| # taz.de -- Bilanz von Schwarz-Rot in Berlin: Mieses Klima vorm Roten Rathaus | |
| > VertreterInnen klima- und sozialpolitischer Initiativen ziehen nach einem | |
| > halben Jahr Schwarz-Rot eine erste Bilanz: Die fällt vernichtend aus. | |
| Bild: Die AktivistInnen vor dem Roten Rathaus finden: Der Senat hat's verkackt | |
| Berlin taz | Die Berliner Klimabewegung hat dem politischen Vokabular der | |
| Stadt ein neues Verb hinzugefügt: Es müsse verhindert werden, dass der | |
| schwarz-rote Senat die Mobilitätswende „zerschreinert“, hieß es auf einer | |
| Pressekonferenz aktivistischer Gruppen, die am Donnerstag im Nieselregen | |
| vor dem Roten Rathaus stattfand. | |
| Die Bilanz der amtierenden Landesregierung nach einem halben Jahr im Amt | |
| fiel aber nicht nur in Bezug auf Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) | |
| vernichtend aus: Die „Rückschrittskoalition“ blockiere alle | |
| richtungsweisenden Ideen der Zivilgesellschaft zum Schutz des Klimas, | |
| sagten VertreterInnen von Fridays for Future Berlin, Deutsche Wohnen & Co | |
| Enteignen, Changing Cities, Klimaneustart Berlin und dem Volksentscheid | |
| Berlin autofrei. | |
| „Bis zur Unkenntlichkeit zerschreinert“ wird laut Florian Keiper von | |
| Changing Cities der im Mobilitätsgesetz von 2018 festgeschriebene Vorrang | |
| des Umweltverbunds aus öffentlichen Verkehrsmitteln sowie Rad- und | |
| Fußverkehr zugunsten einer erneut autofreundlichen Politik: „Das Stehzeug | |
| wird in der Hauptstadt wieder bevorzugt“, klimafreundliche Verkehrsformen | |
| müssten sich wieder den Bedürfnissen des Pkw unterordnen, so Keiper. Das | |
| Mobilitätsgesetz, „ein sorgfältig ausgehandelter Kompromiss“, stehe auf d… | |
| Kippe. [1][Es hänge nun „alles von der SPD ab“], wie es weitergehe. | |
| Stefan Zimmer von der Initiative Klimaneustart Berlin, deren Volksentscheid | |
| für Klimaneutralität bis zum Jahr 2030 [2][im März am erforderlichen Quorum | |
| gescheitert war], stimmte hier mit ein: In Sachen Verkehr setze die | |
| CDU-SPD-Koalition neben dem Auto auf den Bau neuer U-Bahnen, was nicht nur | |
| beim Bau gewaltige Mengen an CO2 freisetze, sondern von Planungsbeginn bis | |
| Eröffnung „gerne mal 25 bis 30 Jahre“ dauere: „Diese Zeit haben wir nich… | |
| Gleichzeitig würden wichtige Tramprojekte – die wesentlich schneller und | |
| kostengünstiger umsetzbar sind – wie die Verlängerung der M10 zum | |
| Hermannplatz oder die M4 zum Potsdamer Platz infrage gestellt und | |
| verschleppt. | |
| ## Wo soll der Wasserstoff herkommen? | |
| Auch in anderen Bereichen stellten die Initiativen Schwarz-Rot ein | |
| schlechtes Zeugnis in Sachen Klimaschutz aus: Beim Thema Wärmeversorgung | |
| gebe der Senat keine Antworten auf die drängenden Fragen, so Zimmer. Den | |
| geplanten Rückkauf der Fernwärme vom Vattenfall-Konzern lobte er zwar als | |
| einen guten ersten Schritt. | |
| Die Strategie, die Stadt in Zukunft hauptsächlich mit Biomasse und | |
| Wasserstoff zu beheizen, sei jedoch ein Grund zur Sorge. „Weder Vattenfall | |
| noch der Senat können sagen, woher die in diese Mengen kommen sollen.“ Die | |
| Empfehlungen des Bürger:innenrats, der als Ergebnis einer Volksinitiative | |
