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# taz.de -- CDU und CSU gewinnen die Landtagwahlen: Balsam für die Seele der U…
> Mit dem Erfolg in Hessen beschert Boris Rhein der CDU angenehme Stunden.
> Merz sieht sie auf dem richtigen Weg.
München/Berlin/Frankfurt am Main taz | Friedrich Merz ist sichtlich
gerührt. Der CDU-Chef steht am Montag im Berliner Konrad-Adenauer-Haus und
wirkt, als könne er kaum glauben, was Boris Rhein, [1][CDU-Wahlsieger in
Hessen], an seiner Seite verkündet. „Friedrich Merz hat etwas hinbekommen,
was die Grundlage für alles ist in der Union.“ Der Bundesvorsitzende habe
es geschafft, die CDU zu vereinen und mit ihrer Schwesterpartei in Bayern
zu versöhnen, sagt der hessische Ministerpräsident zu Merz. „Dieses
Wahlergebnis ist ein gemeinsames Ergebnis der Hessen-CDU und der
Bundes-CDU.“
Die CDU-Zentrale lechzt nach Harmonie, und Rheins Worte treffen dort einen
Nerv. Die Ergebnisse vom Vortag werden in der Union als ein Lichtblick für
die kommende Zeit in der Bundespolitik gesehen. Mit 34,6 Prozent hat die
CDU in Hessen ein ähnlich gutes Ergebnis eingefahren wie alle
Ampel-Parteien in dem Bundesland zusammen (34,9 Prozent). Die SPD liegt in
ihrem ehemaligen Stammland weit abgeschlagen fast 20 Punkte hinter der
Union.
Ines Claus wirkt während der gesamten Konferenz mit Merz und Rhein am
Montag, als könnte sie sich nur schwer zurückhalten, nicht jeden Augenblick
schallend loszulachen. „Ja, ich lächel noch“, sagt die hessische
CDU-Fraktionsvorsitzende in Berlin. „Das war ein historischer Abend.“
Die Umfragen hatten einen Sieg der Union in Hessen vorgesehen, doch dass
der Abstand zu den anderen Parteien so groß sein würde, ist bemerkenswert.
Der Ministerpräsident sieht den Grund für den eigenen Erfolg, im Wahlkampf
die Mitte der Gesellschaft adressiert zu haben. „Wir haben uns nicht dazu
verleiten lassen, an irgendwelchen Rändern zu fischen.“
## Söder öffnete die Flanke nach rechts
Mit diesem Kurs hatte sich Rhein zuletzt zumindest rhetorisch von Merz
distanziert sowie auch von CSU-Chef Markus Söder und seinem Wahlkampf in
Bayern. Die CSU fuhr am Sonntagabend mit 37 Prozent der Stimmen zwar einen
deutlichen Wahlsieg ein und lag ebenfalls deutlich vor den Fraktionen der
Berliner Regierungskoalition, die in München zusammen auf lediglich 25,8
Prozent kommen. Das Ergebnis ist dennoch der historisch schlechteste Wert,
den die Christsozialen je erzielt haben, und liegt noch mal unter den 37,2
Prozent, die 2018 auf die CSU entfielen.
Die Ergebnisse der „Mid-Terms für die Ampel“, wie Merz den Doppelwahltag
mit 14 Millionen Bundesbürgern stets nannte, sie weisen also zumindest auf
eine durchwachsene Rolle hin, auf die sich die Union in der Bundespolitik
künftig einstellen muss. Die offene Klatsche für die Regierungsparteien bei
den Landtagswahlen, bei einem gleichzeitig immer stärker werdenden rechten
Rand, überlässt die Union derzeit einem großen Vakuum in der breiten Mitte
des politischen Spektrums.
