# taz.de -- Chaos bei den Berliner Grünen: Vorsitzende verzweifelt gesucht | |
> Tanja Prinz, einzige Kandidatin für den Landesvorsitz, ließen die Grünen | |
> spektakulär durchfallen. Ein nächster Anlauf soll die Partei aus der | |
> Krise holen. | |
Bild: „Vielen Dank, frohe Weihnachten.“ Tanja Prinz nach der gescheiterten … | |
BERLIN taz | Kampfkandidaturen, zornig das Podium verlassende Redner, | |
heftige Anschuldigungen – all das haben die Grünen schon erlebt. Was sich | |
aber derzeit in ihrem Berliner Landesverband abspielt, ist neu: Weil eine | |
Vorsitzwahl [1][am Samstag gleich dreimal scheiterte], geht der | |
Landesparteitag an diesem Mittwoch in die Verlängerung. Der Hintergrund ist | |
diffiziler als die Kluft zwischen Realos und linkem Parteiflügel: Hier | |
verläuft eine zweite Konfliktlinie mitten durch das Realo-Lager. Eine große | |
Rolle spielt dabei die Interpretation der Berlinwahl vom 12. Februar 2023 | |
und der Verlust der Regierungsbeteiligung. | |
Am Samstag war eine Realo-Bewerberin, die sich bei einer flügelinternen | |
Vorabstimmung Mitte November durchgesetzt hatte, beim Parteitag | |
durchgefallen – ohne Gegenkandidatin und das drei Mal. Über 70 Prozent der | |
Delegierten stimmten gegen die 44-jährige Tanja Prinz: Nicht nur die im | |
Landesverband dominierenden Parteilinken lehnten sie ab, sondern auch | |
Realo-Delegierte. Gemäß den ungeschriebenen Regeln der Partei, wonach jeder | |
Flügel einen Platz in der Doppelspitze besetzt, hätte das linke Lager die | |
Realo-Vorauswahl akzeptieren müssen. Doch anders als die Frauenquote ist | |
das [2][nicht in der Satzung festgeschrieben] und nicht verbindlich. | |
Parteilinke und kritische Realos rieben und reiben sich an Forderungen von | |
ihr und einer sie tragenden Gruppierung aus dem mitgliederstarken Bezirk | |
Berlin-Mitte: Die drängen aus ihrer Sicht zu radikal auf einen | |
bürgerlicheren Kurs in der Innenpolitik. Bei der Parteilinken hingegen sind | |
Abgeordnete wie der innenpolitische Sprecher im Landesparlament zu finden: | |
Der bezeichnete 2022 den in Tübingen wiedergewählten [3][Boris Palmer] nach | |
der Wahl als „ersten AfD-Oberbürgermeister“. | |
## Verpatzte Wahl trotz guter Umfragen | |
Aus Sicht der Realos hat die bisherige Parteispitze das Wahlziel verpatzt, | |
erstmals in Berlin die Regierende Bürgermeisterin und damit bundesweit die | |
erste grüne Ministerpräsidentin zu stellen. Zweimal lagen die Grünen vor | |
den Wahlen zum Landesparlament – im September 2021 und bei der | |
Wiederholungswahl 2023 – in Umfragen deutlich über 20 Prozent. Doch im | |
Februar landeten sie [4][nur auf Platz 3]. | |
Bei einem kleinen Parteitag kurz danach, als der Regierungsverlust schon | |
absehbar war, jedoch keine Wahlniederlage, [5][blieb harte Kritik an | |
Spitzenkandidatin und Reala Bettina Jarasch aus]. Stattdessen feierte sich | |
der Landesverband dafür, mit 18,4 Prozent fast sein historisch bestes | |
Ergebnis geholt zu haben. Teile der Realos – wie eben Prinz – sahen das | |
anders: Die Partei hat aus ihrer Sicht mit einem Linkskurs bürgerliche | |
Wähler vergrault. Dazu gehört die von Jarasch verantwortete [6][Sperrung | |
einer Einkaufsstraße in der Innenstadt], die sogar Thema bei „Anne Will“ | |
wurde. | |
Trotz ablehnender Worte [7][Richtung CDU kamen sich Jarasch] und der | |
CDU-Landesvorsitzende und heutige Regierungschef Kai Wegner bei | |
Sondierungsgesprächen inhaltlich sehr nahe. Doch Wegner, der gegenüber der | |
taz [8][Schwarz-Grün „meine Traumkoalition“] nannte, fehlte die Sicherheit, | |
dass die grüne Basis einem solchen Bündnis zustimmen würde. Er entschied | |
sich für Schwarz-Rot. | |
Die Realos verweisen darauf, dass die Grünen in anderen Großstädten weit | |
besser abschneiden – in München etwa waren sie bei der Landtagswahl im | |
Oktober [9][mit 30,7 Prozent stärkste Partei]. „18,4 Prozent sind nicht das | |
Ende der Fahnenstange in Berlin“, sagte Prinz Ende November [10][im | |
taz-Interview.] Die sie tragenden Teile des rund 12.500 Mitglieder starken | |
Landesverbands drängen auf einen Kurs, der sich auf diese Formel | |
konzentrieren lässt: Mehr Baden-Württemberg statt Kreuzberg. Im Südwesten | |
Deutschlands stellt die Partei ihren einzigen Ministerpräsidenten, in | |
Kreuzberg regieren die Grünen einen nach ironischer Selbstbeschreibung | |
„links-grün versifften Sektor“. | |
Nach intensiven Gesprächen machten die Realos am Dienstagmorgen öffentlich, | |
wer beim zweiten Anlauf am Mittwoch antreten und von der Parteilinken | |
getragen werden soll: Die [11][Bundestagsabgeordnete Nina Stahr], die schon | |
[12][von 2016 bis 2021 mit ihrem linken Co-Vorsitzenden Werner Graf] ein | |
anerkanntes Spitzenduo bildete, soll den Landesverband zumindest | |
vorübergehend bis Mai 2024 führen. | |
13 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Landesparteitag-der-Berliner-Gruenen/!5975967 | |
[2] https://gruene.berlin/fileadmin/BE/lv_berlin/LV_Berlin_Dokumente/zentrale_D… | |
[3] /Boris-Palmer-bei-den-Freien-Waehlern/!5973960 | |
[4] /Endergebnis-der-Berlin-Wahl/!5915725 | |
[5] /Parteitag-der-Berliner-Gruenen/!5920804 | |
[6] /Flaniermeile-Friedrichstrasse/!5974743 | |
[7] /Gruene-Bilanz-des-schwarz-roten-Regierens/!5962414 | |
[8] /Option-Schwarz-Gruen-in-Berlin/!5915238 | |
[9] https://stadt.muenchen.de/news/newslandtagsundbezirkswahl2023.html | |
[10] /Gruenen-Landesparteitag-am-9-Dezember/!5971433 | |
[11] /Berliner-Politprominenz-im-Bundestag/!5862495 | |
[12] /Gruene-brauchen-neuen-Landesvorstand/!5817000 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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