Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Revival des 29-Euro-Tickets in Berlin: Die Extrawurst der Berliner …
> Niemand außer der SPD wollte eine Neuauflage des 29-Euro-Tickets. Doch
> Radaumachen zahlt sich offenbar aus. Der zweifelhafte Sondertarif kommt.
Bild: Böse Zungen behaupten: Das 29-Euro-Ticket für alle war das einzige Vers…
Man kennt das von bockigen Kindern, die irgendetwas unbedingt haben wollen:
Wenn die Kleinen nur ordentlich Radau machen und sich im Zweifelsfall
schreiend auf den Boden werfen, kriegen sie am Ende ihren Willen. So ist es
auch bei der Hauptstadt-SPD und ihrem extrem teuren Wahlkampfversprechen,
das „29-Euro-Ticket für alle“ fortführen zu wollen.
Monatelang hatte die Berliner SPD-Spitze faktisch als Einzelkämpferin Terz
gemacht für eine Reanimation des Ende April ausgelaufenen 29-Euro-Tickets,
weil: [1][Wahlkampfversprechen]. Am Donnerstag nun konnte man Vollzug
melden. „Versprochen, gehalten!“, hieß es in Jubelstimmung auf den
SPD-Kanälen in den sozialen Netzwerken. Der Aufsichtsrat des
Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB) hatte zeitgleich beschlossen,
dass das 29-Euro-Ticket [2][im Laufe des 1. Halbjahrs 2024] wieder auf den
Markt kommen soll.
Das Nahverkehrsangebot ist zwar wieder nur auf den Tarifbereich AB
beschränkt und – anders als das Vorgängermodell – nur mit einer
Mindestvertragslaufzeit von 12 Monaten zu haben, also eigentlich ein
348-Euro-Ticket. Dafür dürfen auch Hunde kostenlos mitgenommen werden,
Fahrräder hingegen nicht. Aber das findet sich nur im Kleingedruckten des
VBB-Beschlusses.
Wichtig für die krachend gescheiterte SPD-Spitzenkandidatin, gewesene
Regierende Bürgermeisterin und Noch-Landesparteichefin Franziska Giffey ist
im Grunde nur eine einzige Botschaft: „Die SPD liefert.“
## Preiserhöhung auf Einzeltickets als Bonbon
Gleich mitgeliefert wurde seitens des VBB auch eine saftige Preiserhöhung
auf Einzelfahrscheine. So kostet das Einzelticket für das Berliner
Stadtgebiet ab 1. Januar kommenden Jahres 3,50 Euro statt 3,30 Euro, der
Preis für einen Fahrschein von der Innenstadt ins brandenburgische
Speckgürtelglück des Tarifbereichs C geht hoch von 4 Euro auf 4,40 Euro.
Betrachtet man das vom VBB präsentierte Gesamtkunstwerk aus Preiserhöhungen
und Jahresabo, haben damit vor allem all jene das Nachsehen, die den ÖPNV
in Berlin nur gelegentlich und/oder nicht das ganze Jahr über nutzen –
darunter die gar nicht so kleine Zahl wetterfühliger Radfahrer:innen –
und/oder ab und zu mal ins Umland wollen.
Aber wer will schon nach Brandenburg? Und wenn Radfahrer:innen Regen
und Schnee nicht abkönnen, sollen sie halt Auto fahren. Folglich
kommentierten Franziska Giffey und die SPD auch nicht die Preiserhöhungen,
sondern ausschließlich das Ergebnis fleißigen Radaumachens: die
Durchsetzung des Berliner Sondertickets.
## Gegen alle Widerstände
Dennoch kommt man bei der jetzt vom VBB abgesegneten Berliner Extrawurst
nicht umhin, wenigstens einmal anzuerkennen, dass und wie sich die Führung
der SPD Berlin in dem Punkt durchgesetzt hat. Niemand (außer eben der SPD)
ließ jemals ein gesteigertes Interesse daran erkennen, den Sondertarif
wiederzubeleben, nicht einmal der Koalitionspartner CDU.
