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# taz.de -- Kostenloses Leihradsystem: Eine extrem niedrig hängende Frucht
> Die Linken fordern, das Berliner Leihradsystem zu vergrößern und dabei
> kostenlos zu machen. Ein ebenso sinnvoller wie breit ignorierter
> Vorschlag.
Bild: Auch wo „Nextbike“ drauf steht, ist mittlerweile „Tier“ drin
Gut 6.500 sind es jetzt: die silbernen Leihräder der Firma Nextbike
(mittlerweile im Portfolio des Anbieters Tier, besser bekannt für seine
E-Scooter). Sie können an 2.900 Stationen gemietet werden, von denen sich
[1][jetzt immerhin 1.200 außerhalb des S-Bahn-Rings] befinden. Das System
wird vom Land Berlin bestellt und subventioniert. Gratis ist der Service
für die NutzerInnen freilich nicht: Wer kein Abo zu monatlichen Festpreisen
abschließt, zahlt [2][pro Viertelstunde umweltfreundlichen Radelns 1 Euro].
Die Linksfraktion hat nun die Forderung erhoben, dass das Leihradangebot
erstens massiv – auf rund 10.000 Stück – ausgebaut und zweitens den
BerlinerInnen weitgehend kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Mindestens
die erste Stunde Radfahren solle „für alle“ frei sein, so Niklas Schenker,
der radverkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion. Finanzschwache
Gruppen wie SchülerInnen und InhaberInnen des Sozialtickets sollen generell
von Zahlungen befreit werden.
Neu ist diese Forderung nicht: Zuletzt vor einem Jahr meldete sich die
Linke mit diesem Vorschlag zu Wort. In Sachen Verkehr hatte die Fraktion
allerdings schon im Rahmen der damaligen rot-grün-roten Koalition wenig zu
melden. Und alles, was Geld kostet – eine Komplettübernahme würde
selbstredend deutlich teurer als der bisherige Zuschuss von rund 1,5
Millionen pro Jahr –, lässt sich am leichtesten verlangen, wenn man für die
Finanzierung nicht verantwortlich ist. Unter Schwarz-Rot also noch
leichter.
Tatsächlich ist die Idee aber so simpel wie sinnvoll: Denn auch wenn
[3][die Senatsverkehrsverwaltung sich in Superlativen ergeht], wenn es um
das Nextbike-Angebot geht, ist noch unendlich viel Luft nach oben. „Jedes
Rad wurde durchschnittlich bis zu 1,4 Mal pro Tag genutzt“, heißt es aus
dem Haus von Senatorin Manja Schreiner (CDU) – das bezieht sich auf die
radelstarken Monate Mai, Juni und Juli. Eine Ausbeute, die bei genauerer
Betrachtung nicht viel besser ist als die viel kritisierte Nutzung von Pkws
als „Stehblech“.
Das ist auch nicht wirklich ein Wunder. Die Nachteile der Räder – sie sind
relativ behäbig und lassen sich abgesehen von der Sitzhöhe keinen
persönlichen Bedürfnissen anpassen – wiegen aus Sicht vieler die Vorteile
wie die spontane Verfügbarkeit und die Sorglosigkeit vor Diebstahl auf,
solange es keinen echten finanziellen Anreiz gibt. Die allermeisten haben
ja noch andere Mobilitätsausgaben, ob sie nun mit den Öffentlichen fahren
oder dem Auto.
## Missbrauch leicht zu verhindern
Ein kostenloses Leihradsystem ist verkehrspolitisch im Grunde eine extrem
niedrig hängende Frucht, wie man so sagt. Die Prophezeiung sei erlaubt,
dass ein Gratismodell die Nutzung massiv ausweiten würde. Dass Einzelne das
Rad dann gar nicht mehr hergeben wollen, lässt sich durch technische
Lösungen wie eine Begrenzung der Leihdauer oder eben durch die Beibehaltung
von Gebühren ab einer bestimmten Fahrtdauer leicht verhindern.
Wie die Linke zu Recht moniert, werden CDU und SPD jetzt eine Stange Geld
in [4][das fragwürdige 29-Euro-Ticket für alle] stecken. Stemmen ließe sich
ein kostenloses Leihradsystem aus diesem Topf locker. Dass die Politik es
nicht bezahlen will, zeigt, wie wenig ernst sie ihre eigenen Ziele nimmt.
Denn die Auswirkungen auf Mobilität und Klimaschutz würden im Grunde wohl
alle einschränkungslos begrüßen – vielleicht ließen sich, wie von den
Linken erhofft, sogar die oft nervigen E-Scooter damit verdrängen.
Schon mit einem Kompromiss wäre im Übrigen viel erreicht: Warum erhalten
nicht wenigstens Abo-KundInnen des ÖPNV das Recht, die Mieträder gratis als
Zusatzangebot zu nutzen? Sie tun ohnehin schon viel fürs Klima und sichere
Straßen und hätten sich diese Belohnung mehr als verdient. Auch im Sinne
der vielbeschworenen Multimodalität, also der sinnvollen Kombination
unterschiedlicher Verkehrsmittel, um die Stadt feinmaschig zu erschließen,
wäre das nichts weiter als logisch.
Warum kommt da eigentlich niemand drauf?
14 Oct 2023
## LINKS
[1] /Mietraeder-mit-Landesfoerderung/!5603901
[2] https://www.nextbike.de/berlin/de/
[3] https://www.berlin.de/sen/uvk/presse/pressemitteilungen/2023/pressemitteilu…
[4] /Revival-des-29-Euro-Tickets-in-Berlin/!5964026
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Nextbike
Mobilitätswende
Manja Schreiner
Wochenkommentar
Nextbike
Fahrrad
Öffentlicher Nahverkehr
Schwarz-rote Koalition in Berlin
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