# taz.de -- Kinotipp der Woche: Superheldin jagt Hirnchirurg | |
> „Espectáculo a diario“ zeigt die spektakuläre Bandbreite des | |
> mexikanischen Films der 1940er bis 1970er. Ein echter Geheimtipp unter | |
> den Filmreihen. | |
Bild: „La mujer murciélago“ (Mexiko 1968), Regie: René Cardona | |
Auf einer Anhöhe im trockenen Norden Mexikos legt sich ein Mann mit seinem | |
Gewehr auf die Lauer. Es dauert nicht lange, bis drei Reiter am Horizont | |
auftauchen. Ein Vater mit seinen beiden Söhnen. Geduldig wartet der Mann | |
mit dem Gewehr bis die drei nahe genug herangekommen sind, dann feuert er | |
drei Schüsse auf den Vater ab. | |
Während der Totenwache sitzt die Witwe (Columba Domínguez) schweigend neben | |
dem Bett mit dem Leichnam. Aus dem Off denkt ihre Stimme „Töten oder | |
sterben, Du hast das nie verstanden.“. Eine Rückblende erzählt, wie sich | |
die Eltern bei einem Dorffest kennen gelernt haben. Dann kehrt der Film in | |
die Zeit nach den Schüssen zurück und zeigt, wie die Mutter die beiden | |
Söhne zu Werkzeugen ihrer eigenen Blutrache erzieht. | |
Ismael Rodríguez' „Los hermanos Del Hierro“ (Die Brüder Del Hierro) von | |
1961 eröffnet am Freitag im Berliner Kino Arsenal die Filmreihe | |
[1][„Espectáculo a diario – Mexikanisches Populärkino 1940–1970“]. Die | |
Reihe ist eine Auswahl aus der diesjährigen Retrospektive des Locarno Film | |
Festivals. Von den 36 Filmen, die Filmkritiker und Programmgestalter Olaf | |
Möller für Locarno ausgewählt hatte, laufen 13 nun in Berlin. | |
Ismael Rodríguez, einer der prägenden Regisseure der Goldenen Ära des | |
mexikanischen Films der 1940er und 1950er Jahre, verarbeitet das Motiv der | |
Blutrache in einem düsteren Western. Herangewachsen erfüllen die Brüder | |
Reynaldo (Antonio Aguilar) und Martin Del Hierro (Julio Alemán) den Zweck, | |
den ihnen ihre Mutter zugedacht hat, und töten den Mörder ihres Vaters. Der | |
Mord aber beraubt sie ihres eigenen Lebens und sie werden zu Geächteten. | |
Schon der Eröffnungsfilm macht deutlich, was für ein reicher filmischer | |
Kontinent das mexikanische Kino ist. 66 Filme hat Rodríguez zwischen 1943 | |
und 1993 realisieren können. Drehbuchautor Rosalío Solano hat im Laufe | |
seiner Karriere knapp 200 Drehbücher verfasst. Julio Alemán und Antonio | |
Aguilar, die Protagonisten des Eröffnungsfilms, haben jeweils an deutlich | |
über 100 Filmen mitgewirkt. | |
Die Reihe präsentiert die ganze – in sich schon spektakuläre – Bandbreite | |
des mexikanischen Kinos jener Jahre: Western, Komödien, Melodramen, | |
Monumentalmusicals und Lucha-libre-Superheldenfilme. Vor allem letztere | |
Form sollte das mexikanische Kino in den 1960er und 1970er Jahren | |
international bekannt machen. | |
Doch während die meisten Filme um männliche Figuren des mexikanischen | |
Wrestling kreisen, zeigt René Cardona seine Protagonistin Gloria (Maura | |
Monti) in „La mujer murciélago“ (The Batwoman) als wandlungsfähige | |
Superheldin und Superermittlerin. | |
Die extravagante Millionärin eilt mit Cape und Maske der Polizei in | |
Acapulco zur Hilfe und hilft ihr aus der Patsche, in die sie ein verrückter | |
superböser ehemaliger Hirnchirurg gebracht hat, der versucht aus Wrestlern | |
einen perfekten Fischmenschen zu erzeugen. | |
Im wahren Leben hatte die in Italien geborene Monti vom Luxusleben bald | |
genug, ging nach Chiapas und schloss sich den Zapatisten als | |
Dorfschullehrerin an. | |
13 Jahre, nachdem das Arsenal mexikanischen Melodramen eine Filmreihe | |
gewidmet hat, ist das Kino des mittelamerikanischen Landes noch immer einer | |
der bekanntesten Geheimtipps unter Kinobegeisterten. „Espectáculo a diario | |
– Mexikanisches Populärkino 1940–1970“ zeugt einmal mehr davon, was für… | |
Füllhorn das mexikanische Kino ist. Die Reihe ist eine der spektakulärsten | |
des Jahres. | |
29 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.arsenal-berlin.de/kino/filmreihe/espectaculo-a-diario-mexikanis… | |
## AUTOREN | |
Fabian Tietke | |
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