| # taz.de -- Kampf um den Landtag: Bayern-Wahlen mit Zahlen | |
| > Hochrechnungen für die Landtagswahl in Bayern gibt es noch nicht. Dafür | |
| > haben wir jede Menge anderer Freistaat-Fakten im Angebot. | |
| Bild: Streber Söder: 750 Wahlkampfauftritte, davon 110 in Bierzelten | |
| 40 Jahre alt muss man mindestens sein, wenn man in Bayern Ministerpräsident | |
| oder Ministerpräsidentin werden will. Das ärgert [1][die | |
| Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze], die erst 38 ist und diese | |
| Hürde unsinnig findet. Zumal deshalb nun schon zum zweiten Mal ihr | |
| Co-Spitzenkandidat Ludwig Hartmann das TV-Duell mit Markus Söder bestreiten | |
| durfte. | |
| Aber auch das aktive Wahlalter wollen die Grünen in Bayern auf 16 Jahre | |
| senken. Im vergangenen Jahr brachte die Partei hierzu – erfolglos – einen | |
| Gesetzesentwurf in den Landtag ein. Das war allerdings noch, bevor die | |
| [2][Aiwanger-Affäre] ein neues Licht auf die Reife 17-jähriger Gymnasiasten | |
| in Bayern geworfen hat. | |
| 7 Abgeordnete sind während der vergangenen Legislatur aus dem Landtag | |
| ausgeschieden, etwa weil sie – wie die Grüne Tessa Ganserer – in den | |
| Bundestag wechselten oder – wie der CSUler Bernd Sibler – Landrat wurden. | |
| Eines von 3 Szenarien müsste eintreten, damit Markus Söder nach diesen | |
| Wahlen nicht Ministerpräsident bleibt: | |
| - Die CSU bekommt nicht genug Stimmen, um eine Regierung anzuführen – also | |
| etwa in dem Fall, dass die Freien Wähler (zuletzt in den Umfragen bei 15 | |
| Prozent) oder die Grünen (16 Prozent) an den Christsozialen (37 Prozent) | |
| vorbeiziehen. | |
| - Die CSU-Fraktion kommt zu der Auffassung, dass sie mit einem anderen | |
| Ministerpräsidenten künftig bessere Ergebnisse einfahren würde, und schickt | |
| Söder in die Wüste. Loyalität, das hat die Geschichte gelehrt, ist in | |
| dieser Fraktion ein Fremdwort. Und schließlich stehen in der Partei jede | |
| Menge aussichtsreiche Thronfolger bereit. Also da wäre zum Beispiel … ähm �… | |
| - Markus Söder tritt zurück – etwa weil das Wahlergebnis nicht seinen | |
| eigenen Ansprüchen genügt, weil er sich künftig mehr um seine Hunde kümmern | |
| will oder weil er in Nürnberg eine Metzgerei aufmachen will. Vorstellbar | |
| ist das alles. Es ist nur eine Frage der Vorstellungskraft. | |
| In den vergangenen 20 Jahren hat keine Partei derart erfolgreich an ihrem | |
| Abstieg gearbeitet wie die SPD. Noch im 20. Jahrhundert fuhr die Partei in | |
| Bayern regelmäßig Ergebnisse um die 30 Prozent ein, einmal (1962) sogar | |
| 35,3 Prozent. | |
| Als Renate Schmidt die Partei 1994 in die Wahl führte, hatte die CSU sogar | |
| regelrecht Angst vor ihr, wie führende CSU-Politiker später bekannten. Doch | |
| seit 2003 geht es bergab. 2018 kam die Partei gerade noch auf 9,7 Prozent – | |
| ein Ergebnis, das sie Umfragen zufolge dieses Mal durchaus noch unterbieten | |
| könnte.Während 38,9 Prozent der Wähler lieber schon bei der letzten | |
| Landtagswahl zum Wahlbrief gegriffen haben, deuten erste Rückmeldungen aus | |
| den Städten darauf hin, dass dieser Anteil diesmal noch deutlich | |
| übertroffen werden könnte. Wahllokale sind doch total Neunziger. | |
| 2 Bedeutungen hat das Wort „Servus“ im Bairischen. Es kann zur Begrüßung | |
| zum Einsatz kommen, also so wie „Griaß di“, aber auch zum Abschied, | |
