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# taz.de -- Die Weihnachtsmarkt-Saison ist eröffnet: Außer Zauber gibt es all…
> Der wohl früheste Weihnachtsmarkt aller Zeiten bringt viel Rummel und
> kaum Besinnliches nach Lichtenberg. Ein ernüchternder Rundgang.
Bild: Enormer Hang zur Geschmacklosigkeit: der „Winterzauber“-Weihnachtsmar…
Berlin taz | Eigentlich beginnt die Saison für die Berliner
Weihnachtsmärkte erst Ende November. Aber wer sich schon jetzt ordentlich
in eine ausgelassene Stimmung bringen möchte, kann das seit dem Wochenende
in Lichtenberg tun: Beim [1][„Winterzauber“ an der Landsberger Allee], der
sich selbst als der am frühesten geöffnete Weihnachtsmarkt Deutschlands
bewirbt – und als der größte der ganzen Stadt.
Der „Winterzauber“ hieß früher einmal „Wintertraum“ und fand da noch …
Alexa in Mitte statt, aber Namen bedeuten im Zusammenhang mit diesem Event
ohnehin nicht viel. Denn so wenig wie der alte Markt etwas mit einem Traum
gemein hatte, lässt sich beim neuen auch nur ein Hauch von Zauber erkennen.
Und von Winter, wo man doch mit etwas innerer Stärke immer noch draußen im
T-Shirt herumrennen kann, gleich gar nicht. Die drei Schneemänner, die
einen am Eingang auf einem Plakat mit den Worten „Schön, dass du da bist!“
begrüßen, schaut man sich aber ganz genau an. Weiß man doch, dass es dank
Klimawandel wahrscheinlich die einzigen Berliner Schneemänner bleiben
werden, die man in dieser Saison zu Gesicht bekommen wird.
Es ist gut und richtig, dass der „Winterzauber“ als erster und größter
seiner Art sozusagen die Mutter aller Berliner Weihnachtsmärkte ist. Von
denen gibt es jede Menge, die Stadt ist geradezu verrückt nach
Weihnachtsmärkten. Und die meisten von ihnen zeichnen sich durch einen
enormen Hang zur Geschmacklosigkeit aus. Sie versuchen gar nicht mehr, so
zu tun, als ginge es bei ihnen um etwas anderes als um Shoppen, Fressen,
Saufen.
## Nur ein Simulacrum
Der „Winterzauber“ toppt auch in dieser Hinsicht klar die gesamte
[2][Konkurrenz]. Er ist wirklich nur noch das Simulacrum eines
Weihnachtsmarkts, in Wahrheit aber ein fast gar nicht mehr getarnter
Rummel. Auf dem weitläufigen Gelände gibt es alles, was es auch auf einem
Jahrmarkt gibt: eine Geisterbahn, ein Riesenrad, Fahrgeschäfte und
Schokofrüchte. Nur eben dazwischen auch jede Menge Weihnachtsmannfiguren
und Glühweinstände – um den Schein zu wahren. Und auf einer Werbeanzeige
wird einem „Frohe Weihnacht“ gewünscht, damit man nicht komplett vergisst,
wo man sich befindet.
Bei der Namenswahl „Winterzauber“ dann doch zu begrüßen ist die Tatsache,
dass das Wort Weihnachten gar nicht vorkommt. Wenn der Hubsi Aiwanger das
mitbekommen sollte, wird er zwar so sicher wie das Amen in der Kirche
tweeten, da würde man mal wieder sehen, dass im gottlosen Berlin wegen
dieser ganzen elendigen Political Correctness ein Weihnachtsmarkt nicht
mehr Weihnachtsmarkt heißen darf.
Aber immerhin wirkt der fehlende Bezug auf ein christliches Fest im Namen
tatsächlich integrativ, was besonders derzeit wirklich sehr zu begrüßen
ist. Es gibt ja gerade einen wahren Überbietungswettbewerb darin, alle
Nicht-Biodeutschen aus dem Land werfen zu wollen, die sich nicht von jetzt
auf gleich so benehmen, wie es Friedrich Merz und die Bild gern hätten.
## Malletaugliche Schlager
Und beim „Winterzauber“, das ist deutlich sichtbar bei den Besuchern,
passen sich auch Menschen muslimischen Glaubens gern typisch
christlich-deutschen Gepflogenheiten an. Hier muss niemand befürchten, dass
ein Kinderchor „Ihr Kinderlein kommet“ trällert oder sonstiges christlich
konnotiertes Brauchtum außer dem ollen Weihnachtsmann aufgefahren wird.
Ganz im Gegenteil plärren aus den Fahrgeschäften ausschließlich
malletaugliche Schlager, und an einem hört man tatsächlich den ewigen
Sommerhit „Vamos a la playa“. Als wolle man damit belegen, dass es hier
wirklich nur um Remmidemmi und Halligalli und ganz bestimmt nicht um
Weihnachten geht.
So sieht man dann auch wirklich viele Familien mit Kopftuch tragenden
Frauen, für die die Geburt Jesu wahrscheinlich nur eine untergeordnete
Bedeutung hat. Was auch den Vorteil hat, dass die dann wenigstens während
ihres Aufenthalts auf dem „Winterzauber“ nicht auf diesen „From the river
to the sea“-Demos herumrennen, die es nun ja gerade inflationär gibt. Aber
leider werden sich die ganzen Achtsamkeitslinken, die, wie man gerade mit
Erschrecken feststellt, gar nicht genug von diesen Demos bekommen können,
hier nicht in gleichem Maße gut aufgehoben fühlen.
Eine Losbude wird von Donald Duck und halb Entenhausen geschmückt, an einer
anderen sieht man Mickymaus. Und der Weihnachtsmann, der hier wie eine Art
Götzenfigur überall präsent ist, das ist doch dieser von der Coca Cola
Company erfundene Typ. Mehr von diesem verabscheuungswürdigen
Amerikanismus, von dem es dann nur noch ein sehr kurzer Weg zum Zionismus
ist, geht ja kaum. Und was noch schlimmer ist: Mehr alter weißer Mann als
der Weihnachtsmann ist ja auch kaum denkbar. Der „Winterzauber“ wird diese
Linken also leider nicht von diesen Demos fernhalten können.
Einen Moment lang denkt man, vielleicht sollte man doch mal seiner
Reporterpflicht nachgehen und ein paar Besucher befragen. Etwa danach, ob
bei ihnen bei all dem Lärm und Trubel so etwas wie [3][vorweihnachtliche
Stimmung oder gar Besinnlichkeit] aufkommt. Aber dann denkt man sich, dass
man das sich auch getrost selbst beantworten kann: sicherlich nicht. Einer
hat einen plüschigen Riesenpenis mit Augen auf der Eichel in der Hand.
Immerhin von dem möchte man wissen, wo er denn den herhat. Seine Frau hat
ihn wohl gewonnen. Na, dann herzlichen Glückwunsch!
„Winterzauber“: täglich bis zum 30. Dezember an der Landsberger Allee 300
in Lichtenberg.
5 Nov 2023
## LINKS
[1] https://www.berlin.de/weihnachtsmarkt/5741424-3496862-weihnachtsrummel-wint…
[2] /Licht-im-Berliner-Botanischen-Garten/!5901710
[3] /Energiesparen-bei-Weihnachtsbeleuchtung/!5900995
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
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