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# taz.de -- Fridays for Future im Ausnahmezustand: Klimabewegung zerrissen
> Die Nahostdebatte heizt bestehende Konflikte um Antisemitismus und
> Rassismus bei Fridays for Future an. Hat die Bewegung so eine Zukunft?
Bild: Luisa Neubauer im September bei einer Protestaktion von Fridays for Futur…
Unzählige linke Gruppen, autonome Zentren, Hausprojekte und Freundeskreise
haben sich schon über den Nahostkonflikt zerlegt. Jetzt hat die von den
Gräueltaten der Hamas verursachte Eskalation im Nahen Osten die
Klimabewegung eingeholt. [1][Seit Fridays for Future (FFF) international am
26. Oktober ein Statement in den sozialen Netzwerken verbreitet hat], ist
die deutsche Sektion der Bewegung um Distanzierung und Schadensbegrenzung
bemüht.
Der internationale Account hatte Israels militärisches Vorgehen im
Gazastreifen als Genozid an den Palästinenser*innen bezeichnet und
vor der „Gehirnwäsche“ westlicher Medien gewarnt, die proisraelische Fake
News verbreiten würden.
FFF Deutschland distanzierte sich umgehend und betonte, der Post sei nicht
abgestimmt worden und stehe im Widerspruch mit den eigenen Überzeugungen
und Inhalten. „Das Existenzrecht Israels ist nicht verhandelbar“, stellten
die deutschen Fridays klar und riefen zur Solidarität mit von
Antisemitismus betroffenen Menschen auf.
## Deutsche auf Rückzug
Doch der Schaden ist angerichtet. International ist die Bewegung gespalten.
Greta Thunberg positionierte sich in mehreren Social-Media-Beiträgen an der
Seite der Palästinenser*innen. Luisa Neubauer, prominente Stimme von FFF
Deutschland, sagte im [2][Interview mit dem Zeit Magazin], sie sei
persönlich enttäuscht von Thunberg.
Die Schwedin hingegen steht mit ihrer Haltung nicht allein da. Auch die
Gruppe der Mapa, bei der sich Mitglieder aus dem Globalen Süden sowie
Schwarze, Indigene und People of Colour (BIPOC) aus dem Norden innerhalb
von FFF organisieren, rief zum Widerstand gegen den „Genozid in Gaza“ auf.
Seitdem steht die Klimagruppe im Kreuzfeuer. Zahlreiche Stimmen aus Politik
und Medien, darunter die Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und der
Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster,
sprachen von einem schweren Vertrauensverlust und vom Ende der Bewegung.
Luisa Neubauer versicherte gegenüber dem Spiegel, sie werde sich persönlich
dafür einsetzen, dass die deutsche Sektion sich aus der internationalen
Vernetzung zurückziehe, bis das Thema geklärt sei.
## Gibt es einen Wertekonsenses zwischen den Ablegern?
Doch was bedeutet das? „Die internationale Zusammenarbeit war immer eine
Stärke der Klimabewegung“, sagt Carla Reemtsma. „Da ist jetzt einiges
zerbrochen.“ FFF Deutschland müsse genau evaluieren, wo es einen
gemeinsamen Wertekonsens gebe, welche Strukturen bestehen bleiben und
welche man neu aufbauen müsse.
Anders als bei FFF Deutschland gebe es allerdings auf internationaler Ebene
kein Plenum oder formelle Strukturen. Internationale Kampagnen seien in
losen Arbeitsgruppen organisiert und für einige Länder fehlten Personen,
die für alle Ortsgruppen sprechen könnten.
Deshalb sei es ein Prozess, herauszufinden, wie transnationale
Zusammenarbeit auf Basis eines Wertekonsenses konkret aussehen könne. Damit
habe man in den vergangenen Tagen begonnen. „Es ist in Ordnung, dass es
innerhalb politischer Gruppen Ambivalenzen gibt – solange sie auf einem
geteilten Wertefundament aufbauen“, sagt Reemtsma. Doch normalerweise
brauche es Zeit, diese Spannungsfelder auszuhandeln. Diese Zeit habe
Fridays for Future nicht, sondern stehe enorm unter Druck.
Wer sich in den Ortsgruppen von FFF umhört, bekommt genau diesen Eindruck.
Viele wollen gegenüber der Presse gar nichts sagen, sondern verweisen nur
auf das abgestimmte Statement, in dem sich FFF Deutschland von den
antisemitischen Äußerungen der internationalen Gruppen abgrenzt.
## Workshops zur Aufklärung
Was aber auch klar wird: An keiner Ortsgruppe geht der Konflikt spurlos
vorbei. In Köln, Magdeburg, Bremen oder Berlin wird diskutiert. Oft
herrscht angesichts Komplexität und Sprengkraft des Themas Verunsicherung
unter den jungen Mitgliedern. Dem will man mit Aufklärung begegnen, etwa in
Workshops zusammen mit der Amadeu-Antonio-Stiftung.
Der Antisemitismus-Eklat hat FFF zur Unzeit getroffen. [3][Die Bewegung war
in den vergangenen Monaten ohnehin geschwächt.] Seit Beginn des Kriegs in
der Ukraine interessieren sich die Deutschen mehr für Waffenlieferungen als
für Klimaschutz, dann kam mit der Letzten Generation Konkurrenz aus den
eigenen Reihen.
Doch seit dem Hamas-Massaker und der israelischen Vergeltung schaffen es
nicht mal mehr die Klebeaktivist*innen, noch irgendwelche Gemüter zu
erregen. Im aktuellen Nachrichtengeschehen findet der Klimaaktivismus nur
wenig Platz.
„Ich finde es erschreckend, wie viel jetzt über Fridays for Future
gesprochen wird“, sagt Dominik Lange von der Bremer Ortsgruppe. Viel
wichtiger sei es, die Betroffenen zu Wort kommen zu lassen. Progressive
Israelis und Palästinenser*innen, die etwa für eine Zweistaatenlösung
seien, würden kaum gehört. Ob die Bewegung jetzt vor dem Aus stünde, sei
derzeit nicht abzuschätzen, sagt Lange – er hoffe natürlich, es werde
weitergehen.
## Wohl nicht das Ende von FFF
Lange gründete die Ortsgruppe im Juli mit anderen neu, nachdem sich die
alte Gruppe mit Antisemitismusvorwürfen konfrontiert gesehen hatte. Die
alte Gruppe warf daraufhin der Bundesebene Rassismus vor und löste sich
auf. Im Oktober tat es ihr die Marburger Ortsgruppe gleich, ebenfalls nicht
ohne der Bundesebene vorher Rassismus vorzuwerfen.
Der Riss durch die Klimabewegung wird so schnell nicht wieder verschwinden.
Darauf, dass die Bewegung vor ihrem Ende steht, deutet derzeit allerdings
wenig hin. Die meisten Klimaschützer*innen dürften nicht bereit sein,
alles aufzugeben, was sie aufgebaut haben – auch wenn sich eine so komplexe
Thematik wie der Nahostkonflikt und der Umgang damit nicht von heute auf
morgen aufarbeiten lassen.
Unendlich viel Zeit haben die Fridays allerdings auch nicht. Im Frühjahr
steht der nächste globale Streik an. Wenn FFF Deutschland sich wieder daran
beteiligen will, muss die internationale Zusammenarbeit funktionieren.
3 Nov 2023
## LINKS
[1] /Antisemitismus-bei-Fridays-for-Future/!5964505
[2] https://www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2023-10/luisa-neubauer-greta-thunber…
[3] /Sommerkongress-von-Fridays-for-Future/!5953832
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
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