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# taz.de -- Globaler Süden und Klimakonferenz: „Das Gefühl, vergessen zu we…
> Palaus Präsident Surangel Whipps Jr. ist enttäuscht von der
> Klimakonferenz in Dubai. Sein Inselstaat ist vom Anstieg des
> Meeresspiegels bedroht.
Bild: Bedrohte Inseln: Abendhimmel über Palau
taz: Herr Whipps, mehr als 2.400 Lobbyist*innen der fossilen
Brennstoffindustrie nahmen an der UN-Weltklimakonferenz in Dubai teil, die
in der vergangenen Woche endete. Das entspricht etwa einem Siebtel der
Bevölkerung Palaus. Wie groß war Ihre Delegation?
Surangel Whipps: Unsere Delegation bestand aus etwa 100 Personen.
Konnten Sie sich gegen so viele Lobbyist*innen durchsetzen?
Die Zahlen sprechen für sich. Als kleine Inseln haben wir gemeinsam für den
Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen gekämpft. Und nun stehen in der
Abschlusserklärung nicht die Worte, die wir gebraucht hätten, um die Inseln
zu schützen.
Die pazifischen Inselstaaten sind heute stärker vom Klimawandel bedroht als
Länder wie Deutschland, die USA oder China. Dennoch finden sie auf
Klimakonferenzen regelmäßig weniger Beachtung. Sollte sich das ändern?
Auf jeden Fall. Kleine Inseln wie Palau haben mit heftigen Stürmen zu
kämpfen, mit dem Anstieg des Meeresspiegels, mit Dürre und Hitze, mit
Korallenbleiche, Quallen und dem Rückgang der Fischbestände. Alles
gleichzeitig. Delegierte eines großen Landes haben mich auf der Konferenz
gefragt, wie viele Menschen in Palau leben, und ich habe gesagt, es sind
20.000. Sie haben gesagt, okay, wir siedeln sie um und brauchen nur ein
Gebäude. Ist das die Lösung, die wir suchen sollten? Wir reden hier vom
Aussterben ganzer Kulturen.
Ein Mittel, mit dem die großen Länder den kleinen Inselstaaten und anderen
stark betroffenen Ländern helfen wollen, ist der Fonds für Verluste und
Schäden, die zum Beispiel durch extreme Wetterereignisse entstehen. Dieser
[1][Loss-and-Damage-Fonds wurde auf der Weltklimakonferenz beschlossen].
Sind Sie damit zufrieden?
Nein. Wir sehen zwar Fortschritte durch die Operationalisierung des Fonds.
Aber das Geld reicht nicht. Die USA haben für den Fonds gerade 17 Millionen
Dollar zugesagt. Die Überschwemmungen in Pakistan im vergangenen Jahr haben
allein einen Schaden von 30 Milliarden Dollar verursacht. Reiche Länder wie
die USA und Deutschland sollten nicht über Millionen, sondern über
Milliarden reden.
Deutschland und die Vereinigten Arabischen Emirate haben zu Beginn der
Konferenz jeweils immerhin 100 Millionen Dollar [2][Anschubfinanzierung für
den Fonds] geleistet. Die Hoffnung: dass sich mehr Schwellenländer
beteiligen, die an sich nicht zur Klimafinanzierung verpflichtet sind, aber
inzwischen reich und CO₂-intensiv geworden sind. Bisher kommt das Geld nur
spärlich und aus den Industrieländern. Sind Sie enttäuscht, dass die
Strategie nicht aufgegangen ist?
Nicht wirklich enttäuscht. Ich hoffe, dass das Beispiel der Vereinigten
Arabischen Emirate Länder wie Saudi-Arabien oder China ermutigen wird,
ebenfalls Beiträge zu leisten. Es ist wie ein Schneeball. Man muss ihn ins
Rollen bringen.
Die deutsche [3][Außenministerin Annalena Baerbock besuchte Ihre Insel im
Juli 2022]. Sie sagte damals, dass Deutschland sein politisches Gewicht
nutzen werde, um das nötige Geld für den Fonds zu bekommen. Hat sie ihr
Versprechen gehalten?