| entsprechend einem „Pfiat di“. Man fragt sich, ob sich die bayerische FDP | |
| dieser doppelten Bedeutung bewusst war, als sie mit dem Slogan „Servus | |
| Zukunft“ in den Wahlkampf zog – und sich potenziell gleich mal von selbiger | |
| verabschiedete. Schließlich gab es zuletzt nur wenige Umfragen, die den | |
| Liberalen einen Wiedereinzug in den Landtag voraussagten. Nein, nein, das | |
| Motto betone vielmehr „die Rolle der FDP als zukunftsorientierte | |
| Reformkraft“, lässt deren Spitzenkandidat Martin Hagen wissen. Na, servus! | |
| 467.330 Stimmen bekam die CSU-Politikerin [3][Ilse Aigner] bei der letzten | |
| Wahl – so viel wie niemand sonst. Zum Vergleich: Ihr Parteifreund Markus | |
| Söder kam auf 282.776. | |
| Fakten, Fakten, Fakten. Und an die Älteren denken. Mit fast 87 Jahren | |
| möchte Helmut Markwort noch einmal in den Landtag einziehen. Sollte seine | |
| Partei, die FDP, die Fünfprozenthürde bezwingen, wäre es ihm zum zweiten | |
| Mal vergönnt, als Alterspräsident die erste Sitzung des neuen Landtags zu | |
| eröffnen. Beim ersten Mal im Jahr 2018 hörte er zum Schrecken der Kollegen | |
| erst nach 29 Minuten zu sprechen auf und nutzte seine Rede auch noch für | |
| eine etwas überraschende Philippika gegen das Beamtentum. | |
| Nur jeder 5. Bayer hat bei der Landtagswahl 2018 die CSU gewählt. Das war | |
| etwa jeder vierte Wahlberechtigte. Von den gültigen Stimmen ergatterte die | |
| Partei dann 37,2 Prozent, was ihr wiederum 41,5 Prozent der Sitze im | |
| Landtag bescherte. | |
| 2034 könnte Markus Söder schon abtreten und wäre dann trotzdem der am | |
| längsten regierende Ministerpräsident Bayerns (noch vor Alfons Goppel, der | |
| von 1962 bis 1978 regierte). Auch als CSU-Chef müsste er nur bis 2046 im | |
| Amt bleiben, um den Rekord von Franz Josef Strauß (1961 bis 1988) zu | |
| knacken.0 Parteien stehen bei der bayerischen Landtagswahl zur Wahl. Denn | |
| mit ihren zwei Stimmen können die Wählerinnen und Wähler lediglich Menschen | |
| wählen – zum einen eine Direktkandidatin oder einen Direktkandidaten ihres | |
| Stimmkreises, zum anderen jemanden von einer Liste ihres Wahlkreises (zum | |
| Beispiel Oberbayern). Somit können sie auch jemanden auf einem vermeintlich | |
| aussichtslosen Listenplatz „nach oben“ wählen und damit in den Landtag | |
| hieven. | |
| Derzeit kandidieren 2 Kinder ehemaliger Ministerpräsidenten für den | |
| bayerischen Landtag. Florian Streibl, Fraktionschef der Freien Wähler und | |
| Sohn von Max Streibl (Ministerpräsident von 1988 bis 1993), will erneut, | |
| Susanne Seehofer, die Tochter von [4][Horst Seehofer] (MP von 2008 bis | |
| 2018), erstmals in den Landtag. Auch die 32-Jährige gehört nicht derselben | |
| Partei an wie ihr Vater: Sie tritt für die FDP an. Aber auch in der | |
| Vergangenheit gab es familiär vorbelastete Parlamentarier: Monika | |
| Hohlmeier, die Tochter von Franz Josef Strauß (MP von 1978 bis 1988), saß | |
| von 1990 bis 2008 im Landtag; Thomas Goppel, Sohn von Alfons Goppel, war | |
| sogar Deutschlands dienstältester Landtagsabgeordneter, als er das | |
| Parlament 2018 nach 44 Jahren verließ. Vielleicht gibt es ja doch so etwas | |
| wie ein Politiker-Gen.8 Abgeordnete, fünf der AfD, zwei der CSU und einer | |
| der SPD, kehrten zwischen 2018 und 2023 ihrer Fraktion den Rücken und saßen | |
