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# taz.de -- Kritik an der Berliner Bauordnung: Am Ende kostet es mehr Schotter
> Naturschutzverbände kritisieren die neue Berliner Bauordnung: Sie schütze
> Tiere und Klima zu wenig – und Bauherren nicht vor sich selbst.
Bild: Grauslige Schottergärten – für immer ungestraft?
Berlin taz | Höher, schneller, weiter – was eigentlich ein sportliches
Motto ist, könnte auch die Novelle der Berliner Bauordnung zieren, [1][die
der Senat im September verabschiedet hat] und die ab kommender Woche im
Abgeordnetenhaus diskutiert wird. Die unter Stadtentwicklungssenator
Christian Gaebler (SPD) entwickelte Neufassung des Gesetzes soll Bürokratie
abbauen und den Neubau insbesondere von Wohnungen erleichtern. Für Berliner
NaturschützerInnen steht aber fest: Der Umwelt und dem Klima tut das nicht
gut.
Bevor sich am Montagmorgen der Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und
Wohnen in einer Anhörung erstmals mit der Novelle befasst, wollen
VertreterInnen von BUND, Nabu und der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft
Naturschutz (BLN) den Abgeordneten vor dem Preußischen Landtag den Marsch
blasen. Am Donnerstag erläuterten sie schon einmal, worum es geht: Im
aktuellen Gesetzentwurf, dem dritten in drei Jahren, fehlen zwei für den
Arten- und Klimaschutz wichtige Paragrafen, die in der Vorgängerversion
noch enthalten waren.
Einer der beiden Paragrafen legte unter anderem fest, dass mindestens ein
Fünftel der Grundstücksfläche und jedes Dach über 30 Quadratmeter zu
begrünen seien. Offenbar war das Novellierungsprojekt vor allem wegen
dieses Punkts kurz vor der Wiederholungswahl im Februar von der SPD wieder
aufgekündigt worden. Die aktuelle Version verlangt nun nur noch
Dachbegrünungen ab 100 Quadratmeter Fläche.
Gar nicht mehr enthalten sind das Verbot sogenannter Schottergärten sowie
die Pflichten zur Anbringung von Nistkästen und Fledermausquartieren, zur
Ausstattung von Glasfassaden mit Schutzelementen, die den sogenannten
Vogelschlag minimieren, und zur umweltgerechten Reduzierung der
Außenbeleuchtung.
## Der schlechteste aller Entwürfe
„Dies ist der schlechteste der drei Entwürfe, mit denen wir es zu tun
hatten“, sagte Dirk Schäuble, Fachreferent für Artenschutz. Es handele sich
um „ein weiteres Beispiel dafür, dass Natur-, Umwelt- und Klimaschutz in
der Stadtentwicklung in Berlin nicht berücksichtigt werden“.
Schäuble kritisierte, dass die Umweltverbände weder zur Anhörung am Montag
eingeladen noch im Vorfeld um eine Stellungnahme gebeten worden seien. Die
schickten sie den bau- und umweltpolitischen FraktionssprecherInnen
trotzdem zu – mit der Forderung, die herausgefallenen „fortschrittlichen
Änderungen erneut zu berücksichtigen“.
Der Witz sei, so der BUND-Experte, dass es für BauherrInnen durch solche
Auflagen am Ende einfacher und billiger werde. „Wenn Artenschutz schon in
der Bauordnung berücksichtigt ist, weiß man von Anfang an, worauf man sich
einlässt.“
Als Gegenbeweis führte Schäuble das aus anderen Gründen [2][höchst
umstrittene Bauvorhaben der Gesobau an der Pankower Ossietzkystraße] an –
das jetzt stockt, weil das landeseigene Unternehmen sich keine Gedanken
über Fledermäuse gemacht hatte. Zwar gebe auch das Bundesnaturschutzgesetz
Hinweise, aber „da weiß der Bauherr oft einfach nicht, was drinsteht“.
Juliana Schlaberg, Naturschutzreferentin beim Nabu Berlin, hob hervor, wie
bedeutsam Gründächer seien – sie bänden CO2, filterten Schadstoffe aus der
Luft und kühlten die Umgebung. „Wir können uns einfach nicht mehr leisten,
Dachfläche ungenutzt zu lassen“, so Schlaberg mit Blick auf die verwässerte
Neufassung.
## Ein kleines, einfaches Verbot
Wie groß das viel diskutierte Problem der „Schottergärten“ eigentlich ist,
konnten die ExpertInnen am Donnerstag nicht beantworten – Zahlen lägen dazu
nicht vor. „Wahrscheinlich gibt es gar nicht so viele“, räumte Juliane
Schlaberg ein. Ein Verbot sei trotzdem angezeigt, denn: „Es wäre ein
kleiner, aber sehr einfacher Beitrag – und er kostet niemanden etwas.“
In einer Reaktion auf die Kritik der Verbände sagte der Sprecher des
Bausenators, Martin Pallgen, der taz, es müsse „nicht jedes Fachrecht in
der Bauordnung noch einmal abgebildet werden“. Diese diene „der
Gefahrenabwehr, nicht der Regelung von Nistkästen“. Der Arten- und
Naturschutz solle in den jeweiligen Fachgesetzen geregelt werden.
Die Bauordnung enthalte im Übrigen schon jetzt die Auflage, dass nicht
überbaute Flächen „wasseraufnahmefähig zu belassen oder herzustellen und zu
begrünen oder zu bepflanzen“ seien. „Heißt übersetzt: Schottergärten si…
bereits jetzt verboten“, so Pallgen.
2 Nov 2023
## LINKS
[1] /Berliner-Landesregierung/!5959739
[2] /Protest-gegen-Bauprojekt-in-Pankow/!5961245
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Schwerpunkt Artenschutz
Bauen
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
Nabu
Nabu
Stadtteilkultur
Bauen
Bauprojekt
Kai Wegner
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