| # taz.de -- Neues Album und Tour von Ilgen-Nur: Im Laurel Canyon ganz bei sich | |
| > Berlins Indierockerin Ilgen-Nur hat ihr neues Album „It's All Happening“ | |
| > in Los Angeles entwickelt. In Kalifornien ist sie als Künstlerin gereift. | |
| Bild: „Die sagen einfach: Oh, du sprichst drei Sprachen, cool.“ Die Musiker… | |
| Kurz vor der Pandemie – Ilgen-Nurs Stern am Indierock-Himmel war dank ihres | |
| lakonisch-lässigen Debütalbums „Power Nap“ (2019) gerade aufgegangen – | |
| erfüllte sich die Musikerin einen Lebenstraum: Eine Einladung ins | |
| texanische Austin, zum Branchentreff-Festival SXSW, verband sie mit einem | |
| Aufenthalt in Los Angeles. | |
| Die kalifornische Metropole hatte sie von jeher fasziniert – nicht zuletzt | |
| wegen der Ambivalenz zwischen sonnigem Lifestyle und Abgründigem. Zudem | |
| leben dort viele Künstler:innen, die die 27-Jährige bewundert. „Ich bin mit | |
| Musik aus Los Angeles aufgewachsen, mit den Serien und Filmen“. [1][Diese | |
| popkulturellen Hervorbringungen wollte Ilgen-Nur Borali, aufgewachsen in | |
| einer schwäbischen Kleinstadt und mittlerweile in Berlin-Neukölln zu | |
| Hause], endlich einmal mit der Realität abgleichen. | |
| Es verschlug sie an einen Hot Spot der Legendenbildung, in den Laurel | |
| Canyon – sie bekam dort ein WG-Zimmer vermittelt, nachdem ihre | |
| ursprüngliche Mitwohn-Gelegenheit weggebrochen war. Seine kreative Hochzeit | |
| hatte der Canyon in den späten 1960ern; Cass Elliott von The Mamas and the | |
| Papas lebte damals Tür an Tür mit Jim Morrison, Carole King und Frank | |
| Zappa. Bis heute sind im Laurel Canyon, hoch über den Hügeln der Stadt | |
| traditionell Künstler:Innen zu Hause. | |
| Ilgen-Nur tauchte ein in eine mythenumrankte Welt. Natürlich sei die | |
| Zimmermiete überteuert gewesen, erzählt sie – wie eigentlich alles in L.A. | |
| Doch der hippieske Vibe bestehe immer noch. Und Joni Mitchell, deren | |
| Einfluss auf Ilgen-Nurs neuem Album „It’s All Happening“ deutliche Spuren | |
| hinterlassen hat, wohnt bis heute auf dem Lookout Mountain, den Ilgen-Nur | |
| [2][im schwelgerischen Auftaktsong] besingt. | |
| ## Spuren der Westcoast | |
| Nach den Wochen im Canyon kam Ilgen-Nur als Stipendiatin erneut in die | |
| Stadt. Insgesamt neun Monate verbrachte sie in Südkalifornien und lernte | |
| unterschiedlichste Gegenden kennen. Auch musikalisch hinterließ die | |
| Westcoast Spuren. Das Ergebnis: sonnendurchfluteter, bisweilen wehmütiger | |
| Folkrock, in den gelegentlich die Düsternis des Molochs einbricht. Mal | |
| klingt das bratzig schwungvoll wie in [3][„Purple Moon“], dann wieder | |
| flirrend wie bei „Sweet Thing“. | |
| Damit erfindet sich die anfangs gerne als „Slackerqueen“ betitelte | |
| Ilgen-Nur mehr als nur ein bisschen neu. Unbedingt innovativ klingt sie | |
| nicht, doch das Album strahlt eine angenehme Selbstverständlichkeit aus. | |
| „It’s All Happening“ wirkt, als sei Ilgen-Nur bei sich angekommen. Was | |
| auch, so erzählt sie im Zoom-Interview, damit zu tun habe, dass es „in den | |
| USA ein Verständnis für Rockmusik gibt, das hierzulande fehlt“. | |
| ## Keine Desillusion | |
| Man müsse nicht dauernd erklären, warum man als junge queere Frau Gitarren | |
| mag. Wohl noch wichtiger für sie war, dass es „keinen gejuckt hat, dass ich | |
| aus Deutschland bin, oder, dass meine Familie aus der Türkei kommt“, | |
| erzählt sie. „Die sagen einfach: Oh, du sprichst drei Sprachen, cool.“ In | |
| Deutschland hingegen habe sie sich nie ganz zugehörig gefühlt, wegen ihres | |
| Namens und Backgrounds. Und in der Türkei galt sie immer als die aus | |
| Deutschland. „Das ist so ein Ding, das mich mein ganzes Leben lang | |
| begleitet hat. In den USA fiel das komplett weg.“ | |
| Ihrem eigenen US-amerikanischen Traum nachzujagen, war für Ilgen-Nur also | |
| keineswegs desillusionierend – trotz der Extreme, auf die sie stieß. „Es | |
| hat etwas mit meinem Kopf gemacht, die ganze Zeit in diese Weiten zu | |
| gucken.“ Sie fügt, etwas kokett, hinzu: „Außerdem liebe ich Fastfood und | |
| ich liebe Gras. Ich liebe Rockmusik und ich liebe die Sonne, den Strand.“ | |
| Dass sie, wie sie betont, nie so glücklich gewesen war, wie in der Zeit | |
| dort, hängt aber vermutlich auch damit zusammen, dass sie dort | |
| projektionsfrei ihr eigenes Ding machen konnte. | |
| 21 Nov 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Musikerin-Ilgen-Nur-ueber-Hass-im-Netz/!5622222 | |
| [2] https://youtu.be/SxzW2ACJHXc?si=1sA1MT5Ljln3--Db | |
| [3] https://youtu.be/Ms1R3nTEYBs?si=cvMenmlGtLM6_NaN | |
| ## AUTOREN | |
| Stephanie Grimm | |
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