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# taz.de -- Russisch in der Ukraine: Wenn Sprache zum Streitfall wird
> Eine Linguistin provoziert mit Äußerungen zu ukrainischen Soldaten, die
> Russisch sprechen. Ein Streit über ein russisches Lied endete in einer
> Prügelei.
Bild: Sprache und Gewalt: Die Linguistin Iryna Farion
Kyjiw taz | Das hatte Iryna Farion, streitbare Linguistin und Dozentin an
der Fakultät für ukrainische Sprache und angewandte Linguistik am
Politechnikum von Lwiw und ehemalige Abgeordnete der rechtsradikalen Partei
Swoboda, nicht erwartet. Nachdem sie im Fernsehen gesagt hatte, Russisch
sprechende Soldaten seien für sie keine Ukrainer, hagelte es Kritik.
Als Erster ging der Menschenrechtsbeauftragte Dmytro Ljubinetz an die
Öffentlichkeit. Er habe die Linguistin bei der Polizei, beim
Inlandsgeheimdienst SBU, dem Nationalen Rundfunk- und Fernsehrat angezeigt.
Mit ihrer Äußerung, so Ljubinetz auf seinem Telegram-Kanal, habe Farion das
Gesetz, das die Gleichheit der Bürger garantiert, verletzt.
„Diskriminierung und Diffamierung von Personen in der Ukraine sind
verboten“, schrieb er.
## Vorwurf: Spaltung der Gesellschaft
Auch Egor Tschernew, stellvertretender Vorsitzender des
Parlamentsausschusses zu nationaler Sicherheit und Verteidigung, stellt
sich gegen Farion. „Meiner Meinung nach arbeitet diese Person seit Langem
gezielt und systematisch daran, die Gesellschaft zu spalten und Feindschaft
unter den Ukrainern zu schüren. Solche Aktivitäten sind mir vor dem
Hintergrund der sowjetischen Vergangenheit von Iryna Farion besonders
verdächtig“, so Tschernew, der auf die frühere Mitgliedschaft Farions in
der Kommunistischen Partei anspielt.
Der Stabschef der Asow-Brigade, Bohdan „Tavr“ Krotewytsch, warf ihr vor,
[1][der russischen Propaganda in die Hände zu spielen]. Und das staatliche
Portal suspilne berichtet, im Politechnikum von Lwiw seien bereits
Flugblätter aufgetaucht, in denen die Entlassung der streitbaren Dozentin
gefordert werde.
Auch Dmytro Jarosch, ehemaliger Chef der rechtsextremen Partei Rechter
Sektor, wendet sich gegen die rechtsradikale Linguistin. „Kein Zivilist hat
das Recht, diejenigen zu kritisieren, die an der Front die Ukraine
verteidigen“, zitiert ihn das Portal gordonua.com. Auch für Profiboxer
Olexandr Ussyk ist die Sache klar. „Sie sind ein Agent des Kremls“, wandte
er sich öffentlich an Iryna Farion.
## Schlägerei zwischen Geheimdienstlern und Soldaten
Unterdessen wurde am Dienstag ein Vorfall bekannt, der sich bereits letzten
Freitag im westukrainischen Winnyzja ereignet hatte. Zwei Gesellschaften
hatten dort in einem Restaurant gefeiert. In einem Raum Soldaten, im
Nebenraum Geheimdienstler. Um 10 Uhr abends wurde im Saal der Soldaten die
Musik abgeschaltet. Und nun war die Musik aus dem VIP-Saal der
Geheimdienstler deutlich zu hören. Es war [2][die Gefängnisballade
„Wladimirski Zentral“] des 2002 in Russland ermordeten russischen
Liedermachers Michail Krug.
In dem auch in der Ukraine bekannten Lied wird russisches Verbrechertum und
Gewalt verherrlicht. Zunächst hätten die Soldaten die Geheimdienstler
gebeten, das Lied auszuschalten, berichtet der ukrainische TV-Sender TSN
auf seinem Portal. „Wir waren zum Geburtstag eines Militärs, der an der
Front diente, eingeladen“, berichtet eine Zeugin TSN. „Wir wollten gehen,
doch dann hörten wir, Wladimirski Zentral' aus dem Nachbarsaal. Ich habe
die Kellnerinnen gefragt, warum niemand etwas dagegen unternimmt.“ Aber die
hätten nur gelacht. Sogar die herbeigerufene Polizei hätte gleichgültig
reagiert.
Und wenig später habe dann die Rauferei begonnen. Inzwischen geht [3][das
Video, das zeigt, wie sich eine Kellnerin über das Lied beschwert], und die
anschließende Schlägerei, im ukrainischen Netz viral. Dass ukrainische
Geheimdienstler mitten im Krieg gegen Russland diese Musik hören, sorgt in
der Ukraine für Unverständnis. Vier bei der Schlägerei verletzte Männer
wurden ins örtliche Krankenhaus eingeliefert. Die Polizei hat Ermittlungen
wegen „Rowdytums“ eingeleitet.
8 Nov 2023
## LINKS
[1] /Russischer-Journalist-Mikhail-Zygar/!5964058
[2] /Russland-bei-der-Handball-WM/!5738232
[3] https://youtu.be/NwpK_xrq3y4
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Sprache
Linguistik
Russland
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