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# taz.de -- ZDF-Serie „Aufgestaut“ zu Klimablockaden: Unterkomplexe Folgen
> Die Serie „Aufgestaut“ versucht, viele Details einer Klimablockade
> einzufangen. Das trägt nicht zur konstruktiven Debatte bei.
Bild: In der ZDF-Serie „Aufgestaut“ will Lena (Valerie Stoll, M.) Finn (Adr…
Die ZDF-Dramedy „Aufgestaut“ hat sich viel vorgenommen: Endlich soll die
Frage nach der Angemessenheit von [1][klimapolitischen Straßenblockaden] im
öffentlich-rechtlichen Fernsehen in multiperspektivischer Erzählweise
thematisiert werden. In sechs etwa viertelstündlichen Kurzfolgen werden
Konsequenzen einer Straßenblockade umrissen.
Das Drehbuch- und Regieduo [2][Zarah Schrade] und Matthias Thönnissen hat
für dieses Projekt hochkarätige Besetzung gewinnen können: Adrian Grünewald
(„[3][Im Westen nichts Neues]“) und [4][Valerie Stoll] streifen sich die
Rollen der jungen Protestierenden, die sich eigentlich schon bei
angebrannter Veggie-Bolognese im Vorfeld gut fanden und
nebeneinandergeklebt immer besser. Besonders Grünewald gelingt es, aus Finn
keinen austauschbaren Demonstranten werden zu lassen, sondern die
Entscheidung für oder gegen zivilen Ungehorsam ernstzunehmend schwierig
darzustellen: „Ich glaube, ich kann andere Sachen besser. Ich bin eher kein
Kampfmönch.“
Leider sind ansonsten eher zu viele platte Stellvertreter:innen für
diese oder jene Gruppe anzutreffen. In einem einzigen Stau ist ein
Muttermund weit geöffnet, eine Cellistin kurz vor der wichtigsten Prüfung
ihres Lebens und ein Mann bei erneuter Verspätung arbeitslos. Das Credo
scheint zu lauten: Einmal alles, bitte!
Jede von [5][Kritiker:innen der Protestform] in Talkshows vorgetragene,
potentiell gefährliche Verwicklung tritt in „Aufgestaut“ ein. So wird eine
ohnehin überhitzte Debatte nicht abgekühlt, sondern zum Überkochen
gebracht, und zwar vor allem durch das Ende der Geschichte: Das Kind wird
gesund und bei Cellomusik im Stau geboren, der Lieferwagenfahrer findet
endlich seine echte Bestimmung, der Porsche-Fahrer grölt zwar herum, tut
aber niemandem etwas zuleide. Am Ende Kuchen für alle und im Zuschauerraum
Ratlosigkeit.Ein Thema ernst zu nehmen bedeutet, es in seiner
Uneindeutigkeit und Herausforderung zu begreifen.
Die Dramedy-Form wäre ideal, um das Gute und Schwierige, die Zwischentöne
und das Noch-nicht-Gesehene der Protestform zu diskutieren. Stattdessen
begegnet uns holzschnittartig das, was wir alle schon wissen: Menschen
haben wichtige Termine und verspäten sich, Menschen müssen ins Krankenhaus,
Menschen werden wütend.
Wenn man sich dazu entscheidet, die möglichen Folgen zivilen Widerstands
anhand emotional aufgeladener Einzelschicksale zu thematisieren, dann bitte
ehrlich und mit Mut zur Konsequenz. Dieser Mut fehlte: Niemand leidet am
Ende wirklich unter der Protestform. Erst mit dem realistischen
Ausbuchstabieren etwaiger Konsequenzen kann ein echtes Gespräch – vor allem
mit Kritiker:innen – über das Für und Wider, die immense Wichtigkeit
des Anliegens und die gleichzeitige Frage nach der Zielrichtung des
Protests beginnen.
Wenn sich aber am Ende jede künstliche Dramatik in Wohlgefallen und
Cellospiel auflöst, wird das Vermögen der Zuschauenden, Ambivalenz
auszuhalten und selbst bewerten zu können, maßlos unterschätzt. Was wir in
„Aufgestaut“ sehen, ist eine Unterkomplexität, [6][die der Debatte um
angemessene Protestformen] kaum dient.
23 Oct 2023
## LINKS
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[3] /Im-Westen-nichts-Neues-ist-oscarnominiert/!5908070
[4] /Neue-Serie-Eldorado-KaDeWe/!5820235
[5] /Knast-fuer-Klimakleber/!5917359
[6] /Klimaproteste-und-Verantwortung/!5926511
## AUTOREN
Marie-Sofia Trautmann
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