Paradoxerweise haben Friedrich Merz in Berlin und Markus Söder in München
Flanken geöffnet, die sowohl ihre eigene Stellung als auch die Ausrichtung
ihrer Parteien in Zukunft nicht leichter machen. Merz klammerte durch einen
strammen Rechtskurs inklusive Stimmungsmache mit Halbwahrheiten über
Asylbewerberleistungen die sozialliberale Fraktion in seiner Partei aus. In
München öffnete Markus Söder die Flanke rechts der CSU, die es gemäß
CSU-Übervater Franz Josef Strauß zumindest verfassungsgemäß nicht geben
dürfte.
Mit seinem Wahlkampf in Koalition mit den Freien Wählern hat CSU-Chef Söder
deren Vorsitzendem Hubert Aiwanger einen Freifahrtschein zum Scharfmachen
gegeben; [2][inklusive Rückendeckung in der Flugblatt-Affäre um
antisemitische Ansichten bei Aiwanger.] Die gestärkten Freien Wähler
forderten am Montag prompt ein viertes Ministerium und einen noch härteren
Kurs in Fragen um Immigration für die anstehenden Verhandlungen für eine
„bürgerliche Koalition“ mit den Christsozialen in Bayern.
In München kam indes der Vorstand der CSU zusammen, um das weitere Vorgehen
nach der Wahl zu besprechen. Während sich die Parteigranden trotz des
miserablen Wahlergebnisses weiter hinter ihrem Chef Söder scharen, ließ
mancher bereits durchblicken, dass er sich künftig einen anderen Umgang mit
dem Koalitionspartner wünscht. Aiwanger, an den sich Söder schon seit
Langem als Partner gekettet hatte, hat den Bogen in den Augen vieler
Christsozialer zuletzt arg überspannt.
Der EVP-Vorsitzende Manfred Weber etwa erinnerte an das Strauß-Dogma und
den Platz rechts neben der CSU: „Das ist mit den Freien Wählern heute der
Fall“, sagte Weber am Montag vor der Sitzung und forderte, die
Christsozialen müssten gegenüber ihrem Wunschpartner die „Samthandschuhe
ablegen“.
Söder äußerte sich ähnlich, als er nach der Vorstandsitzung vor die Presse
trat. Die Freien Wähler hätten sich seit dem berüchtigten Auftritt
Aiwangers in Erding verändert, insofern werde sich auch die Zusammenarbeit
mit ihnen verändern, erklärte der CSU-Chef. Am Beginn der
Sondierungsgespräche stünden deshalb nun grundsätzliche Fragen: Ob sich die
Freien Wähler weiterhin als liberale Kraft sähen oder weiter rechts
verorteten, will Söder von seinem Wunschkoalitionspartner wissen. „Der
Wettbewerb wird natürlich intensiver werden, die Freien Wähler sind der
Hauptkonkurrent.“
Dass sich die CSU bei den anstehenden Koalitionsgesprächen jedenfalls kaum
auf einen gewandelten, zurückhaltenderen Aiwanger wird einstellen können,
machte dieser schon klar. „Ich würde der CSU empfehlen“, sagte er am
Montagmorgen, „jetzt nicht so mädchenhaft aufzutreten.“
## Die ewige K-Frage in der Union
Einen Hauptgrund für den Erfolg der Freien Wähler, vor allem aber der AfD,
die in Bayern mit 14,6 Prozent drittstärkste Kraft vor den Grünen wurde,
sieht Söder jedoch gar nicht in Bayern, sondern bei der Bundesregierung –
wenig überraschend. Diese habe sich einer Zusammenarbeit beim Thema
Migration verweigert. „Die Deutschen, die Bayern wollen eine Wende in der
Migrationspolitik.“ Er sei sich da mit CDU-Chef Merz „absolut einig“.
Erstmals forderte Söder nun auch, eine Änderung des von der Verfassung
gewährten Asylrechts zu erörtern.
