| # taz.de -- Gefängnisfilm von Narges Mohammadi: Ihre Stimmen verstummen nicht | |
| > Narges Mohammadi hat dieses Jahr den Friedensnobelpreis erhalten. Ihr | |
| > Dokumentarfilm „White Torture“ ist Irans politischen Gefangenen gewidmet. | |
| Bild: Ein am 6. Oktober veröffentlichtes Foto zeigt Narges Mohammadi an einem … | |
| Die Räume im Trakt 209 des Teheraner Evin-Gefängnisses sind kahl, weiß | |
| getüncht und klein, 2 x 2 Meter vielleicht, ohne Mobiliar. Hier sperrt das | |
| iranische Regime Gefangene in Isolationshaft. Die Inhaftierten dürfen ihre | |
| Zellen über Tage, Wochen, ja teils Monate nicht verlassen – außer wenn sie | |
| sich einem der unzähligen Verhöre unterziehen müssen. Am Ende haben die | |
| Folterknechte einzelne Häftlinge psychisch gebrochen: Sie bekennen sich | |
| Taten schuldig, die sie nie begangen haben. | |
| Im Moment des Geständnisses, so schildert es einer der | |
| Protagonist*innen im Dokumentarfilm der diesjährigen | |
| [1][Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi], spüre man nichts als | |
| Selbsthass. „White Torture“ heißt ihr Film, genau wie die Foltermethode der | |
| Isolationshaft. Gedreht wurde er 2021 im Iran unter denkbar widrigen | |
| Bedingungen. | |
| Denn Mohammadi ist dort selbst in Haft. Zusammen mit den | |
| Filmemacher*innen Vahid Zarezadeh und Gelareh Kakavand interviewte sie | |
| in einer Haftpause ehemalige Gefangene und ließ sie von ihrer Zeit hinter | |
| Gittern erzählen. Von den Demütigungen, der Gewalt und der Einsamkeit. | |
| ## Den Weltbezug zurückerobern | |
| Im Rahmen des „Human Rights Film Festival Berlin“ wurde der Film im Kino | |
| Colosseum gezeigt, angestoßen durch die Journalistin und | |
| [2][Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal]. Sie betonte im Gespräch die | |
| Aktualität des Themas und würdigte Mohammadi, „die so laut war, obwohl ihr | |
| der Weltbezug genommen wurde“. | |
| An Aktualität gewinnt der Film nicht nur wegen der Vergabe des | |
| Friedensnobelpreises an Narges Mohammadi. Auch die Angriffe der Hamas auf | |
| Israel vorige Woche erzählen etwas über das Mullah-Regime. Denn das | |
| unterdrückt nicht nur die iranische Bevölkerung, es unterstützt auch die | |
| Hamas finanziell. | |
| Seine Stärke gewinnt der Film nicht durch die Form, es sind die Drastik der | |
| Schilderungen und die Produktionsbedingungen, die ihn besonders machen. | |
| „White Torture“ deckt die kunstfeindlichen Verhältnisse in dem seit der | |
| Islamischen Revolution 1979 theokratisch-autoritär regierten Land auf. Die | |
| Kamera muss bei Autofahrten durch Teheran teils versteckt werden, der Ton | |
| ist schlecht abgemischt. Mitreißend ist der Film trotzdem. | |
| Die Interviews bezeugen auch die Langzeitfolgen der menschenunwürdigen | |
| Behandlung. Einer der Gefolterten vergleicht die Isolationshaft mit einem | |
| Fleischwolf. Zu Beginn noch Mensch, habe er sich am Ende nur noch gefühlt | |
| wie „Menschenmaterial“. Dass sie für den Film über die Folter sprechen, | |
| bringt sie erneut in Gefahr: Vier der Protagonist*innen sitzen erneut | |
| in Haft. | |
| Filmemacher*innen stehen im Iran unter besonderem Druck. In Mohammadis | |
| Film ist auch kurz [3][Jafar Panahi auf den Straßen Teherans] zu sehen, | |
| dessen heimlich produzierter Film „Taxi Teheran“ 2015 bei der Berlinale | |
| gewann. Auch er wurde im Sommer 2022 verhaftet und erst im Februar dieses | |
| Jahres nach einem Hungerstreik wieder freigelassen. Vahid Zarezadeh, | |
| Mitregisseur Mohammadis, erzählte nach der Vorführung, wie das Regime auf | |
| „White Torture“ reagierte. Man habe ihm gedroht: „Du bist wie ein Stück | |
| Obst, das sich unter faules Obst gemischt hat. Darum wirst auch du | |
| verfaulen.“ | |
| Eine weitere politische Gefangene im Evin-Gefängnis ist die Mutter von | |
| Mariam Claren: [4][Nahid Taghavi ist deutsch-iranische Menschenrechtlerin] | |
| und Mohammadis Zellennachbarin. Claren berichtete auf der Bühne über den | |
| Moment, in dem Mohammadi erfuhr, dass sie den Friedensnobelpreis erhalten | |
| würde. Bescheiden sei sie gewesen, „die Frauen waren glücklich“. | |
| Ihre Dokumentation spiegelt die zentrale Parole der iranischen | |
| Freiheitsbewegung. Eine Parole, die auch das Wirken der herzkranken | |
| Mohammadi auf den Punkt bringt: Jin, Jiyan, Azadî. Frau, Leben, Freiheit. | |
| 16 Oct 2023 | |
| ## LINKS | |
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| [2] /Podcast-Tekkal--Behroz/!5944193 | |
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| ## AUTOREN | |
| Julian Sadeghi | |
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