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# taz.de -- Die EU und der Nahost-Konflikt: Ein tiefer Riss bis zur Spitze
> Die EU ringt vor dem Gipfel am Donnerstag um eine einheitliche Position
> zum Nahen Osten. Viele Vorwürfe zielen auch auf Außenministerin Baerbock.
Bild: Sie zieht viel Unmut auf sich: Außenministerin Annalena Baerbock, 13.10.…
BRÜSSEL taz | Vor zwanzig Jahren, unter dem ersten Außenbeauftragten Javier
Solana, hat die Europäische Union noch zwischen Israel und den
Palästinensern vermittelt. Nun braucht sie selbst Vermittlung: Vor dem
EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel ringen EU-Diplomaten über
hochumstrittene Formulierungen zu Israel und dem humanitären Elend in Gaza.
Deutschland und einige andere EU-Staaten wollen [1][das
Selbstverteidigungsrecht Israels] herausstellen. Spanien und die Mehrheit
der Mitgliedsländer fordern dagegen eine humanitäre Waffenpause und die
Wiederaufnahme von Verhandlungen über eine Zweistaatenlösung. Zwischen
beiden Positionen hatte sich in den vergangenen Tagen ein Graben aufgetan;
der Gipfel soll ihn nun überbrücken.
In seiner Einladung für das zweitägige Treffen betont EU-Ratspräsident
Charles Michel das Recht Israels zur Selbstverteidigung; von einer
Waffenruhe ist keine Rede. In Brüssel kursieren aber auch
Beschlussentwürfe, in denen Feuerpausen für Hilfslieferungen gefordert
werden. Diese könnten kurz sein und es Israel erlauben, den Krieg gegen die
Hamas-Terroristen in Gaza weiterzuführen.
Ob sich die 27 EU-Staaten am Ende auf einen Kompromiss einigen können, der
beiden Seiten gerecht wird, ist unklar. Man sei zuversichtlich, eine „gute,
geeinte Position“ zu finden, hieß es am Mittwoch in Berliner
Regierungskreisen. Doch selbst wenn der Streit ausgeräumt werden sollte,
bleibt nach zwei Wochen Dauerstreit ein diplomatischer Scherbenhaufen.
## Es geht um weltweite Glaubwürdigkeit
Selten hat die EU ihre Meinungsverschiedenheiten so offen ausgetragen, noch
nie sind die Positionen so hart aufeinandergeprallt. Der Riss ging bis in
die Brüsseler Spitze: [2][Ratspräsident Michel stellte sich gegen
Kommissionschefin Ursula von der Leyen], der Außenbeauftragte Josep Borrell
stritt mit Außenministerin Annalena Baerbock.
Dabei geht es nur vordergründig um Solidarität mit Israel – die niemand
infrage stellt – oder humanitäre Hilfe für Palästina, zu der sich nach
langem Zögern und einem eigens einberufenen Sondergipfel in der vergangenen
Woche auch von der Leyen bekennt. Es geht um die Frage, ob die EU in der
Nahostpolitik eine eigenständige und aktive Rolle einnimmt – und um ihre
Glaubwürdigkeit weltweit.
Genau diese Glaubwürdigkeit sahen viele EU-Politiker und Diplomaten
erschüttert, nachdem sich von der Leyen vorbehaltlos hinter Israel gestellt
hatte. Ihre Worte wurden als Blankoscheck für die israelischen
Bombardements in Gaza und als Affront gegen [3][den Globalen Süden]
interpretiert.
Es sei schwer zu vermitteln, dass die EU die russischen Bombardements und
Blockaden in der Ukraine regelmäßig verurteilt, die israelischen
Militäraktionen und die „totale Blockade“ in Gaza jedoch nicht einmal
erwähnt, sagte ein Diplomat.
## Eine gesalzene Rechnung
Neben von der Leyen zieht auch Außenministerin Annalena Baerbock viel Unmut
auf sich. Denn sie hat sich gegen eine „humanitäre Waffenpause“
ausgesprochen, wie sie sogar die UN fordern. Zudem soll sie eine gemeinsame
Erklärung beim Friedensgipfel in Kairo verhindert haben.
Bitteres Fazit von Jean Asselborn, dem dienstältesten Außenminister der EU:
„Wir sind kein Player, sondern nur noch Payer“, so der Luxemburger beim
letzten – ergebnislosen – Treffen mit Baerbock. Europa habe keinen Einfluss
mehr auf die Nahostpolitik, müsse aber für den Schaden zahlen. Eine
gesalzene Rechnung.
25 Oct 2023
## LINKS
[1] /Israels-Dilemma/!5963480
[2] /Zickzack-Kurs-der-EU-in-der-Nahostfrage/!5963981
[3] /Hamas-Anschlaege-auf-Israel/!5962557
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Europäische Union
Israel
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Ursula von der Leyen
Annalena Baerbock
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Palästinenser
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