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# taz.de -- ÖPNV-Probleme in Italiens Hauptstadt: Nichts geht mehr in der ewig…
> Roms U-Bahnen fahren selten, Busse geraten in Brand und Taxis gibt es zu
> wenige. Dazu kommt ein Touristenansturm.
Bild: U-Bahnstation Barberini in Rom
Rom taz | Eher schlecht gelaunt sind die Menschen im Bus, der sie morgens
ins Stadtzentrum Roms bringt. Wie üblich stehen sie dicht an dicht, wie
üblich ist die Luft nicht besonders gut. Für Heiterkeit allerdings sorgt
der Fahrkartenentwerter. Er ist mal wieder defekt, und viele freuen sich
über die unverhoffte Gratisfahrt in die City.
Doch der kaputte Apparat leistet mehr: Er sorgt für Gesprächsstoff unter
den Passagieren. „Der ist genauso kaputt wie die ATAC“, das kommunale
ÖPNV-Unternehmen, lästert ein junger Mann. Erst gestern habe er wieder
mitten auf der Fahrt aus dem Bus steigen müssen, weil dessen Motor
plötzlich streikte. „Aber dieses Jahr sind viel weniger Busse während der
Fahrt in Brand geraten als in den Vorjahren“, tröstet die Schülerin, die
neben ihm steht.
## U-Bahnen fahren selten, dafür sind sie überfüllt
Einer älteren Dame dagegen ist gar nicht zum Lachen zumute. „Ich habe einen
Termin für die Krebsnachsorge“, klärt sie die anderen auf. „Eigentlich
hätte ich die U-Bahn genommen, aber die ist in den letzten Monaten eine
einzige Katastrophe.“ Statt im 5-Minuten-Takt kommen die Züge der Linie B
nur noch alle Viertelstunde, berichtet sie, und dann seien sie natürlich
heillos überfüllt.
Den Grund kennen alle Römer*innen, die die U-Bahn nutzen: Das Gros der Züge
steht in den Depots, weil die Stadtregierung unter der
5-Sterne-Bürgermeisterin Virginia Raggi, die in den Jahren 2016 bis 2021
amtierte, einfach die gesetzlich vorgeschriebenen Termine für die
technische Revision ignoriert hatte. Jetzt muss diese Revision nachgeholt
werden, und das dauert für jeden Zug mehrere Monate.
## Ewig warten auf ein Taxi
Eigentlich müsse der städtische Dezernent für Mobilität doch als „Dezerne…
für Immobilität“ bezeichnet werden, konstatiert die ältere Dame. „Als
Alternative zur U-Bahn, die nicht kommt, wollte ich letzte Woche für die
Fahrt zum Arzttermin ein Taxi nehmen. Aber Taxen kommen auch nicht.“ Mehr
als 20 Minuten habe sie am Telefon der Taxizentrale gewartet, nur um am
Ende zu erfahren, dass „kein Fahrzeug verfügbar“ sei. Der Arzttermin sei
geplatzt, und deshalb stehe sie jetzt trotz angeschlagener Gesundheit in
dem überfüllten Bus.
Wer immer am Hauptbahnhof der Stadt ankommt, an der Stazione Termini, kann
Roms Taxi-Desaster mit eigenen Augen sehen. Vor dem Bahnhofsgebäude hat
sich eine elend lange Schlange von hunderten Menschen gebildet, die auf
einen Wagen warten. Mal 40 Minuten, mal eine Stunde stehen sie an, ehe sie
endlich in ein Taxi einsteigen können.
Die Taxifahrer*innen der Ewigen Stadt mit ihren rund drei Millionen
Einwohner*innen verweisen gerne darauf, dass es immerhin 7.800 Lizenzen
gibt, deutlich mehr [1][als im bevölkerungsstärkeren Berlin]. Doch sie
vergessen ein kleines Detail: In Berlin sind die Fahrzeuge rund um die Uhr
unterwegs, mit wechselnden Fahrer*innen, in Rom dagegen kommt der Wagen nur
für eine Schicht pro Tag zum Einsatz.
## Touristenaufschwung nach der Coronapandemie
Deshalb galt immer schon, dass schon bei ein paar Tropfen Regen die Suche
nach einer Droschke selten von Erfolg gekrönt war. Doch mittlerweile ist
auch bei schönem Wetter der Anruf bei den Taxizentralen oft genug
erfolglos. Roms Tourismus erlebt [2][einen wahren Post-Corona-Boom], die
Stadt sah dieses Jahr so viele Besucher*innen wie nie zuvor, mit der
Folge, dass das Taxigewerbe sich dumm und dusselig verdient.
Deshalb will die Stadt jetzt 1.000 neue Konzessionen vergeben – doch die
Fahrer*innen steigen auf die Barrikaden. Ihr Hauptargument: Schuld an
den Missständen sei doch allein die Stadt, weil sie den ÖPNV nicht
ordentlich organisiere. Wenn mehr Busse, mehr U-Bahnen führen, sei die
gegenwärtige Zahl der Taxen doch völlig ausreichend.
## Kaum Besserung in Sicht vor Ende 2024
Den Menschen, die sich eigentlich fortbewegen wollen, die in Rom aber
heillos viel Zeit mit Warten verbringen, mal auf die U-Bahn, mal aufs Taxi,
leuchten solche „Argumente“ nicht wirklich ein. Und sie wissen nur zu gut,
was die Taxifahrer*innen wirklich umtreibt. Dank des allzu knappen
Angebots ist ihr Gewerbe so lukrativ wie in wenigen anderen Städten der
Welt; nicht umsonst können sie ihre Lizenzen zum Stückpreis von bis zu
200.000 Euro weiterverkaufen, wenn sie aus dem Gewerbe aussteigen wollen.
Doch nicht nur neue Taxilizenzen will die Stadt. Sie hat auch 30 neue
U-Bahn-Züge geordert. Bis die kommen, dauert es allerdings noch ein wenig:
Die ersten Züge sollen im Dezember 2024 geliefert werden. Wieder ist also
Warten angesagt – in der Hoffnung, dass dann endlich alles besser wird.
20 Oct 2023
## LINKS
[1] /Kontrollen-von-Uber-und-Co/!5949971
[2] /Rom-in-Zeiten-von-Corona/!5667476
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
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