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# taz.de -- Nach dem Krieg um Bergkarabach: Aus der Mitte der Gesellschaft
> In Armenien erhalten die Fliehenden aus Bergkarabach Hilfe. NGOs sammeln
> Kleidung, Aktivist:innen suchen nach Wohnraum.
Bild: Eine Armenierin nach ihrer Ankunft in Kornidzor in der Region Syunik, 25.…
Berlin taz | Über 13.000 Menschen aus Bergkarabach haben in den vergangenen
Tagen Armenien erreicht. Nach dem Angriff Aserbaidschans und der nur einen
Tag später erfolgten Kapitulation der Truppen des armenisch besiedelten
Gebietes beginnt nun der Exodus der Bergkarabach-Armenier in Richtung
Armenien.
Dort ist die Solidarität groß. Das war schon 2020 so. [1][Damals eroberte
Aserbaidschan Teile der an Bergkarabach grenzenden Regionen], die seit
Anfang der 1990er Jahre armenisch besetzt waren, zurück sowie Teile des
Gebietes selbst.
Damals sei die größte Unterstützung von den Menschen in Armenien gekommen,
sagt Shushana Sirakanyan von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in
Armenien. Nun zeichnet sich ab, dass es wieder so kommen könnte: „Das liegt
daran, dass die Zivilgesellschaft ihre Ressourcen nutzt und wir helfen
wollen“, sagt Sirakanyan. „Wir alle haben Freunde und Familie in Arzach
(armenischer Name des Gebiets, Anm. der Red.).“
Vor dem, was jetzt in Bergkarabach passiert ist, haben viele
Armenier:innen und organisierte Gruppen seit über neun Monaten gewarnt.
So lange [2][blockierte Aserbaidschan den Latschin-Korridor], die
Verbindungsstraße von Bergkarabach nach Armenien. Brot und Benzin wurden
knapp, Hilfsorganisationen warnten vor einer humanitären Katastrophe.
## Zusammenarbeit von NGOs und Regierung
Seit Tagen sammeln verschiedene Organisationen und Einzelpersonen
Lebensmittel und Kleidung. Eine Anlaufstelle in Jerewan ist die
Wohltätigkeitsorganisation Armenian Food Bank. Nach eigenen Angaben haben
sie in den vergangenen sechs Tagen 25 Tonnen an Hilfsgütern gesammelt – vor
allem Nahrungsmittel und warme Kleidung. „Wir werden uns auf entlegene
Dörfer und Städte fokussieren und die Menschen aus Arzach dort versorgen“,
sagt Gründer Michel Avetikian. „Wir arbeiten mit der Regierung zusammen, um
unsere Ressourcen gegenseitig zu ergänzen“, sagt er. Sogar über eine
Lieferdienst-App können Armenier:innen an Armenian Food Bank spenden.
Es sind nicht nur die Armenier:innen, die sich in die Versorgung der
Geflohenen einbringen wollen. In der armenischen Hauptstadt Jerewan sind
auch Russ:innen aktiv, die seit dem Krieg [3][Russlands gegen die
Ukraine], der im Februar 2022 begann, nach Armenien zogen.
Für die Organisation ethos sammeln seit April 2022 Freiwillige aus
Russland, Armenien und der Ukraine Hilfsgüter für verschiedene Geflüchtete.
In den letzten Tagen bereiten sie sich auf die Ankunft einer neuen Gruppe
Geflohener vor. Laut eigenen Angaben haben sie über zwei Tonnen
Nahrungsmittel gesammelt sowie 500 Decken und Kissen gekauft.
Die Solidarität in der Zivilgesellschaft beschränkt sich nicht nur auf
Jerewan. In der zweitgrößten Stadt Gjumri, in Westarmenien, sammeln die
Bewohner:innen mithilfe der Kirche Hilfsgüter, wollen Wohnraum zur
Verfügung stellen und den Geflohenen Arbeit geben. „Natürlich helfen wir
uns gegenseitig, das steht überhaupt nicht zur Debatte“, berichtet eine
engagierte Armenierin. Ihren Namen möchte sie aber nicht veröffentlicht
sehen. Sie sagt auch, dass sie in der ersten Zeit, wenn Tausende Menschen
in Armenien ankommen, Chaos befürchtet.
## Auch Stressbewältigung und Gespräche sind wichtig
Die Regierung soll derweil Unterkünfte für 40.000 Menschen in der
Grenzregion Syunik bereitgestellt haben. Laut Shushana Sirakanyan gibt es
auch in der nördlichen Lori-Region Aktivist:innen, die Informationen über
verfügbaren Wohnraum zusammentragen.
Unterstützung kann auch andere Formen annehmen: Ein Kunstraum in
[4][Jerewan] bietet etwa Platz für Diskussionen, und ein veganes Restaurant
veröffentlicht Anleitungen zur Meditation gegen Stress.
27 Sep 2023
## LINKS
[1] /Aserbaidschan-und-Armenien-im-Krieg/!5931968
[2] /Deutschland-traegt-Mitschuld/!5952965
[3] /Aktuelle-Lage-in-der-Ukraine/!5959585
[4] /Armenier-in-Russland/!5941999
## AUTOREN
Lisa Neal
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Bergkarabach
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Kolumne Krieg und Frieden
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Recep Tayyip Erdoğan
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Armenien
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