Ich möchte ihr dafür danken, dass sie 100 Millionen Dollar gegeben hat. Das
zeigt Führungsstärke und Engagement. Die Größenordnung stimmt nicht, aber
es gibt uns Hoffnung – und das ist es, was wir hier draußen brauchen. Wir
haben oft das Gefühl, vergessen zu werden. Aber die wichtige Frage ist, wie
viel davon wirklich auf den Inseln ankommt. Oft werden große Versprechungen
gemacht, und das Geld versickert auf dem Weg. Die Bürokratie ist so
komplex, dass wir als kleines Land manchmal nicht dagegen ankommen können.
Baerbock sagte bei ihrem Besuch auch, sie wolle eine Machbarkeitsstudie für
den Ersatz der Dieselkraftwerke auf der Insel anstoßen. Was ist daraus
geworden?
Das ist noch nicht geschehen. Aber Palau hat gerade ein Solarfeld
fertiggestellt, das 20 Prozent unseres Strombedarfs deckt. Jetzt wollen wir
auf 100 Prozent kommen. Die Kosten für unseren Strom, der bislang
ausschließlich mit Diesel erzeugt wurde, lagen bislang bei 30 US-Cent pro
Kilowattstunde. Ich habe auf der Konferenz gehört, dass die Vereinigten
Arabischen Emirate in einem Unternehmen mit Beteiligung der öffentlichen
Hand Strom für 8 Cent pro Kilowattstunde erzeugen. Wenn in Deutschland
Kohle verbrannt wird, kostet es vielleicht etwa die Hälfte. Für uns wären 8
US-Cent immer noch großartig.
Oft wird kritisiert, dass Energiepartnerschaften zwischen dem Globalen
Süden und dem Globalen Norden dazu dienen, grüne Energie im Süden zu
produzieren und in den Norden zu exportieren. Funktionieren diese
Energiepartnerschaften nur nach neokolonialem Muster?
Wir wollen, dass der Norden grüner wird. Und wenn man in der Sahara
Solarfelder bauen kann, die grünen Strom für ganz Europa produzieren, dann
ist das fantastisch. Aber warum sollte man diesen Strom nicht auch in den
Süden pumpen, in all die anderen Länder Afrikas, damit sie keine
Kohlekraftwerke bauen müssen?
Ist der Globale Süden klimapolitisch weniger einig als noch vor wenigen
Jahren?
Einige Länder wollen große Produzenten fossiler Brennstoffe werden. Andere
wollen Tiefseebergbau betreiben, wieder andere Offshore-Bohrungen. Eines
haben Palau und zumindest der Rest der Pazifikinseln gemeinsam: Wir wollen
unser wichtigstes Gut auf diesem Planeten schützen: die Ozeane. Sie sind
die größte Kohlenstoffsenke der Erde. Jeder zweite Atemzug kommt aus dem
Meer.
Wenn Sie alles Geld und alle Unterstützung hätten, die Sie brauchen: Was
würden Sie klimapolitisch verändern?
Wir müssen alles tun, um unter 1,5 Grad Erderhitzung zu bleiben. Das
erfordert drastische Veränderungen. Einer der größten Kritikpunkte an der
Reduzierung fossiler Brennstoffe ist aber: Wenn wir die Nutzung reduzieren,
müssen wir mehr für Energie ausgeben. Und das ist nicht fair. Es geht also
darum, die richtigen Technologien zu nutzen, um sicherzustellen, dass die
wirtschaftlichen Auswirkungen der Umstellung auf umweltfreundliche
Technologien minimal sind.
17 Dec 2023
## LINKS
[1] /Klimakonferenz-in-Dubai-startet/!5972593
[2] /Klimareparationen-fuer-Globalen-Sueden/!5976793
[3] /Aussenministerin-Baerbock-besucht-Palau/!5863945
## AUTOREN
Enno Schöningh
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