# taz.de -- Hamburg verkauft Hafenfirma: Angst vor dem großen Investor | |
> Hamburg diskutiert über den Einstieg der größten Containerreederei beim | |
> städtischen Hafenbetreiber HHLA. Misstrauen vor allem bei den | |
> Beschäftigten. | |
Bild: Lehnen den Einstieg der Reederei MSC ab: demonstrierende HHLA-Mitarbeiter | |
Die Hamburgische Bürgerschaft prüft, ob es eine gute Idee ist, die | |
milliardenschwere Reederei MSC bei ihrer Hafenfirma HHLA einsteigen zu | |
lassen. In einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses wurden Bedenken laut, | |
die Stadt könnte von dem neuen Partner dominiert und über den Tisch gezogen | |
werden. Der Konzernbetriebsrat sieht die betriebliche Mitbestimmung | |
gefährdet. | |
Am 13. September [1][hatte der rot-grüne Senat überraschend verkündet, die | |
börsennotierte Hamburger Hafen- und Lagerhaus-AG (HHLA) künftig mit MSC als | |
einzigem Partner betreiben zu wollen]. Die Stadt will ihren Anteil von | |
knapp 70 auf 50,1 Prozent reduzieren, MSC ihren Anteil damit und mit den | |
Aktien aus dem Streubesitz aufstocken. Stand Dienstagabend hatte MSC knapp | |
sieben Prozent aus dem Streubesitz gekauft. Eine Sperrminorität eines | |
Dritten ist damit unmöglich geworden. | |
„Die strategische Partnerschaft mit einer der führenden Reedereien ist ein | |
Meilenstein in der Entwicklung unseres Hafens“, sagte Bürgermeister Peter | |
Tschentscher (SPD), als er das Vorhaben Mitte September vorstellte. Um mit | |
den konkurrierenden Häfen mithalten zu können, seien Investitionen nötig, | |
die die Stadt nicht allein stemmen könne. Bisher sind Private in Hamburg | |
nur an einzelnen Umschlagterminals beteiligt. Jetzt geht es um den | |
Terminalbetreiber selbst, der mehr als drei Viertel aller Container in | |
Deutschlands wichtigstem Hafen umschlägt. | |
Verhandelt hatte der Senat auch mit der Reederei Hapag Lloyd, an der die | |
Stadt beteiligt ist, sowie mit dem Logistik-Milliardär Klaus-Michael Kühne, | |
der sich in Hamburg stark engagiert. Beide hätten sich jedoch nicht auf die | |
Bedingungen des Senats eingelassen, hieß es: Die Stadt soll die Mehrheit | |
behalten und die betriebliche Mitbestimmung nicht angetastet werden. „Für | |
uns waren Mehrheit und Mitbestimmung nie verhandelbar“, bekräftigte | |
Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) im Wirtschaftsausschuss. | |
Eben [2][Letzteres fällt der Arbeitnehmerseite schwer zu glauben]. Künftige | |
Eigentümerin soll die Port of Hamburg Beteiligungsgesellschaft (POH) sein, | |
die zu 50,1 Prozent der Stadt und zu 49,9 Prozent der MSC-Tochter SAS | |
gehören soll. Das operative Geschäft werde auch in Zukunft von der HHLA | |
geführt, versicherte Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) im | |
Ausschuss. Im HHLA-Aufsichtsrat, der zur Hälfte mit Arbeitnehmervertretern | |
besetzt ist, werden „alle relevanten Entscheidungen getroffen“. | |
## Betriebsrat hat Bedenken | |
Der Konzernbetriebsrat der HHLA hingegen befürchtet, dass die POH die | |
strategischen Entscheidungen treffen werde und „damit keine bloße | |
Finanzholding wäre“. Hierfür spricht, dass [3][laut dem Angebot | |
„wesentliche Änderungen der Geschäftsstrategie], wesentliche Änderungen der | |
Budgets, Business- und Investitionspläne, Erwerb oder Veräußerung von | |
wesentlichen Beteiligungen oder Betriebsteilen, Satzungsänderungen der | |
HHLA“ nur mit Zustimmung der Stadt und von MSC getroffen werden. | |
„Die HHLA verliert damit jede Eigenständigkeit“, warnte der | |
Betriebsratsvorsitzende Christian Baranowski auf einer Pressekonferenz. | |
Besonders problematisch aus Sicht des Betriebsrates wäre ein Beherrschungs- | |
und Gewinnabführungsvertrag mit der POH. Ein solcher ist bis 2026 | |
ausgeschlossen. | |
Die Gewerkschaft Ver.di begrüßte in einer Stellungnahme, dass in die | |
Zusammenschlussvereinbarung zwischen der HHLA, MSC und der Stadt wichtige | |
kritische Themen aufgenommen worden seien: Es dürfe keine betriebsbedingten | |
Kündigungen aufgrund der Übernahme geben; Betriebsvereinbarungen und | |
Tarifverträge dürften ebenso wenig wie Zusagen zur Altersvorsorge geändert | |
und Tätigkeiten nicht ausgelagert werden. | |
Das alles müsse noch tarifvertraglich abgesichert werden, verlangte Ver.di. | |
Insbesondere sei die Mitbestimmung durch den Aufsichtsrat nicht ausreichend | |
geregelt. Im Übrigen lehne die Gewerkschaft „den Verkauf von HHLA-Anteilen | |
und damit den Verkauf öffentlichen Eigentums am private Investoren | |
grundsätzlich ab“. | |
## Linke kritisiert Entscheidung | |
Der Linken-Abgeordnete Norbert Hackbusch erinnerte die SPD-Fraktion daran, | |
dass das angesichts des HHLA-Teilverkaufs durch den CDU-Senat 2007 auch | |
ihre Position gewesen sei. „Das ist ja Ihre Tradition“, sagte er. Damals | |
habe die HHLA ja auch noch zu 100 Prozent der Stadt gehört, antwortete die | |
Wirtschaftssenatorin. [4][Der Markt habe sich durch die | |
Konzentrationsprozesse stark verändert]. Die Börsennotierung mit | |
Streubesitz sei aus heutiger Sicht nicht mehr optimal. „Wir haben eine | |
Entscheidung getroffen, von der wir glauben, dass sie der Stadt mehr | |
Kontrolle bringt“, sagte Leonhard. MSC werde 225 Millionen Euro an frischem | |
Eigenkapital einbringen. Das sei angesichts der Lage am Kapitalmarkt ein | |
„relevantes Commitment“. | |
Der CDU-Abgeordnete Götz Wiese äußerte die Sorge, dass gerade die enorme | |
Finanzkraft von MSC die Stadt überfordern könnte. Wie wolle die Stadt bei | |
künftigen Kapitalerhöhungen mithalten? „Die 50,1 Prozent sind gesetzt“, | |
antwortete Finanzsenator Dressel. | |
8 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Hamburg-will-Reederei-MSC-beteiligen/!5956838 | |
[2] /Widerstand-gegen-Hafenprivatisierung/!5958108 | |
[3] https://hhla.de/beteiligung-msc | |
[4] /Zusammenarbeit-von-HHLA-und-Eurogate/!5686578 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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