| # taz.de -- Söder und die Wildtiere: 1:0 für den Fischotter | |
| > Pünktlich zum Wahlkampf hatte Markus Söder zur Jagd auf den Fischotter | |
| > geblasen. Doch jetzt hat ihn der Verwaltungsgerichtshof erstmal gestoppt. | |
| Bild: Ein Fischotter (Lutra Lutra) im Bayerischen Wald | |
| München taz | Es soll ja böse Zungen geben, die behaupten, Markus Söder | |
| esse nichts anderes als Fleisch. Das stimmt definitiv nicht. Bayerns | |
| Ministerpräsident isst beispielsweise auch gerne mal Fisch. Besonders | |
| angetan hat es ihm der Karpfen. Franken, und da kommt der CSUler | |
| bekanntlich her, gilt als eine der deutschen Karpfen-Hochburgen. Die | |
| Vorliebe für Karpfen allerdings hat Söder mit dem [1][Fischotter] gemein. | |
| Und da beginnt das Problem. | |
| Da nämlich der Otter zur Selbstbedienung neigt und in den letzten Jahren | |
| von bayerischen Karpfenzüchtern zunehmend als Ärgernis betrachtet wurde, | |
| dräute ihm dasselbe Schicksal wie dem Wolf: Beide – wie natürlich auch der | |
| bisweilen als Wandergast anzutreffende [2][Braunbär] – hätten in Bayern | |
| nichts zu suchen, befand die hiesige Staatsregierung und beschloss im April | |
| die erleichterte Entnahme, vulgo den erleichterten Abschuss der Tiere. | |
| Wölfe und Fischotter seien nicht mehr bedroht, Weidetierhalter und | |
| Teichwirte jedoch schon, so die Logik der Söder-Regierung, die flugs die | |
| Artenschutzrechtliche Ausnahmeverordnung und die jagdrechtlichen | |
| Vorschriften ändern ließ. Dadurch, so Söders Agrarministerin Michaela | |
| [3][Kaniber], sei es nun möglich, „zur Abwendung ernster | |
| fischwirtschaftlicher Schäden“ ganzjährig Fischotter zu entnehmen. „Unsere | |
| Teichwirte brauchen jetzt eine Perspektive“, argumentierte sie im Frühjahr. | |
| „Denn die Betriebe sind zermürbt. Die Schadensmeldungen explodieren, sie | |
| haben sich seit 2016 nahezu verzehnfacht.“ Immer mehr Teichwirte hätten | |
| deshalb bereits aufgegeben. | |
| Nun begab es sich zufällig, dass zu dieser Zeit der Landtagswahlkampf | |
| anlief in Bayern, und Söder mag in den Karpfenzüchtern wie in den dem Wolf | |
| wenig zugetanen Landwirten eine wichtige Wählerklientel gesehen haben. Aber | |
| dies freilich ist eine reine Unterstellung. | |
| ## Gericht: Obergrenze der Tötungen besonders bedeutsam | |
| Umso interessanter in jedem Fall, dass auch der Fischotter, der im | |
| allgemeinen weit weniger auf publicy-trächtige Selbstinszenierung bedacht | |
| ist, seine Fans um sich scharte: In nur einer Woche unterzeichneten | |
| zigtausende Menschen im Internet einen Appell gegen die Söder-Kaniber’sche | |
| Verordnung. „Wir merken, dass das Thema die Menschen bewegt“ sagte der | |
| WWF-Wildtierexperte Moritz Klose. „Fischotter gehören zu Bayern wie | |
| Alpenpanorama und Lederhosen“, behauptete er und bemühte eine in diesem | |
| Zusammenhang recht gewagte Metapher: „Söder hat wohl den Schuss nicht | |
| gehört.“ | |
| Am Ende waren es aber nicht die Unterschriften, sondern eine Entscheidung | |
| des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der die Jagd auf die Otter – | |
| zumindest vorläufig – stoppte. Am Donnerstag gab das Gericht einem | |
| Eilantrag von Deutscher Umwelthilfe und Bund Naturschutz statt und befand: | |
| Die beiden Verordnungen sind voraussichtlich rechtswidrig. Das Ergebnis, so | |
| der Gerichtshof: „Fischotter dürfen damit vorerst auch nicht ausnahmsweise | |
| getötet werden.“ Die Entscheidung in der Hauptsache steht allerdings noch | |
| aus. | |
| Die Regierung könne nicht einfach die Anzahl der zulässigen Tötungen der | |
| Landesanstalt für Landwirtschaft übertragen, argumentierte der Gerichtshof | |
| in seinem Beschluss. Das verstoße gegen das Bundesnaturschutzgesetz wie | |
| auch gegen verfassungsrechtliche Bestimmungen. Die Höchstzahl der Tötungen | |
| sei für den Artenschutz so bedeutsam, dass sie vom Verordnungsgeber selbst | |
| geregelt werden müsse. Außerdem sei eine der geänderten Verordnungen schon | |
| allein aus formellen Gründen nichtig. | |
| ## Lutra lutra war fast ausgerottet | |
| Die Antragssteller sehen sich in ihrer Auffassung bestätigt und feiern den | |
| vorläufigen Sieg des Fischotters: „Der Beschluss zeigt deutlich: Die | |
| Konflikte lassen sich mit einer handwerklich und juristisch fragwürdigen | |
| Abschuss-Verordnung nicht lösen“, kommentiert Bund-Naturschutz-Chef Richard | |
| Mergner, „das vertieft nur die Gräben zwischen Naturschutz und | |
| Teichwirtschaft und setzt die Betriebe einer großen Rechtsunsicherheit | |
| aus.“ Mergner plädiert für intelligentere Instrumentarien zum Schutz der | |
| Teichwirtschaft. | |
| Wie wichtig der Schutz gefährdeter Arten ist und wie wirkungsvoll er sein | |
| kann, dafür ist nicht zuletzt der Fischotter eines der besten Beispiele: | |
| Die einst in ganz Deutschland verbreitete Art, von Kennern lutra lutra | |
| genannt, war lange Zeit als Fastenspeise und Felllieferant begehrt sowie | |
| wegen ihrer Vorliebe für heimischen Fisch verfolgt. Die Folge: Bis Ende der | |
| fünfziger Jahre war der Fischotter in Bayern praktisch ausgerottet. | |
| Nur im Bayerischen Wald entlang der Grenze zu Tschechien überlebten einige | |
| Restbestände. Dank konsequenter Schutzmaßnahmen – seit 1968 ist die | |
| Otterjagd verboten – konnten sich die Tiere von dort aus in der östlichen | |
| Hälfte Bayerns wieder ausbreiten. Die Art gilt noch als gefährdet, hat | |
| jedoch mittlerweile eine stabile Population etabliert. Bis zum finalen | |
| Urteil des Gerichtshofs bleibt nur zu hoffen, dass zu Weihnachten weder | |
| Söder noch Otter auf ihren Karpfen verzichten müssen. | |
| 1 Dec 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominik Baur | |
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