Derweil dürfte in Berlin Friedrich Merz zur Kenntnis genommen haben, dass
die glorreichen Ansprüche Söders auf eine übermächtige CSU am Sonntag mit
dem Ergebnis einen entschiedenen Dämpfer erlitten haben. Söder geht
geschwächt aus der Landtagswahl, auch wenn er die CSU in seiner eigenen
Lesart am Sonntagabend nach Verkündung der Ergebnisse noch als „gestärkt“
gesehen hatte. Der Dauerrivale für die anstehende Kanzlerkandidatur, über
die die Union im kommenden Sommer entscheiden will, muss nach diesem
Ergebnis mit deutlicherem Gegenwind aus Berlin rechnen.
Für parteitaktische Fragen dürfte dabei in der CDU-Zentrale der Blick nach
Wiesbaden genauso für Fragezeichen sorgen. Spitzenkandidat Boris Rhein war
gerade in den letzten Wochen des Wahlkampfs in Hessen zumindest zaghaft auf
Opposition zu den immer schriller werdenden Tönen aus dem Berliner
Konrad-Adenauer-Haus gegangen. So hatte Rhein den vielfach kritisierten
Äußerungen Merz’ zu Zahnersatzleistungen für Geflüchtete, wegen derer
„deutsche Bürger“ keine Termine bekämen, eine Absage erteilt.
Friedrich Merz und Boris Rhein gaben sich nun alle Mühe, diese kleine
Differenz wegzuwischen. Merz erklärte seine Aussagen kurzerhand sogar für
einen sinnvollen Beitrag im Wahlkampf: „Ich habe für mein Zuspitzen in
Hessen und in Bayern sehr, sehr viel Zustimmung bekommen. Das hat das
Ergebnis in Hessen und Bayern auch nach oben gebracht“, sagte der CDU-Chef.
Und auch Rhein sah am Montag keine Abgrenzung seinerseits zum Parteichef.
Der Sieg ist der größte Garant für Harmonie.
Strahlend präsentierte sich derweil am Montag in Wiesbaden der Manager auch
des Wahlerfolgs, CDU-Generalsekretär Manfred Pentz. Die hessische CDU
verdanke den Erfolg „Stil und Stärke“ ihres Wahlkampfs, sagte Pentz und
erläuterte, was das für ihn heißt: „Dass wir nicht mit Dreck werfen und mit
schmutzigen Parolen argumentieren.“
Bereits am Montagabend wird in Hofheim der Landesrat, der kleine Parteitag
der CDU, dem Wahlsieger ein Mandat zu Verhandlungen mit „den demokratischen
Parteien“ erteilen. Es werde Gespräche sowohl mit den Grünen als auch mit
den Sozialdemokraten geben; auch mit den Liberalen werde die CDU reden. Die
CDU müsse ausloten, „in welchem Zustand die Sozialdemokraten“ nach der
Niederlage seien und ob mit ihnen eine stabile Zusammenarbeit möglich sei.
Der bisherige grüne Koalitionspartner gehe mit einem „Ideologiepaket im
Rucksack“ in die Gespräche, sagte Pentz und ließ keine Priorisierung einer
bestimmten Option erkennen.
Einst äußerte Merz die These der Hauptgegnerschaft, die für die Union bei
den Grünen läge. Sie wird permanent konterkariert von drei
Unionspolitikern, die als Ministerpräsidenten erfolgreiche Politik mit den
Grünen machen. Rhein wurde in seiner Arbeit nun überragend bestätigt.
Es ist unwahrscheinlich, dass sich einer der Kontrahenten Merz’ demnächst
aus der Deckung wagt. Noch ist dafür ja auch mehr als ein Jahr Zeit. Da
kann man den Parteivorsitzenden auch erst einmal mal zur Rührung bringen.
9 Oct 2023
## LINKS
[1] /CDU-gewinnt-Landtagswahl-in-Hessen/!5964427
[2] /Nach-Affaere-um-antisemitisches-Flugblatt/!5955593
## AUTOREN
Cem-Odos Güler
Christoph Schmidt-Lunau
Dominik Baur
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