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# taz.de -- Bundesweiter Warntag: Deutschland schlägt Alarm
> Klima, Krieg und Katastrophen: Die Bevölkerung soll besser gewarnt
> werden. Doch zugleich müssen die zuständigen Behörden mit weniger Geld
> rechnen.
Bild: Warnung üben: Am Hauptbahnhof Berlin wird per Info-Tafel gewarnt
Berlin taz | Das Handy vibrierte, ein schriller Ton erklang, Sirenen
heulten in etlichen Dörfern bundesweit und Nachrichtensendungen in Radio
sowie Fernsehen wurden kurzzeitig unterbrochen. Am Donnerstag löste das
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) gegen 11 Uhr
[1][eine Übungswarnung] aus. Der Hintergrund: Warnsysteme testen und die
Bevölkerung trainieren, wenn der Ernstfall eintrifft. Beispielsweise wenn
die Flut kommt, der Wald brennt – oder ein militärischer Angriff droht.
Ausgespielt wurde die Probewarnung über die Warn-Apps Nina oder Katwarn.
Zudem wurde Cellbroadcast aktiviert. Über dieses System wird an
Mobiltelefone eine automatische Nachricht gesendet. Cellbroadcast
funktioniert aber nur, wenn die Nutzer:in sich in einer Funkzelle
befindet, das Gerät die entsprechende Software hat und nicht auf Flugmodus
geschaltet ist. Es können damit auch Besucher:innen oder Personen mit
ausländischen Mobilfunknummern, die sich gerade in Deutschland aufhalten,
erreicht werden. Wer eine deutsche Handynummer im Ausland verwendet, der
bekommt die Warnung nur über die Warn-Apps.
Der Probealarm lief zudem über Radio- und Fernsehsender und auf Info-Tafeln
an Bushaltestellen oder in den Innenstädten. Wer nach 11 Uhr etwa die App
des Deutschlandfunks öffnete, erhielt dort den schriftlichen Hinweis: „In
Deutschland findet heute der Warntag 2023 mit einer bundesweiten
Probewarnung statt. Es besteht keine Gefahr.“
Der bundesweite Warntag findet einmal im Jahr statt. Damit will das BBK –
als dem Bundesinnenministerium unterstellte Behörde – testen, wie viele
Menschen mit dem sogenannten Warnmix bei Gefahren auch tatsächlich erreicht
werden. [2][Im taz-Interview zeigte sich BBK-Präsident Ralph Tiesler]
zuversichtlich, dass erneut, wie beim Warntag im Dezember 2022, mindestens
90 Prozent der Bevölkerung die Probewarnung registrieren. Aber: „Wichtig
ist uns etwa, die Erreichbarkeit von Menschen mit Beeinträchtigungen
kontinuierlich weiter zu erhöhen“, sagte Tiesler der taz.
## Innenministerin Faeser: Stresstest voller Erfolg
Alle technischen Möglichkeiten sollten erprobt werden, um zu sehen, ob es
noch Herausforderungen gebe. Grundsätzlich gehe es beim Warntag aber darum,
die Bevölkerung für Gefahren zu sensibilisieren. „Die Menschen müssen
wissen, was sie im Ernstfall zu tun haben.“ Tieslers Dienstherrin,
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach bereits kurze Zeit nach dem
Probealarm von einem vollen Erfolg des dritten Warntags. „Unsere
Warnsysteme haben den großen Stresstest bestanden“, erklärte Faeser.
Via Online-Umfrage soll nun herausgefunden werden, wo es noch Defizite
gibt. Denn dass der Alarm größtenteils pünktlich am Donnerstag los ging,
ist nicht selbstverständlich. [3][Beim ersten bundesweiten Warntag 2020
verzögerte sich die Meldung] um rund eine halbe Stunde. Der Grund:
überlastete Systeme.
Diese Panne, aber auch die Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 führten
dazu, dass technisch aufgerüstet wurde und die zuständigen Stellen besser
zusammenarbeiten wollen. [4][So gibt es laut Technischem Hilfswerk (THW)
bessere Absprachen mit Tieslers Behörde]. In Rheinland-Pfalz wurde zudem
ein Landesamt für den Bevölkerungsschutz eingerichtet.
