# taz.de -- Eklat beim Deutschen Engagementpreis: Extrawurst für Jägerschaft | |
> Beim Publikumsvoting des Deutschen Engagementpreises liegt eine | |
> Tierrettungsinitiative vorne, muss den Preis aber mit der Jägerschaft | |
> Verden teilen. | |
Bild: Ist dieser Mann ein Tierschützer oder das Gegenteil? Jäger bei einer Tr… | |
OSNABRÜCK taz | Der [1][Deutsche Engagementpreis] hält große Stücke auf | |
sich. Jährlich verliehen, durch den Berliner Bundesverband Deutscher | |
Stiftungen, versteht er sich als „bedeutendste Auszeichnung für | |
bürgerschaftliches Engagement“ und „Preis der Preise“. | |
Anfang Dezember wurden die PreisträgerInnen von 2023 geehrt, in Kategorien | |
wie „Demokratie stärken“ und „Chancen schaffen“. | |
Beim Publikumspreis, dotiert mit 10.000 Euro, kommt es zum Eklat. Es | |
gewinnt nicht nur der Bestplatzierte, mit 25.339 Stimmen, die „[2][Rehkitz- | |
und Tierhilfe Franken]“ aus Bayern, die sich um die Rettung von | |
neugeborenen Rehkitzen vor Erntemaschinen kümmert. Sondern auch die | |
„[3][Jägerschaft des Landkreises Verden]“ aus Niedersachsen, mit 21.363 | |
Stimmen weit abgeschlagen. | |
Es ist ein Sonderentscheid: Der Preis wird zweimal gegeben, das Preisgeld | |
hälftig geteilt. David gewinnt gegen Goliath, aber der Sieg wird ihm | |
verwehrt. Der Wille der Mehrheit zählt nicht. | |
Bei der Abstimmung habe sich „eine Kontroverse entwickelt“, begründen die | |
Ausrichter in einer [4][Erklärung auf ihrer Website] diesen ungewöhnlichen, | |
unlogischen Schritt. Es habe Aufrufe gegeben, „mit dem erklärten Ziel, | |
einen möglichen Gewinn der Jägerschaft Verden zu verhindern“, in den | |
Sozialen Medien sei es zu „Beleidigungen und Hetze“ gekommen. Beide | |
Nominierte hätten die Teilung angenommen. | |
Sie sei als „Zeichen der Versöhnung“ gedacht, ergänzen die Ausrichter auf | |
ihrem Facebook-Account. Wie diese Versöhnung zwischen Vereinen | |
funktionieren soll, von denen der eine Tiere rettet, der andere Tiere | |
tötet, bleibt offen. Lovis Kauertz vom „[5][Wildtierschutz Deutschland]“ in | |
Gau-Algesheim, nennt es anders: „Betrug an den Abstimmenden“. | |
Unverständnis schlägt den Preis-Verantwortlichen auch in den Kommentaren | |
auf die „Versöhnung“ entgegen. Ein User mit dem Namen Steffen Heilig | |
schreibt dort: „Kommt zur Besinnung, bittet um Entschuldigung und macht die | |
Skandal-Entscheidung rückgängig.“ Julius Janke findet: „Widerlich, was hi… | |
abgeht. Ich bin fassungslos über so viel Heuchelei.“ Cora Cao meint: „Wie | |
erbärmlich ist das denn! Ihr solltet euch in Grund und Boden schämen.“ | |
Angela Demmig argwöhnt gar: „Was gab es dafür? Geld von der [6][lodengrünen | |
Lobby]?“ Und Beate Kronfeldt kommentiert: „Absurde Entscheidung, die wie | |
Geklüngel anmutet.“ Dazu gab es Hunderte „Gefällt mir“-Daumen. | |
Simone Schmidt von der „Rehkitz- und Tierhilfe Franken“, ist anzumerken, | |
wie sie sich bei alldem fühlt. „Aber wir sagen dazu nichts mehr“, sagt sie | |
der taz frustriert. „Die Unruhe war schon groß genug, der Druck. Wir machen | |
unsere Arbeit, das ist uns das Wichtigste.“ Schmidt will keine Eskalation | |
der oft hitzigen [7][Debatte zwischen Jägerschaft und | |
Tierschützer:innen]. „Wir verhalten uns neutral. Das ist unser Niveau. | |
Und das behalten wir auch bei.“ | |
Es habe „unfassbare Hassreden gegen die Jägerschaft“ gegeben, schreibt | |
Jürgen Luttmann, Vorsitzender der Jägerschaft Verden, der taz. Nutzer | |
hätten „auf dem Facebook-Account von Frau Schmidt tagelang Tipps für | |
manipuliertes Abstimmen verbreitet“. Den Vorwurf der Einflussnahme | |
zugunsten der Jägerschaft weist er zurück: „Der Gedanke ist für mich | |
absurd, es habe von Verbänden, Behörden oder Politik Manipulationsversuche | |
gegeben.“ Die Jägerschaft habe Werbung für ihre „Arbeit für Tier-, Arten- | |
und Naturschutz“ gemacht, „ohne dabei Wettbewerber in den Schmutz zu | |
ziehen“. | |
