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# taz.de -- Nahost-Konflikt in Tunesien: Deutsche Botschaft unbeliebt
> Westliche Diplomaten müssen aufpassen, was sie zur Lage in Nahost sagen.
> Die deutsche Botschaft in Tunesien kämpft mit einem Sturm der Entrüstung.
Bild: Kundgebung vor der tunesischen US-Botschaft aus Solidarität mit dem pal�…
Tunis taz | Den zweiten Tag in Folge forderten Demonstranten am Montag in
der tunesischen Hauptstadt die Ausweisung des deutschen Botschafters Peter
Prügel. Rund 150 Menschen waren teils in Palästinaflaggen gehüllt zu seinem
Amtssitz in Tunis gezogen und warfen ihm die Kriminalisierung des
Widerstandsrechts der Palästinenser in Gaza vor.
An den beiden vergangenen Wochenenden protestierten Tausende Menschen vor
den diplomatischen Vertretungen der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich und
der US-Botschaft wegen der [1][israelischen Angriffe auf Gaza]
Und nicht nur in Tunesien gibt es Aufruhr wegen der Lage in Nahost. In der
vergangenen Woche hatte der sogenannte libysche Staatsrat die Ausweisung
von Botschaftern aus Ländern gefordert, die Israel bedingungslos
unterstützen. Öl- und Gaslieferungen sollten in diese Länder eingestellt
werden, forderte das in Tripolis tagende Gremium, das allerdings nur
beratende Funktion hat. Folgenschwerer dürfte das Votum des libyschen
Paraments sein, das israelfreundliche Botschafter ebenfalls aufforderte zu
gehen.
Die Lage für die Botschaften ist derzeit nicht leicht. Das zeigt auch das
Beispiel von Peter Prügel. Es geht um die Eröffnungsfeier einer Schule im
Hauptstadtviertel Ben Arous, deren Modernisierung mit deutschen Geldern
bezahlt wurde. Eigentlich ein Routinetermin am vergangenen Donnerstag für
den Botschafter. Mit dem tunesischen Bildungsminister Mohammed Ali
Boughdiri hatte die Botschaft verabredet, nur über die Kooperation zu
sprechen, die 180.000 Schülern Zugang zu neuen Lernmethoden bieten soll.
## Klarstellung auf Facebook
Doch nachdem Boughdiri am Ende seiner Rede doch noch die Solidarität mit
Gaza gelobt hatte, versuchte Prügel die deutsche Position zu vermitteln.
Seine Worte gingen in einem kurzen Tumult unter. Einem anwesenden Vertreter
der EU gelang es, die Menge zu beruhigen. Tunesische Medien warfen dem
deutschen Botschafter Stunden später vor, den Mord an Zivilisten in Gaza zu
unterstützen.
Auf ihrer Facebookseite versuchte die deutsche Botschaft die Ereignisse
klarzustellen: „In seiner Antwort an die Rede des Bildungsministers stellte
der Botschafter klar, dass er die Opfer des Krieges in Gaza bedauert,
Palästinenser, Israelis und Ausländer.“ Man könne aber nicht bestreiten,
dass die gegenwärtige Eskalation eine Folge der bestialischen Terrorattacke
der Hamas am 7. Oktober gegen Israel sei.
Den Sturm der Entrüstung in tunesischen sozialen Medien konnte auch das
Versprechen der Bundesregierung, mehr als 50 Millionen Euro für Humanitäres
nach Gaza zu liefern, nicht dämpfen.
„Uns wird seit Jahrzehnten [2][besonders in Schulen vermittelt, für
Palästina zu kämpfen]“, sagt Fatma Kasmi, eine Schülerin aus Ben Arous.
„Die Kernbotschaft ist, dass irgendwann ein freies Palästina
wiederauferstehen werde“, sagt sie. „Palästina schafft in der gesamten
arabischen Welt eine Identität, in Tunesien ist das Staatsräson.“
Auf sozialen Medien wird derzeit unter dem Hashtag #freepalestine Stimmung
gegen Deutschland gemacht. Die Regierung und das Parlament haben sich
bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert, daher geben sich deutsche
Diplomaten bisher vorsichtig gelassen.
## Ein Gesetzentwurf gegen Israelis
Für deutsche Stiftungen und andere in Tunesien tätige Organisationen könnte
die Arbeit in Tunesien aus einem anderen Grund schwieriger werden: Dem im
Januar gewählten Parlament liegt ein Gesetzentwurf vor, der jegliche
[3][Beziehung zu Israel und seinen Staatsbürgern verbietet]. Viele der in
Tunesien aktiven Parteistiftungen betreiben auch in Jerusalem Büros und
haben mehrheitlich nach dem Angriff der Hamas ihre Solidarität mit Israel
erklärt.
Laut diesem Gesetz gelten alle als kriminell, die Verträge mit israelischen
Partnern schließen. Auch die Teilnahme an einer Veranstaltung mit
israelischen Staatsbürgern könnte mit 2 bis 5 Jahren Gefängnis und einem
Bußgeld von bis zu 3.300 Euro bestraft werden. Ebenso wäre demnach die Rede
des Botschafters an der Schule in Ben Arous wohl eine Straftat. Laut
Entwurf ist die Anerkennung Israels als Staat illegal.
Aus diplomatischen Kreisen heißt es, das Parlament könnte das Gesetz in der
kommenden Woche verabschieden. Bisher steht aber kein Termin.
Hinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, die Deutsche
Botschaft in Tunis habe davon gesprochen, dass die Bundesregierung 15
Millionen Euro an humanitärer Hilfe für Gaza leiste. Das stimmt nicht, es
handelt sich um 50 Millionen Euro. Wir haben die Stelle korrigiert.
31 Oct 2023
## LINKS
[1] /Israel-nach-Hamas-Anschlag/!5965231
[2] /Diskussion-um-Nahostkonflikt-in-Tunesien/!5773571
[3] /Juedisches-Leben-in-Tunesien/!5965448
## AUTOREN
Mirco Keilberth
## TAGS
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