| # taz.de -- Ende von rot-grün in Hannover: Aufbruch abgesagt | |
| > Hannovers rot-grüne Koalition zerlegt sich vordergründig wegen des | |
| > Streits um die autoarme Innenstadt. Dahinter steckt eine Profilneurose | |
| > der SPD. | |
| Bild: Zurück auf normal null: OB Belit Onay bei der Pressekonferenz zum Ende d… | |
| Ach, es hätte ja so schön sein können. Endlich mal ein OB, der was | |
| hermacht, bundesweit Gehör findet, ein Hauch von Aufbruchstimmung weht | |
| durch das als langweilig verschriene Hannover. | |
| Nee, sagt da die SPD, aber nicht mit uns. Nun haben sie also wirklich die | |
| grün-rote Koalition im Rathaus platzen lassen. Vordergründig, weil sie | |
| [1][das Innenstadtkonzept des Oberbürgermeisters] nicht mittragen wollten, | |
| hintergründig spielten wohl auch viele persönliche Befindlichkeiten und | |
| eine wuchernde Profilneurose eine Rolle. Die gute alte | |
| Wer-ist-hier-Koch-und-wer-Kellner-Frage, die hat ja Tradition in diesem | |
| Bündnis. | |
| Es war schon darüber spekuliert worden, die SPD könnte künftig mit CDU und | |
| FDP eine Koalitionsmehrheit formen und dem grünen Oberbürgermeister | |
| [2][Belit Onay] das Leben sehr schwer machen. Aber nein, mit wechselnden | |
| Mehrheiten im Rat wolle man es jetzt versuchen, sagt SPD-Parteichef Adis | |
| Ahmetović. Da zähle dann die Kraft des Arguments. | |
| Das klingt doch erst einmal hübsch, demokratietheoretisch jedenfalls, nach | |
| Wettstreit der Ideen und so. Der Haken ist nur: Fragt man nach konkreten | |
| Ideen, Konzepten, Visionen, die man da in den Wettstreit werfen wollte, | |
| werden einem schnell die Augen glasig und die Ohren schalten ganz von | |
| allein auf Durchzug. | |
| Die Sache mit dem großen Wurf haben die Sozialdemokraten nämlich bisher | |
| ganz gern den Grünen überlassen, beschränken sich selbst lieber aufs | |
| [3][Rummosern und kleines Karo]. Auch jetzt wieder bei der großen | |
| Pressekonferenz zum Koalitionsbruch. Das einzige konkrete Beispiel, das | |
| kam: Eine Buslinie auf der Waldchaussee. Hm. Ansonsten beschränkt sich die | |
| Kritik auf: „Das muss man breiter diskutieren“ (nämlich mit Wirtschafts- | |
| und Sozialverbänden) und: „Was wird denn das kosten?“ (als ob so ein | |
| grundlegendes Konzept schon bis ins Letzte durchgerechnet sein könnte). | |
| Die SPD scheint vollkommen darauf fixiert zu sein, [4][dem grünen OB auf | |
| gar keinen Fall sein Prestigeprojekt zu gönnen]. Aber welches Profil glaubt | |
| sie damit zu gewinnen? Wäre es nicht klüger, eigene Akzente zu setzen? Sich | |
| auf soziale Fragen zu konzentrieren, bei denen in der Stadt immerhin auch | |
| einiges im Argen liegt? Als totale Autofahrer-Partei und oberste | |
| Parkplatzverteidiger wollen die Genossen ja auch nicht durchgehen. Sie | |
| wissen, dass diese Rolle längst besetzt ist. Aber bei wem punktet man, wenn | |
| man zu allem „ja, schon, aber nicht so“ sagt? | |
| Aber gut, auf der anderen Seite muss man den hannoverschen Grünen wohl | |
| vorwerfen, eine paar grundlegende Spielregeln nicht ganz verstanden zu | |
| haben: Nämlich, dass man in einem demokratischen Prozess halt Kompromisse | |
| machen und Mehrheiten organisieren muss. | |
| Sind die jungen Wilden zu eifrig vorgeprescht? Haben sie die | |
| Beharrungskräfte unterschätzt? Oder die Woge der Zustimmung überschätzt, | |
| die sie durch die Oberbürgermeisterwahl 2019 und die Kommunalwahl 2021 | |
| getragen hat? Haben – wie es manche Sozialdemokraten behaupten – die | |
| multiplen Krisen der letzten zwei Jahre die Veränderungsbereitschaft der | |
| Bürger aufgezehrt? Ist das jetzt zu viel verlangt, wenn die auch noch | |
| woanders parken sollen? | |
| Mal sehen, welche Erzählung am Ende hängen bleibt. Die eine geht so: Diese | |
| Grünen wollen ja immer nur auf Teufel komm raus ihre ideologischen Ziele | |
| durchsetzen, dabei ist nichts zu Ende gedacht und schon gar nicht | |
| durchgerechnet. Die andere geht so: Die SPD will alles zu Tode verwalten | |
| und in Hinterzimmern kleinquatschen bis kein Fortschritt mehr sichtbar ist. | |
| So demontiert man sich gegenseitig. Das ist das traurige Ende eines | |
| Bündnisses, das irgendwann einmal für Aufbruch und Fortschritt stand. Man | |
| ahnt schon, wer dabei am Ende der lachende Dritte ist: Die, die früher | |
| sowieso alles besser fanden. Willkommen in der Hauptstadt des Stillstandes. | |
| 28 Nov 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Nadine Conti | |
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