| # taz.de -- Grüne Mobilität in Metropolen: In Paris wird es eng | |
| > Ambitioniert, aber bei der Umsetzung hakt es: In der französischen | |
| > Hauptstadt zeigt sich, wie kompliziert eine Verkehrswende ist. | |
| Bild: Hauptsache, jede:r weiß, wo es lang geht: Radler:innen in Paris | |
| Paris taz | Mit der von [1][Bürgermeisterin Anne Hidalgo forcierten grünen | |
| Verkehrswende] soll Paris ein Radparadies wie Amsterdam werden. Aber davon | |
| ist die französische Hauptstadt noch weit entfernt. Immerhin: Es gibt | |
| sichtbare Fortschritte. | |
| So sind im Zentrum echte Radwege eingerichtet worden. Auch das [2][Mieten | |
| von Rädern und Elektro-Rollern] haben die Stadtoberen erleichtert, was | |
| nicht nur die Tourist*innen schätzen, die trotz Corona-Restriktionen | |
| wieder mit den Rollern vom Eiffelturm via Invalidendom zur Notre-Dame | |
| eilen. Allerdings müssen Fahrräder und Trottinettes die Spur meist mit | |
| Bussen und Taxis teilen – wobei die Koexistenz nicht immer friedlich | |
| bleibt. | |
| Dafür bringt die Senkung der Höchstgeschwindigkeit für die Motorfahrzeuge | |
| allen etwas mehr Sicherheit. Zumindest im Prinzip. Tatsächlich wird das | |
| neue Tempolimit bislang noch sehr wenig beachtet. Schon unser Test am | |
| ersten Tag war nicht ermutigend. „Mach mal Tempo!“, gibt uns der Beifahrer | |
| eines Pkw auf der Überholspur zu verstehen. | |
| Dabei zeigt die Nadel unseres Tachometers exakt auf 30 Stundenkilometer – | |
| und das ist ab diesem Tag, dem 1. September, in Paris die neue | |
| Höchstgeschwindigkeit. Die Drängler sind übrigens Polizisten in ihrem | |
| Dienstwagen. Zur ihrer Entschuldigung ist nur anzuführen, dass man mit der | |
| strikten Beachtung des limitierten Tempos tatsächlich ein Verkehrshindernis | |
| darstellt. Seit diesem ersten Tag mit Tempo 30 hat sich deshalb im Alltag | |
| nicht viel geändert. | |
| Die rot-grüne Stadtregierung setzt Prioritäten. Und der motorisierte | |
| Individualverkehr, der zur Zeit von Jacques Chirac König der Straße war, | |
| kommt jetzt an zweiter oder dritter Stelle. Laufend verschärfte | |
| Bestimmungen sollen vermeiden, dass die Leute mit ihrem Privatauto in der | |
| Innenstadt herumkurven, statt die öffentlichen Verkehrsmittel oder das | |
| Fahrrad zu nehmen oder zu Fuß zu gehen. | |
| ## Auto ohne Spaß | |
| Überhaupt zielt die Verkehrspolitik von Hidalgo darauf, der Pariser | |
| Bevölkerung die Lust am Halten und Nutzen eines privaten Kraftfahrzeugs zu | |
| nehmen. So hat die Stadt in den letzten Jahren die Zahl der | |
| gebührenpflichtigen Parkplätze auf öffentlichem Grund massiv reduziert und | |
| die Tarife fürs Parken sowie die Geldbußen für Zeitüberschreitungen sehr | |
| deutlich erhöht. | |
| Auch ganz wörtlich wird es für den Autoverkehr enger, weil wo immer möglich | |
| auf zweispurigen Straßen eine Fahrbahn für Bus, Taxi und Fahrräder | |
| reserviert ist. Das Konzept dieser Sonderspuren ist allerdings nicht immer | |
| leicht zu verstehen. Fast könnte man denken, dass die zuständigen Planer | |
| sich untereinander nicht einig waren und deshalb je nach Quartier | |
| unterschiedliche Versionen entworfen hätten. | |
| Auf dem breiten Boulevard Montparnasse beispielsweise verlaufen die für Bus | |
| und Taxi reservierten Fahrbahnen beider Richtungen in der Mitte. Ein paar | |
| hundert Meter weiter muss man schnell umdenken: Die Privatfahrzeuge fahren | |
| nun plötzlich in beiden Richtungen links von den beiden Busspuren. | |
| ## Stolperstein Beschilderung | |
| An der Porte d'Orléans, die eine der wichtigsten Achsen und die Einfahrt | |
| von der Ringautobahn im Süden der Hauptstadt ist, staut sich der | |
| Autoverkehr unvermittelt in einem Flaschenhals. Denn die früheren drei | |
| Spuren wurden auf eine einzige Fahrbahn verengt, der restliche Platz ist | |
| auch hier für Räder und Busse reserviert. Das Problem: Weil die | |
| Beschränkung nicht deutlich angezeigt wird, stiftet sie vor Ort eine | |
| gefährliche Verwirrung, weil sich immer wieder Autos auf die falsche Spur | |
| verirren. | |
| Manch einer fragt sich inzwischen, ob es nicht gescheiter wäre, [3][den | |
| Autoverkehr gleich ganz aus dem Zentrum zu verbannen]. So ist die | |
| fußgänger- und fahrradfreundliche Strategie auf halbem Weg ins Stocken | |
| geraten. Der Ausbau des Metro-, Bus- und Straßenbahnnetzes bleibt wie | |
| andere Pläne – etwa das Verbot von Dieselfahrzeugen oder des | |
| Transitverkehrs – vorerst ein Greenwashing-Versprechen im Hinblick auf | |
| Olympia 2024. | |
| Die von Hidalgos sozialistischem Parteikollegen und Vorgänger Bertrand | |
| Delanoë eingeleitete Politik der Verkehrswende wird Umfragen zufolge bisher | |
| immer noch von einer Mehrheit der Einwohner*innen befürwortet. Nicht | |
| zuletzt dank ihrer positiven Bilanz bei der Förderung des Fahrradverkehrs | |
| wurde sie im letzten Jahr wiedergewählt. | |
| Allerdings wird die Kritik an den negativen oder zum Teil kontraproduktiven | |
| Auswirkungen inzwischen lauter – womöglich auch, weil Hidalgo sich mit | |
| höheren Ambitionen jenseits der Stadtpolitik exponiert. Sie möchte bei der | |
| Präsidentschaftswahl im April für die Sozialisten antreten. Dass sich ihr | |
| bisher bester Leistungsausweis langsam aber sicher gegen sie wendet, wird | |
| es ihr nicht leicht machen, in der Spur zu bleiben. | |
| 5 Jan 2022 | |
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| [1] /Verkehrspolitik-in-Frankreich/!5792740 | |
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| ## AUTOREN | |
| Rudolf Balmer | |
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