| fortan fraktionslos im Parlament. Ein weiterer CSU-Mann, der ehemalige | |
| Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer, verließ ebenfalls die CSU, fand | |
| allerdings sofort in der FDP eine neue Heimat.10 Ministerpräsidenten gab es | |
| in Bayern seit dem Zweiten Weltkrieg, von denen neun der CSU angehörten. | |
| Nur Wilhelm Hoegner, der von 1945 bis 1946 und von 1954 bis 1957 das Amt | |
| innehatte, war Sozialdemokrat. | |
| 3 bayerische Ministerpräsidenten wollten schon mal Kanzler werden, einer | |
| will es vielleicht immer noch. Anders als im Fall seiner Vorgänger Strauß | |
| und Stoiber war es bei Söder allerdings nicht das Wahlvolk, sondern die | |
| CDU, die solcherlei Ambitionen jäh beendete. Der Mythos, ein Bayer, gar ein | |
| Franke, könne nicht Kanzler werden, war übrigens schon vor Strauß | |
| widerlegt: Ludwig Erhard aus Fürth, das bekanntlich in unmittelbarer | |
| Nachbarschaft von Söders Nürnberger Heimat liegt, war von 1963 bis 1966 | |
| Kanzler. Nur: In der CSU war er halt nicht. | |
| 18 Mitglieder hatte Bayerns Kabinett zuletzt, das von der Verfassung | |
| zugelassene Maximum: Neben dem Ministerpräsidenten und 14 Ministern | |
| gehörten ihm drei Staatssekretäre an. Im ersten Kabinett Söder, das 2018 | |
| nur wenige Monate regierte, saßen noch sechs Frauen, darunter auch die | |
| stellvertretende Ministerpräsidentin. In der zweiten Söder-Regierung waren | |
| es dann nur noch 5. Oder wie es deren Chef damals formulierte: Das Kabinett | |
| ist „deutlich weiblicher“ geworden. | |
| 91 Stimmkreise hat Bayern. 2018 gingen 85 davon an die CSU, die übrigen 6 | |
| an die Grünen. Diesmal werden auch den Freien Wählern Chancen auf | |
| Direktmandate eingeräumt. So könnte Parteichef Hubert Aiwanger den | |
| Stimmkreis Landshut erobern.Und das in Bayern: 3 der Spitzenkandidaten | |
| trinken keinen oder so gut wie keinen Alkohol – Markus Söder, Katharina | |
| Schulze und Hubert Aiwanger. Während Söder und Schulze eindeutige | |
| Lieblingsgetränke haben (Cola light und Spezi), ist Aiwanger flexibler: Er | |
| trinkt gerne mal einen Saft, zum Beispiel Orange (wegen der Farbe) oder | |
| [5][Apfel (wegen des Klangs)]. | |
| 750 Auftritte hatte sich CSU-Chef Söder für seinen Wahlkampf vorgenommen – | |
| darunter 110 allein in Bierzelten. Und es gibt keinerlei Anzeichen, dass er | |
| dieses Ziel verfehlt haben könnte. | |
| 200 Teile hat der größte Wahlkampfschlager der CSU nach Markus Söder. Das | |
| Puzzle „Bayern-Wimmelbild“ hat viele hübsche Parteimotive, vor allem den | |
| CSU-Chef selbst trifft man dort mehrfach an – und das doppelt so groß wie | |
| das übrige Parteipersonal. „Ein Highlight für Alt und Jung“, verspricht | |
| Generalsekretär Martin Huber. Kostet im CSU-Fanshop auch nur 19,99 Euro. | |
| Auf lediglich 1 Prozent der Wählerstimmen kommt die Linkspartei den letzten | |
| Umfragen zufolge. Das klingt nach wenig – vor allem, wenn man Richtung | |
| Fünfprozenthürde schielt. In Anbetracht dessen, dass gefühlte 99 Prozent | |
| der Bayern gar nicht wissen, dass es hierzulande eine Linke gibt, hat man | |
| es jedoch mit einem höchst respektablen Ergebnis zu tun. | |
| 8 Oct 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominik Baur | |
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