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# taz.de -- Nachtzug von Innsbruck nach Hamburg: Der Lego-Bauer im Menschen
> Ein Schlafwagen zwischen Innsbruck und Hamburg mit „viel Komfort“
> bedeutet: Der Abteil-Architekt beherrscht die Kunst des Platzsparens gut.
Bild: Der neue Nightjet der ÖBB
Hamburg taz | Die Idee war: von Innsbruck nach Hamburg ohne Flugzeug, ohne
Auto und mit möglichst viel Komfort.
Also [1][Nachtzug] mit einem Abteil für drei Leute im Schlafwagen, privat,
niemand sonst. Bezogene Betten, kostenloses Wasser, Schlappen der
Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), Schlafbrillen, Ohrstöpsel, Frühstück …
la carte (ein Bestellformular mit Frühstückskomponenten zum Ankreuzen), ein
eigener Waschtisch (in einem Schrank). Die wilde Hoffnung, dass auch eine
eigene Toilette zum Abteil gehört, bewahrheitet sich leider nicht. Obwohl
auf dem Ticket etwas von Deluxe steht.
Und sehr eng ist es, das Deluxe-Abteil. Im nicht umgebauten Zustand sind es
drei Sitze nebeneinander, davor ein langer Tisch, dann gleich die Wand. Den
Umbau übernimmt recht bald nach der Abfahrt um 20.44 Uhr der Schaffner. Man
dürfte ihn nicht selber machen, selbst wenn man wollte. Nach dem Umbau
befinden sich die drei Liegen, die tendenziell sogar die Bezeichnung
„Betten“ verdienen, übereinander. Eine Leiter ermöglicht den Aufstieg und
montierbare Netze sichern die Schlafenden vor Stürzen in die Tiefe.
Spätestens jetzt macht der Nachtzug Spaß. Die Frage ist ja, wie sich
möglichst viel Komfort auf möglichst kleinem Raum unterbringen lässt. Da
tut sich Stauraum auf, den man nicht vermutet hätte. Der Tisch zum Beispiel
verschwindet in der Zugwand. Die Trinkgläser im Waschtisch-Schrank. Und zum
Abschließen der Tür beim Klogang gibt es eine Lochkarte als Schlüssel. So
ein Deluxe-Abteil mit seinen kleinen Details euphorisiert den
[2][Lego]-Bauer im Menschen.
## Das Frühstück ist überraschend üppig und gut
Die Fahrt selbst ist dann so mittel. In Rosenheim kommt die Bundespolizei
zur Passkontrolle ins Abteil, was ungewohnt ist, weil bei den drei
europäischen Grenzen, die wir auf unserer Reise vorher überquert haben,
niemand einen Pass sehen wollte.
In München folgt gegen 23 Uhr großes Durcheinander, Leute steigen ein,
irgendwas hat mit einer Reservierung nicht geklappt, es gibt Ärger. Im
Abteil nebenan telefoniert ein Mann mit einer Stimmfrequenz, die so tief
ist, dass sie durch die Wand geht. Der Mann [3][telefoniert die halbe
Nacht].
Das Frühstück am Morgen ist überraschend üppig und gut, allerdings ist der
Schaffner überfordert, sodass einige Reisende erst in Hamburg-Harburg
bedient werden. Wir nicht. Wir kommen mit einer knappen Stunde Verspätung
gegen 9.45 Uhr in Hamburg an und sind irgendwo dazwischen: nicht
ausgeschlafen, aber auch nicht komplett im Eimer. Toll ist, dass es vom
Bahnhof in die eigenen vier Wände geht. Nach einer solchen Nacht im Zug
weiterreisen zu müssen, wäre anstrengend.
Gekostet hat das Abteil bei einer Buchung knapp sechs Monate vor
Reiseantritt übrigens 220 Euro für zwei Erwachsene und ein neunjähriges
Kind. Wobei noch die Kosten für die Fahrt dazukommen. In unserem Fall
hatten alle Reisenden ein Interrail-Ticket, welches sich bei der Buchung
angeben lässt. Der Gesamtpreis für Abteil und Fahrt lag damit bei 349 Euro
für drei Leute.
Zum Vergleich: Ohne Interrail-Ticket und bei kurzfristiger Buchung (neun
Tage vorher, außerhalb der Ferien) würden Fahrt und Deluxe-Abteil bei
insgesamt 433 Euro liegen, Plätze im privat genutzten Liegewagen bei 347
Euro. Der Zug fährt täglich und heißt Nightjet.
Werden wir es wieder tun? Ziemlich sicher: ja. Allein um rauszufinden,
welche Ideen es in anderen Nachtzügen gibt, den Reisenden Schlaf und
Körperhygiene zu ermöglichen.
22 Nov 2023
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## AUTOREN
Klaus Irler
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