Das Land Brandenburg und hier vor allem die betroffenen Landkreise im
Tarifbereich C hatten im gemeinsamen Verkehrsverbund schon dem Vorgänger
nur zähneknirschend zugestimmt. Eine Neuauflage lehnte man erst recht ab.
Die Berliner SPD-Spitze zeigte sich von alldem unbeeindruckt. So erklärte
Co-Landeschef Raed Saleh bereits Anfang April, die Brandenburger:innen
hätten ja doch „am Ende ein Interesse an einem starken Verkehrsverbund und
kein Interesse daran, dass es dabei Komplikationen gibt“. Noch am
vergangenen Wochenende bekräftigte Saleh, dass man das Ticket [3][zur Not
auch ohne den VBB] durchsetzen werde. Nicht unbedingt die feine Art, aber
am Ende erfolgreich – für die Berliner SPD-Spitze.
Ein Triumph über die Vernunft? Klar ist: Hätte Berlin beim VBB nicht
gleichzeitig auch die Fortführung des 9-Euro-Sozialtickets für
Bezieher:innen von Sozialleistungen durchbekommen, wäre die Aktion
nicht nur mobilitäts-, haushalts- und klimaschutzpolitisch mindestens
zweifelhaft, sondern auch sozialpolitisch komplett nach hinten losgegangen.
30 Sep 2023
## LINKS
[1] /29-Euro-Ticket-vor-dem-Aus/!5946339
[2] /29-Euro-Ticket-in-Berlin/!5959397
[3] /29-Euro-Ticket-fuer-Berlin/!5962807
## AUTOREN
Rainer Rutz
## TAGS
Öffentlicher Nahverkehr
SPD Berlin
Brandenburg
Wochenkommentar
Schwarz-rote Koalition in Berlin
ÖPNV
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Nextbike
Öffentlicher Nahverkehr
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Öffentlicher Nahverkehr
## ARTIKEL ZUM THEMA
29-Euro-Ticket in Berlin vor dem Aus: Fahrt aufs Abstellgleis
Im Zuge der Sparpläne für 2025 beerdigt Schwarz-Rot das 29-Euro-Ticket. Für
Unmut sorgt aber vor allem die geplante Preiserhöhung beim Sozialticket.
Krankenhauskonzern Vivantes: Sollen sie doch laufen
Mit Vivantes weigert sich ausgerechnet eines der größten Landesunternehmen,
seinen Beschäftigten ein rabattiertes Deutschlandticket anzubieten.
Künftige Gestalt des Molkenmarkts: Schön und bezahlbar? Es geht beides
Der schwarz-rote Senat muss auch bei höheren Kosten sicherstellen, dass
nicht nur Reiche schön wohnen. Da ist vor allem die SPD in der Pflicht.
Kostenloses Leihradsystem: Eine extrem niedrig hängende Frucht
Die Linken fordern, das Berliner Leihradsystem zu vergrößern und dabei
kostenlos zu machen. Ein ebenso sinnvoller wie breit ignorierter Vorschlag.
29-Euro-Ticket in Berlin: Giffeys Abo-Falle
Der VBB gibt grünes Licht für das Revival des 29-Euro-Tickets. Gleichzeitig
werden die Preise für Einzelfahrscheine massiv erhöht.
29-Euro-Ticket für Berlin: Weniger kostet manchmal mehr
Fällt jetzt am Donnerstag der Startschuss für das 29-Euro-Berlinticket? Die
Opposition findet: Es wäre ein wenig sinnvoller, aber teurer Spaß.
29-Euro-Ticket: Einfach mal abhängen
Die Wiedereinführung des 29-Euro-Tickets dürfte Berlin teuer zu stehen
kommen. Grüne und Linke setzen auf zielgerichtete Alternativmodelle.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.