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# taz.de -- Berufswahl Gen Z: Von Idealen kann man nichts kaufen
> Für die Generation Z ist Geld laut einer Umfrage der wichtigste Faktor
> bei der Berufswahl. Das ist gut für jene, die keine reichen Eltern haben.
Bild: Leider wurde es doch nichts mit der großen Fußballerkarriere
Als ich endgültig begriffen hatte, dass das mit der großen
Fußballerkarriere leider doch nichts wird – das war mit 11 oder 12 nach
einem demütigenden Einsatz für die Schulauswahl, bei dem mich ein
athletischer Gegenspieler mit langen Haaren, wie sie damals auch Beckham
trug, mehr als einmal vernascht hatte –, da musste ich mir eine neue
Antwort auf diese blöde Frage überlegen: „Und was willst du später mal
werden?“
„Keine Ahnung“, lautete die trotzige Antwort in den Jahren, die so ein
Trauerprozess halt braucht, wenn ein Mensch einen Verlust verarbeiten muss.
Danach entschied ich mich pragmatisch, das zu studieren, was mich in der
Schule am wenigsten abgefuckt hatte: Politikwissenschaft. Deshalb gibt es
heute Tage, an denen ich Nachrichten lese und mich nichts mehr abfuckt als:
Politik.
Mit dieser [1][Studienwahl kamen bestimmte Bücher, mit den Büchern die
Kritik] und mit der Kritik kamen Ideale. Das Problem ist, dass man sich von
Idealen nichts kaufen kann, was besonders blöd ist, wenn man nicht zufällig
Eltern hat, die diesen Idealismus finanzieren.
Dafür können Ideale einen ziemlich fertig machen, wenn sie ständig von der
Realität gedemütigt werden, eben wie ich damals von diesem deutschen
Beckham, der mich sogar einmal tunnelte, bevor er alleine vor dem Tor stand
und vollstreckte.
## Die Welt retten kann man auch in der Freizeit
So habe ich zur Abwechslung erleichtert aufgeatmet, als ich mich Anfang der
Woche wieder mal lethargisch bis masochistisch durch
Katastrophenmeldungen klickte und doch eine positive Nachricht
entdeckte: Für junge Menschen aus der Generation Z ist die Bezahlung bei
der Berufs- und Ausbildungswahl am wichtigsten.
81 Prozent der Befragten im Alter von 15 bis 25 Jahren haben das angegeben,
laut einer [2][Umfrage der Wirtschaftsjunioren Deutschland (WJD)], einem
Verband junger Unternehmer:innen und Führungskräfte unter dem Dach der
Industrie- und Handelskammer. An zweiter Stelle steht eine gute
Work-Life-Balance, die 74 Prozent für sehr wichtig oder wichtig erachten.
Die gesellschaftliche Sinnhaftigkeit des Berufs ist nur für rund die Hälfte
der Befragten wichtig, ebenso ein positives Image des Berufs.
Diese Zahlen böten nun weiteren Stoff für den in themenarmen Zeiten
[3][gern ausgefochtenen Generationenkrieg], weshalb ich mich über diese
Meldung zu früh gefreut hätte, würde die Welt nicht gerade untergehen und
Zeitungsredaktionen so mit ausreichend Themen gefüttert werden.
Denn wenn ältere Menschen jüngeren Menschen wieder einmal vorwerfen, sie
würden Arbeitsmoral missen lassen; und jüngere Menschen den älteren
Menschen dann entgegnen, dass es armselig sei, sich alleine über seinen
Beruf zu definieren, dann hat das etwa den gesellschaftlichen Mehrwert
eines mittelgroßen Streits in einer Reality-TV-Datingshow. Die Beteiligten
fragen meistens nicht nach Reichtümern, die über Generationen hinweg
ungleich verteilt sind, sondern hängen sich an Geburtsjahren auf.
Auch die vorliegende Umfrage differenziert ihre Ergebnisse leider nicht
nach sozialer Herkunft der Befragten. Dennoch darf man den jungen Menschen
für ihr gesundes Verhältnis zur Lohnarbeit gratulieren. Die ist schließlich
dafür da, um Miete und Rechnungen bezahlen zu können – gerade für Menschen,
die keine Idealismusfinanzierung haben. Die Welt retten oder sich tunneln
lassen kann man ja auch in der Freizeit.
8 Nov 2023
## LINKS
[1] /Bildung-und-Klasse/!5953463
[2] https://wjd.de/pressemitteilungen/umfrage-der-jungen-wirtschaft-was-die-gen…
[3] /Quiet-Quitting-Debatte/!5919086
## AUTOREN
Volkan Ağar
## TAGS
Kolumne Postprolet
Schwerpunkt Armut
Klasse
Aktivismus
soziale Ungleichheit
Berufswahl
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Migration
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