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# taz.de -- NS-Architekten und Düsseldorfs Städtebau: Parkplatz anstatt Synag…
> Künstler Mischa Kuball erinnert mit einer Lichtinstallation an die 1938
> zerstörte Synagoge Düsseldorf. Der Ort ist bis heute politisch belastet.
Bild: Die Konturen der kaiserzeitlichen Synagoge von 1904 in Mischa Kuballs Ins…
Am 9. November 1938 wurde die große Synagoge in Düsseldorf durch Übergriffe
eines antisemitischen Mobs völlig zerstört. Heute ist von ihr nichts mehr
zu sehen, ein Finanzinstitut mit dröger Schießschartenfassade steht jetzt
an ihrer Stelle. Auf einer großen Leinwand vor dem Sitz des Dienstleisters
„auxmoney“ lässt Künstler Mischa Kuball derzeit ausschnitthaft die
graphischen Konturen des einstigen Prachtbaus wiederauferstehen.
Seine Installation „missing link_“ erinnert an einen Ort, dessen jüdische
Geschichte bis heute in Düsseldorf erfolgreich verdrängt wurde. Nach 85
Jahren hat man wieder das Gebäude des Architekten Josef Kleesattel vor
Augen. Er gehörte in der Kaiserzeit mit seinem historistisch-monumentalen
Stil zu den gefragtesten Sakralbaumeistern im Rheinland. Doch [1][Kuballs
Kunstaktion] „missing link_“ bleibt erstaunlich illustrativ. Dabei böte sie
Anlass, einmal auf das gesamte städtische Umfeld der einstigen Synagoge zu
schauen. Es ist nämlich politisch schwer belastet.
Immer noch kaum bekannt ist, wie dieser Raum jahrzehntelang zunächst vom
preußischen Militär und später von der Täterriege um Albert Speers
„Wiederaufbaustab“ geprägt wurde, der dort in der Nachkriegszeit seine
autogerechte Wirtschaftsmetropole plante.
Als Kleesattel um 1904 mit der Errichtung der Synagoge begann, war ihr
Baugrund erst seit kurzer Zeit in städtischem Besitz. Davor gehörte es dem
preußischen Militär. Es feierte dort auf dem Exerzierplatz [2][am Sedantag
noch mit viel Hurra] den Sieg über den Erzfeind Frankreich.
## Nach dem Krieg bauen NS-Architekten autogerecht weiter
Erst nach Wegzug des Militärs entstanden auf dem Grund die Große Synagoge,
das legendäre Schauspielhaus von Louise Dumont und Gustav Lindemann sowie
das Bankenviertel, das im Eiltempo aus dem Boden gestampft wurde. Auf dem
Areal der ausgebrannten Synagoge ließ man auf Geheiß von Goebbels einen
Parkplatz errichten. Und der kam nach 1945 den Architekten der
autogerechten Stadt gerade recht.
Denn die radikalen Schläge gegen die zentralen Kulturstätten der neuen
Landeshauptstadt gingen in der Nachkriegszeit zunächst weiter. Das hängt
vornehmlich mit [3][der Gefolgschaft Albert Speers] zusammen, die sich in
Düsseldorf niederließ, während der Chef im Spandauer Knast saß. Die jungen
Architekten von Speers noch zu NS-Zeiten einberufenen „Arbeitsstab für den
Wiederaufbau“ sammelten sich um Friedrich Tamms. Hitler hatte ihn nur
wenige Jahre zuvor in die „Gottbegnadeten-Liste“ aufgenommen.
Zu Tamms, der ab 1945 rasch in die höchsten politischen Ämter der Stadt
aufstieg, gesellten sich die Freunde aus dem Wiederaufbaustab. Sie zogen
die wichtigsten Aufträge an sich: Helmut Hentrich baute für die
Düsseldorfer Hochfinanz Bankhäuser im NS-Stil, Konstanty Gutschow die Börse
und Rudolf Wolters, ehemals Leiter der Speer-Truppe und Autor des
Propagandabuchs „Neue Reichskanzlei“, errichtete die Industrie-Kreditbank
auf der Kasernenstraße.
Für das neue Geldinstitut riss man das Schauspielhaus ab, das trotz der
Alliierten-Bomben recht unversehrt geblieben war. Währenddessen
präsentierte der Baudezernent Friedrich Tamms 1957 stolz den
Hochglanz-Bildband „Das neue Düsseldorf“. Darin abgebildet: Der Parkplatz
auf der Kasernenstraße mit der Bildunterschrift „Hier stand einmal
Düsseldorfs Synagoge.“
## Tabula-Rasa-Moderne und Verdrängung
Nun befindet sich also, letztlich in Folge der Tabula-Rasa-Planungen von
Albert Speers Architekteneskorte aus den 1950er Jahren, auf dem Standort
der großen Synagoge ein weiteres Finanzinstitut, in dem sich mittlerweile
der Kreditgeber „auxmoney“ eingerichtet hat. Die Erinnerung an das Pogrom
vom 9. November 1938, sie wurde aktiv durch die Architektur nach dem Krieg
verdrängt.
28 Nov 2023
## LINKS
[1] /Emil-Noldes-NS-Vergangenheit/!5903284
[2] /Erinnerung-an-die-Sedan-Schlacht-1870/!5738754
[3] /Ausstellung-ueber-NS-Architektur/!5926402
## AUTOREN
Klaus Englert
## TAGS
Synagoge
Preußen
Städtebau
Düsseldorf
Pogrom
NS-Architektur
Kunst im öffentlichen Raum
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