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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Der süße Weg zu sich selbst
> Ein aufsteigender Patissier, ein absteigender Unternehmer und ein Trip zu
> Fuß in die Normandie, das alles gibt es zur 23. Französischen Filmwoche.
Bild: Wer ist hier eigentlich wer? Fanny Ardant und John Malkovich in „Monsie…
In Zeiten wie diesen, wo nur noch von Töten, Abschlachten, Vergewaltigen,
Bombardieren die Rede ist, von Rassismus und Antisemitismus, die sich
schneller ausbreiten, als man sich die Decke über den Kopf ziehen kann, tut
es gut, dass die neue Ausgabe der Französischen Filmwoche, die vom 23. bis
zum 29. November in verschiedenen Berliner Kinos läuft, so einiges im
Angebot hat, das man ganz ohne Triggerwarnung zeigen kann und wo man sich
keine Gedanken über seine mentale Gesundheit machen muss.
Gut, bei „Sterne zum Dessert“ von Sébastien Tulard muss der aufstrebende
Süßspeisen-Zubereiter Yazid ein paar der Demütigungen über sich ergehen
lassen, die in der gehobenen Gastronomie wohl ganz normal sind. Aber der
Weg nach ganz oben ist nun mal oft hart, auch in der
Nachtischzubereiter-Szene.
Ein komödiantisches Drama über den Aufstieg eines Patissiers kann es so
wohl nur aus Frankreich geben. Ob man damit in Berlin, wo den meisten nach
dem Hauptgang auch ein Wackelpudding für 39 Cent reicht, ein geneigtes
Publikum findet, ist da wieder eine ganz andere Frage.
## Die richtige Portion Kitsch
Kaum zu toppen in der Disziplin Harmlosigkeit ist wohl der Film „Monsieur
Blake zu Diensten“ von Gilles Legardinier. Mit Fanny Ardant und John
Malkovich stehen dem Regisseur gleich zwei meisterliche Charakterdarsteller
zur Verfügung. Doch die irre seichte Geschichte, die hier erzählt wird,
vermögen auch diese nicht auf ein höheres Niveau zu heben.
Malkovich spielt den Butler Andrew Blake, der – wie soll man das denn
anders nennen? – ein Niedrigstapler ist. Er landet auf dem einsamen
Landhaus der Witwe Nathalie Beauvillier, schenkt der den Tee ein und bügelt
ihre Zeitungen, ist aber in Wahrheit, und jetzt kommt’s: ein erfolgreicher
Londoner Unternehmer, der nach dem Tod seiner Frau in einer Lebenskrise
steckt.
Der falsche Butler hat in seinem neuen Job eigentlich nicht viel zu tun und
deswegen umso mehr Zeit, um sich um sein neues direktes Umfeld zu kümmern.
Etwa darum, die ewig schlecht gelaunte Haushältern und deren dicke Katze
aufzumuntern. Überhaupt ist er wie ein Engel in Menschengestalt, der die
ganzen zerbrochenen Seelen der Menschen, die ihm begegnen, wieder
zusammenflickt.
Der Humor und die komödiantischen Szenen in diesem Film sind so hölzern,
dass man es kaum aushält. Dazu kommt noch eine gehörige Portion Kitsch und
es weihnachtet sogar irgendwann und man denkt sich in Bezug auf den Beginn
dieses Textes: das ist genau der richtige Film, um den ganzen Scheiß im
wirklichen Leben um einen herum zu vergessen.
Eindeutig mehr Drama, dafür aber auch hier beruhigenderweise garantiert
keinen Mord und Totschlag, bietet „Auf dem Weg“ von Denis Imbert. Hier
macht sich der Schriftsteller Pierre nach einem schweren Unfall auf, um
1.300 Kilometer lang einmal ganz Frankreich zu durchwandern. Von der
Provence geht es bis hoch in den Norden in die Normandie.
Der Trip ist sein Weg, um sich nach dem traumatischen Unfall selbst neu zu
finden. Seine Reise führt ihn durch berauschende Landschaften, er macht
Zufallsbegegnungen und trifft endlich wieder Verwandte, die ihm eigentlich
nah sind, die er aber aus den Augen verloren hatte.
Wer bin ich? Wer war ich? Wer werde ich sein? Das sind so die Fragen, die
es für ihn zu beantworten gilt in einem Frankreich, das man so ursprünglich
und berückend schön lange nicht mehr auf der Leinwand gesehen hat.
22 Nov 2023
## AUTOREN
Andreas Hartmann
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