
| festgehaltenen Geiseln] zu lenken und die Regierung zu Verhandlungen zu | |
| bewegen. Sie arbeiten freiwillig auf den Feldern oder helfen denen, die aus | |
| dem Norden oder Süden evakuiert wurden. Einige von ihnen betrauern tote | |
| Familienangehörige und Freund*innen – und mitunter auch ihre früheren | |
| politischen Überzeugungen. | |
| Besatzungskritische Nichtregierungsorganisationen sind nicht verstummt, sie | |
| fordern nach wie vor eine politische Lösung, jetzt mehr denn je, genauso | |
| wie kritische Analyst*innen. Doch vielen Menschen jenseits organisierter | |
| Strukturen hat es die Sprache verschlagen. Sie denken gerade nicht über | |
| Perspektiven und Lösungen nach. Auf beiden Seiten ist die Zustimmung zur | |
| Zweistaatenlösung nach dem 7. Oktober [3][in Talfahrt]. | |
| Dass die ohnehin nicht große Beliebtheit der Zweistaatenlösung aktuell | |
| zusätzlich Schaden nimmt, verwundert nicht. Ein Grund dafür dürfte auch | |
| sein, dass ihre Umsetzung zu diesem Zeitpunkt als Sieg der Hamas | |
| missinterpretiert werden könnte. Sie könnte als Sieg all derer gedeutet | |
| werden, die [4][die Gräueltaten der Hamas], das konzertierte Morden und | |
| Vergewaltigen, als legitimes Mittel im palästinensischen Befreiungskampf | |
| betrachten. Eine Vorstellung, die schwer zu ertragen ist. | |
| ## Friedensvorstöße kamen von rechten Politikern | |
| Der momentanen politischen Atmosphäre zum Trotz scheint eine | |
| Zweistaatenlösung in diesen Tagen wieder näher zu sein als in den | |
| vergangenen fast 30 Jahren seit der Ermordung von Regierungschef Jitzhak | |
| Rabin im November 1995. Vorsicht ist allerdings geboten bei dem Argument, | |
| es werde die israelische Rechte, nicht die israelische Linke sein, die den | |
| Frieden bringt. Eine These, die von einigen Analyst*innen und | |
| Politiker*innen vertreten wird. | |
| Auch der Berater von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, Mohammed Odeh, | |
| erklärte noch kurz vor dem 7. Oktober, dass die linken, friedensbewegten | |
| Parteien gescheitert seien. Sie hätten „[5][Angst, als Verräter betrachtet | |
| zu werden“]. Für diese These spricht, dass der Frieden mit Ägypten erst | |
| unter der rechten israelischen Regierung von Menachem Begin erreicht werden | |
| konnte. | |
| Und die Auflösung aller israelischen Siedlungen im Gazastreifen sowie den | |
| kompletten Truppenabzug 2005 aus der Küstenregion trieb ausgerechnet der | |
| Hardliner Ariel Scharon voran. Dass jedoch dieser Glaubenssatz vom „rechten | |
| Frieden“ für die jetzige extrem rechte Regierungskoalition gilt, ist kaum | |
| vorstellbar. Radikalideologischen Siedlern wie den Ministern Itamar | |
| Ben-Gvir und Bezalel Smotrich geht es vor allem um eines: Gott und dessen | |
| Auftrag, das Land vom Mittelmeer bis zum Jordan jüdisch zu besiedeln. | |
| Frieden, inklusive die Gründung eines palästinensischen Staates, passt | |
| nicht in ihr Konzept. Klar ist aber auch: Der von der Rechten versprochene | |
| Weg, Israel Sicherheit zu bringen und den Konflikt militärisch lösen zu | |
| können, ist gescheitert. Es gibt nunmehr zwei Möglichkeiten. Ein „wir oder | |
| sie“ – oder eine politische Lösung. Und wenn irgendwann, langsam, die | |
| Wunden anfangen zu heilen, oder zumindest etwas Zeit vergangen ist, wird | |
| sich – so ist zu hoffen – die Erkenntnis durchsetzen, dass der zweite Weg | |
| der einzige gangbare ist. | |
| ## Bidens Ungeduld wächst | |
| Die Hoffnung liegt auf den USA. Mit jedem Tag wird deutlicher, dass Israels | |
| Abhängigkeit um vieles größer ist, als Israels Regierung wahrhaben will. | |
| Netanjahu versucht seinen Wähler*innen weiszumachen, er bestimme über | |
| den Fortgang des Krieges. Dabei sind die Zeichen aus den USA deutlich. Noch | |
| stehen die Amerikaner an der Seite Israels, mit Flugzeugträgern, | |
| Waffenlieferungen in Milliardenhöhe und breitem Rücken, mit dem sie | |
| Kritiker*innen fernhalten. | |
| Doch die [6][wachsende Ungeduld von US-Präsident Joe Biden] ist deutlich | |
| spürbar und seine Forderung ist klar: Am Ende des Krieges muss der Weg für | |
| eine Zweistaatenlösung geebnet werden. Wenn Netanjahus Regierung diese | |
| Vorstellung nicht mitträgt, muss sie verändert werden. Die Regierung | |
| wohlgemerkt. Nicht die Vision. Ob Abbas mit seiner Palästinensischen | |
| Autonomiebehörde der Richtige ist, um Gaza zu kontrollieren, ist allerdings | |
| zweifelhaft. Auch im eigenen Volk mangelt es dem 88-Jährigen an Rückhalt. | |
| Gerade in den vergangenen Wochen präsentiert sich Abbas erkennbar hilflos. | |
| Eins ist sicher: Eine politische Lösung braucht nach allem, was passiert | |
| ist, Mut. Aber alles andere führt in den Abgrund. | |
| 23 Dec 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Autor-Klein-Halevi-ueber-Israel/!5965041 | |
| [2] /Israelische-Geiseln/!5980359 | |
| [3] https://pcpsr.org/en/node/928 | |
| [4] /Angriff-auf-Israel/!5963370 | |
| [5] https://www.i24news.tv/en/news/middle-east/palestinian-territories/16940879… | |
| [6] https://www.haaretz.com/israel-news/2023-12-19/ty-article/.premium/biden-kn… | |
| ## AUTOREN | |
| Judith Poppe | |
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