| von Klimaneustart Berlin im Sommer 2022 tagte, sollten offenbar | |
| stillschweigend ignoriert werden, kritisierte Zimmer. | |
| Benni Wasmer vom Volksentscheid Berlin autofrei gab sich optimistisch, dass | |
| der Gesetzentwurf seiner Initiative, den Rot-Grün-Rot zur Prüfung ans | |
| Berliner Verfassungsgericht überwiesen hatte, von den RichterInnen in | |
| absehbarer Zeit freigegeben wird. Dann lasse sich endlich mit der „großen | |
| Lüge“ aufräumen, „dass wir irgendwie alles gleichzeitig haben können“, | |
| Autos also keinen Platz für klimafreundliche Verkehrsformen machen müssten. | |
| Wasmer kritisierte scharf, dass es „ein gutes Hörgerät“ brauche, um gegen | |
| diese „Auto-Ideologie“ Widerspruch aus der SPD wahrzunehmen: „Die entfernt | |
| sich traurigerweise immer weiter von der Lebensrealität der Menschen in | |
| dieser Stadt.“ | |
| Die Untätigkeit des Senats bei der Umsetzung des letzten erfolgreichen | |
| Volksentscheids prangerte Veza Clute-Simon von Deutsche Wohnen & Co | |
| Enteignen an. Mietenpolitisch habe Schwarz-Rot keinen Plan zur Entlastung | |
| von MieterInnen. Dabei sei die Situation heute nicht mehr dieselbe wie bei | |
| der Abstimmung vor zwei Jahren, sondern „viel, viel schlimmer“. | |
| Luisa Neubauer von Fridays for Future mokierte sich dann noch über | |
| Vorschläge wie den von Innensenatorin Iris Spranger (SPD), die Sanierung | |
| maroder Polizeiwachen aus dem fünf Milliarden schweren Klimasondervermögen | |
| zu finanzieren. Die sogenannte Senatskommission Klimaschutz – die im | |
| Prinzip nichts anderes ist als der reguläre Senat, der vierteljährlich | |
| unter diesem Label tagt – bringe es „offensichtlich“ nicht. | |
| Neubauer forderte daher die Einsetzung einer Task Force aus ExpertInnen und | |
| VertreterInnen der Stadtgesellschaft zur Umsetzung des | |
| Klimasondervermögens. Für die anwesenden Initiativen gehe die Arbeit | |
| weiter: „Wir stehen hier mit der Botschaft, Berlin nicht Großinvestoren und | |
| der Klimakrise zum Fraß vorzuwerfen“, sagte die FFF-Sprecherin. | |
| ## Nicht mit der Letzten Generation | |
| Auch in einer anderen Frage zeigten sich die Anwesenden einig: Unisono | |
| erklärten sie, dass sich ihre Organisationen nicht an der von der Letzten | |
| Generation für Samstag angekündigten Massenblockade der Straße des 17. Juni | |
| beteiligen würden. „Einzelne von uns werden dabei sein, aber wir als Gruppe | |
| setzen auf direkte Demokratie als Aktionsform, nicht auf zivilen | |
| Ungehorsam“, sagte Stefan Zimmer von Klimaneustart Berlin. Die übrigen | |
| Anwesenden äußerten sich ähnlich. | |
| Die Letzte Generation hat für Samstagmittag dazu aufgerufen, die | |
| Ost-West-Verbindung durch den Tiergarten mit möglichst vielen Menschen zu | |
| blockieren – als neue Protestform neben den unangekündigten Klebeaktionen | |
| auf den Straßen. Nach eigenen Angaben wird die Initiative dabei von | |
| Extinction Rebellion unterstützt. Man habe aber „auch andere | |
| Klimagerechtigkeitsbewegungen herzlich eingeladen“, [3][sagte eine | |
| Sprecherin der taz] – offenbar bisher mit wenig Erfolg. | |
| 26 Oct 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
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