## Kürzungen sind das falsche Signal
Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und auch der Zunahme an
Katastrophen bedingt durch die Klimakrise hat der Bevölkerungs- und
Katastrophenschutz auf der politischen Agenda mehr Gewicht bekommen –
eigentlich. Dennoch sollen laut Entwurf für den Bundeshaushalt für 2024
sowohl beim THW also auch beim BBK [5][Zuwendungen in Millionenhöhe
wegfallen].
Für die Kürzungen im Etat für den Zivil- und Katastrophenschutz hat der
Grünen-Bundestagsabgeordnete Leon Eckert wenig Verständnis. „[6][Wenn man
die Zeitenwende denkt], dann gehört zur Gesamtverteidigung des Landes auch
der Zivilschutz“, sagte Eckert der taz. „Die Kürzungen sind nicht das
richtige Signal.“ Er plädiert für eine Refokussierung der Zuständigkeiten
von Bund und Ländern, was den Zivil – und Katastrophenschutz angeht und
damit auch für eine klare Aufteilung der Kosten. Ein Beispiel sind für ihn
die Sirenen.
Im Fall eines militärischen Angriffs ist der Bund zuständig, bei Hochwasser
oder Erdbeben die Länder, bei einem Großbrand die Gemeinde. Die Sirenen
warnen aber vor all diesen Gefahren. Und: „Sirenen sind stromunabhängig und
haben einen hohen Weckeffekt“, sagte Eckert. Er spricht sich für eine klare
Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aus – einen
gemeinsamen Investitionsschlüssel – damit Sirenen als Warnmittel
flächendeckend erhalten bleiben.
## Zu wenig Geld für Wartung und neue Sirenen
Derzeit gibt es rund 38.000 Sirenen bundesweit. Nach dem Ende des Kalten
Krieges wurden an vielen Stellen Sirenen entweder abgebaut oder schlicht
nicht mehr gewartet, da man in den Behörden davon ausging, dass dieses
Warnmittel nicht mehr gebraucht würde.
Allerdings weisen Katastrophenschützer nun auch darauf hin, dass Sirenen
auch dann weiter funktionieren, wenn das Handynetz ausfällt oder Hochwasser
Funkmasten zerstört. Damit wären sie in Krisenzeiten durchaus sinnvoll. Der
Bund fördert über ein Sofortprogramm den Ausbau der Sirenen in den Ländern,
um deren Anzahl zu erhöhen. Aus den Kommunen kommt aber die Forderung nach
mehr Geld, da die Förderung bei Weitem nicht ausreiche.
Auch der Linken-Politiker Victor Perli sieht die Kürzungen für den
Bevölkerungsschutz skeptisch. „Gute und schnelle Hilfe in Krisensituationen
setzt eine auskömmliche Krisenvorsorge voraus“, so der
Bundestagsabgeordnete, der auch Mitglied im Haushaltsausschuss und
Berichterstatter für das Innenministerium ist. „In diesen Zeiten beim
Bevölkerungsschutz zu kürzen, anstatt die Mittel zu erhöhen, ist
unverantwortlich.“
Zu jeder Warnung gehört auch eine Entwarnung – auch an diesem Donnerstag.
Während die Sirenen auf den Gebäuden der Freiwilligen Feuerwehr mancherorts
pünktlich um 11.45 Uhr das Signal für das Ende der Übung gaben, war über
Cellbroadcast keine Entwarnung vorgesehen und auch bei den Warn-Apps ließ
diese auf sich warten oder blieb aus. Auch dieses Thema steht dann wohl
noch auf dem Aufgabenzettel für Deutschlands obersten Bevölkerungsschützer
Ralph Tiesler und seine Behörde.
14 Sep 2023
## LINKS
[1] /Bundesweiter-Warntag/!5955345
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[3] /Bundesweiter-Warntag-2022/!5897025
[4] /THW-Chefin-ueber-den-Katastrophenschutz/!5949556
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[6] /SPD-ein-Jahr-nach-der-Zeitenwende/!5919206
## AUTOREN
Tanja Tricarico
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