| # taz.de -- Weibliche Selbstbestimmung: „Schön, dass ich keine Kinder habe“ | |
| > Frauen, die keine Mutter sein wollen, wird suggeriert, dass es ihnen an | |
| > etwas mangle. Denn gute kinderlose Vorbilder gibt es immer noch zu wenig. | |
| Bild: Laut zu sagen, froh zu sein,keine Kinder zu haben, bleibt eine Provokation | |
| Vor Kurzem ist mir aufgefallen, dass ich keine Kinder habe. Das war früher | |
| anders: Da war „Nein, ich habe keine Kinder“ nie die volle Antwort auf | |
| diese Frage. Ich sagte „noch nicht“ oder „vielleicht irgendwann mal“ od… | |
| „Ich weiß gar nicht, ob ich welche möchte“. „Nein“ ist neu. | |
| Ich hatte nie eine [1][Zukunftsvorstellung von mir als Mutter], und | |
| trotzdem habe ich mit Ende Dreißig viel darüber nachgedacht, ob ich mich | |
| jetzt doch noch für Kinder entscheiden sollte. Immerhin könnte ich etwas | |
| verpassen. Ich war selbst überrascht davon, dass der Gedanke aufkam, dass | |
| ein Leben „ohne Kinder“ bedeuten könnte, es würde etwas fehlen. | |
| Für hetero cis Frauen wie mich mangelt es an Vorbildern für ein | |
| kinderfreies Leben: Meine Eltern waren Eltern, ihre Eltern waren Eltern und | |
| auch deren Eltern. Ich stamme aus einer langen Linie von Müttern und | |
| Vätern. In Film und Fernsehen gibt es wenige Beispiele für erfüllte, | |
| kinderfreie Lebenswege ohne Nestbau, Babys, Enkelkinder. | |
| ## Mangel an Vorbildern | |
| Auf Social Media sind auch jenseits von Mami-Blogs Meilensteine der | |
| Elternschaft sehr präsent. Und selbst in feministischen Diskursen um | |
| Sorgearbeit wird mehr über Elternschaft gesprochen als über [2][anderen | |
| Formen von Care]. Unter #childfree erzählen (nicht nur) Frauen vom | |
| kinderfreien Leben, teilen Alltag und besondere Momente ihrer | |
| Unabhängigkeit. Dafür ernten sie – wie für eigentlich alles, was Frauen im | |
| Internet so machen – [3][eine große Menge Hate]. | |
| Wenn diese Frauen sich gegen Mutterschaft entscheiden, dann sollen sie | |
| zumindest ein bisschen traurig sein. Es muss das Bild aufrecht erhalten | |
| werden, Frauen würden etwas aufgeben, um sich ihrem Beruf widmen zu können. | |
| Oder sie würden nur all diese Reisen unternehmen und auf Partys gehen, um | |
| die Lücke der Kinderlosigkeit zu füllen. | |
| Doch warum auch immer Frauen die Entscheidung treffen, keine Kinder zu | |
| bekommen und womit auch immer sie dann ihr Leben füllen: Wer sich gegen | |
| zusätzliche Sorgearbeit entscheidet und stattdessen beispielsweise | |
| Freund*innen, Freizeit, Karriere, Faulheit, Genuss oder schlicht die eigene | |
| psychische Gesundheit in den Vordergrund stellt, soll gefälligst an anderer | |
| Stelle einen Mangel spüren. Wie bitte? Selbstbestimmte und gut gelaunte | |
| Frauen, die Chefinnen ihrer eigenen Zeit sind? Das ist immer noch irgendwie | |
| frech. | |
| ## Selbstbestimmte Frauen? Frech! | |
| Laut zu rufen: „Yay! Wie schön, dass ich keine Kinder habe!“, bleibt eine | |
| Provokation. Besonders während der Weihnachtszeit. Ich habe zwar keine | |
| Verbindung zu diesen christlichen Feiertagen, aber trotzdem liebe ich | |
| Weihnachten als Genre in der Popkultur: jeden Tag einen Weihnachtsfilm. Das | |
| ist mein Dezember. | |
| Ich sehe also gerade sehr viele Geschichten über Frauen, die ein Leben mit | |
| coolem Beruf oder vielen Partys in der Großstadt führen und [4][dann vom | |
| Schicksal aufs Land] getrieben werden. Dort treffen sie einen | |
| alleinerziehenden Schafhirten und lernen, dass eine Familie zu haben, der | |
| Sinn des Lebens ist, um pünktlich zu Heiligabend mit ihm, den Kindern und | |
| den Schafen im Schnee zu tollen. | |
| Damit mir selbst so etwas Schreckliches nicht passiert, verlasse ich im | |
| Dezember unter keinen Umständen die Stadt. | |
| 16 Dec 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Simone Dede Ayivi | |
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