Auf ihrer Website macht die Jägerschaft Verden e.V. deutlich, wem sie ihren | |
Erfolg zu verdanken glaubt: „Nach der Rückreise aus Berlin führte unser | |
erster Weg ins Kreishaus. Wir wollten uns unbedingt bei unserem Landrat | |
Peter Bohlmann und der ebenfalls anwesenden Landtagsabgeordneten Dr. Dörte | |
Liebetruth für ihre klare Positionierung hinter unserer Nominierung | |
bedanken“ schreibt der „anerkannte Naturschutzverband“ dort. | |
Da das Ergebnis „aufgrund von Unstimmigkeiten bei der Abstimmung“ vom | |
Wettbewerbsgremium des Engagementpreises festgelegt worden sei, „spielte es | |
sicher auch eine Rolle, dass sich alle politischen Vertreter der | |
bürgerlichen Parteien eindeutig zu unserer ehrenamtlichen Arbeit bekannten | |
und damit untermauerten, dass wir [8][Jäger] in der Mitte der Gesellschaft | |
für die Gesellschaft arbeiten.“ | |
Beim Auslober des Preises dementiert man das: „Druck oder Einfluss auf die | |
Ausrichter des Preises oder Regeländerungen zugunsten der Jägerschaft | |
Verden gab es nicht“, beteuert Markus Winkler der taz, Sprecher des | |
Engagementpreises. Die Frage, was der Vorfall für den Ruf des Preises | |
bedeutet, lässt er unbeantwortet. | |
Friedrich Mülln, Leiter der Münchner Tierrechtsorganisation [9][SOKO | |
Tierschutz], versteht Schmidts Frustration gut. Was geschah, als die SOKO | |
2019 den Publikumspreis gewann, hat er in keiner guten Erinnerung. | |
## Brief eines ehemaligen Preisträgers | |
„Wir haben unter ähnlich ungünstigen Vorzeichen gewonnen“, sagt er der ta… | |
„Die Tiernutzungsbranche hat damals massiv dazu aufgerufen, jeden zu | |
wählen, nur nicht uns. Auch die Laudatio hat sich mit uns nicht leicht | |
getan, hat uns völlig grundlos in die Nähe der Kriminalität gerückt.“ | |
Was Schmidt passiert ist, findet Mülln „empörend, traurig und feige“. Er | |
sagt: „Die Jäger behaupten immer, es werde gegen sie gehetzt, das ist die | |
klassische Totschlagtechnik. Und dann greifen sie aus der Opferposition | |
heraus an, mit all ihrem Einfluss. Das hat jetzt offenbar auch beim | |
Engagementpreis funktioniert.“ Mülln hat den Ausrichtern des Preises einen | |
Brief geschrieben, entsetzt über die Preisteilung. Eine Antwort blieb aus. | |
Der Preis müsse „kontroverse Themen aushalten“, sagt Mülln. „Entweder m… | |
hat diesen Mumm oder man lässt es ganz.“ Ein „Einknicken“, wie jetzt vor | |
den Parteigängern des „Blutsports“ Jagd, sei fatal. Jäger als Tier-, Arte… | |
und Naturschützer? „Für Biotopschutz brauche ich keine Waffe“, sagt Müll… | |
„Nur zum Töten.“ | |
14 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.deutscher-engagementpreis.de/ | |
[2] https://rehkitzhilfefranken.de/ | |
[3] https://jaegerschaft-verden.de/ | |
[4] https://www.deutscher-engagementpreis.de/erklaerung-publikumspreis | |
[5] https://www.wildtierschutz-deutschland.de/ | |
[6] /Rehe-verhindern-Waldumbau-in-Brandenburg/!5871220 | |
[7] /CDU-hat-Woelfe-und-Nonnengaense-im-Visier/!5880503 | |
[8] /Jaeger/!t5012246 | |
[9] https://www.soko-tierschutz.org/ | |
## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
## TAGS | |
Jäger | |
Tierschützer | |
Hassrede | |
Auszeichnung | |
Engagement | |
Masha Gessen | |
Artenschutz | |
Forstwirtschaft | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bremer Hannah-Arendt-Preis 2023: Keine Feier für Masha Gessen | |
Die Publizistin erhält den Preis, aber die Feier fällt aus. Sie hat den | |
Krieg in Gaza mit der Liquidierung der Ghettos unter den Nazis | |
gleichgesetzt. | |
Söder und die Wildtiere: 1:0 für den Fischotter | |
Pünktlich zum Wahlkampf hatte Markus Söder zur Jagd auf den Fischotter | |
geblasen. Doch jetzt hat ihn der Verwaltungsgerichtshof erstmal gestoppt. | |
Es soll mehr Wild geschossen werden: Die Jäger treten in den Klimastreik | |
Ein modernes Jagdrecht ist wichtig für den Waldumbau. In Rheinland-Pfalz | |
und Brandenburg drohen neue Jagdgesetze einmal mehr zu scheitern. |