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# taz.de -- Bergkarabach wird aufgelöst: Das Ende der „Republik Arzach“
> Zum Neujahr wollen die Behörden Bergkarabachs ihre Regierung auflösen.
> Viele Armenier in dem Gebiet sind bereits geflohen.
Bild: Der Bus bringt sie aus Stepanakert nach Armenien
Wien taz | Neun Tage nach den aserbaidschanischen Angriffen und der
darauffolgenden Kapitulation [1][Bergkarabachs] haben die Behörden des
Gebiets die Auflösung der Lokalregierung bekannt gegeben. Die international
nicht anerkannte „Republik Arzach“ soll es zum 1. Januar 2024 nicht mehr
geben.
Fraglich ist, welche Kompetenzen die Lokalregierung derzeit noch hat. Sie
hatte angekündigt, „in den kommenden“ Tagen den Transport jener Bürger zu
organisieren, die nicht selbstständig ausreisen könnten. Ob und in welcher
Form das passieren kann, ist aber unklar. Seit Tagen kontrollieren bereits
aserbaidschanische Truppen ganz Bergkarabach, auch die Polizei
Aserbaidschans ist auf dem Gebiet zugegen.
Die Informationslage ist auch deshalb so dünn, da es nach wie vor keine
Erlaubnis für die Sendung einer internationalen Beobachtermission gibt.
Schon seit Dezember 2022, als Aserbaidschan Bergkarabach durch die
[2][Blockade des Latschin-Korridors] von der Außenwelt abschnitt, war
Journalisten und Hilfsorganisationen – mit Ausnahme des Roten Kreuzes
(ICRC) – die Einreise unmöglich.
Auch am Donnerstag ging die Flucht tausender Karabach-Armenier nach
Armenien weiter. Bilder zeigen lange Staus über die Gebirgsstraße.
Berichtet wird von oftmals deutlich über 20 Stunden Fahrtdauer in die
armenische Kleinstadt Goris, die zur ersten Anlaufstelle für viele
Geflüchtete wird. Normalerweise dauert die Fahrt von Bergkarabachs
Hauptstadt Stepanakert nach Goris nur rund zwei Stunden.
## Die EU sagt 5 Millionen Euro Akuthilfe zu
Unterdessen sind bereits rund 70.000 armenische Vertriebene in Armenien
angekommen, wie die Behörden in der Hauptstadt Jerewan vermelden. Dies
entspricht etwa zwei Dritteln der Gesamtbevölkerung Bergkarabachs, wobei
exakte Zahlen zur früheren Bevölkerung fehlen. Armeniens Premier Nikol
Paschinjan hatte bereits letzte Woche angekündigt, sämtliche Geflüchtete
aus Bergkarabach aufnehmen zu wollen.
Anders als die internationale Gemeinschaft spricht er von einer ethnischen
Säuberung: „In wenigen Tagen wird es keine Armenier in Bergkarabach mehr
geben“, so Paschinjan. „Dies ist ein direkter Akt der ethnischen Säuberung
und Enteignung, wovor wir die internationale Gemeinschaft seit langem
gewarnt haben.“ Die internationalen Erklärungen, die nun abgegeben werden,
seien wichtig, es müssten aber „konkrete rechtliche und politische
Entscheidungen darauf folgen“. Gemeint sind damit unter anderem Sanktionen
seitens der EU-Kommission, für die ein Stopp der Gasimporte aber weiterhin
nicht infrage kommt.
Von der EU war nach wie vor kein hochrangiger Offizieller in Armenien, um
Farbe zu bekennen. Die Europäische Kommission hat ihre ursprünglich
zugesagten 500.000 Euro mittlerweile auf 5 Millionen Euro für die Akuthilfe
erhöht. Rechnet man alle Hilfsorganisationen und Gelder zusammen, gebe es
somit Zusagen für weniger als 50 Millionen Euro, sagt Narek Sukiasyan,
Politikwissenschaftler an der Universität Jerewan und Mitarbeiter der
Friedrich-Ebert-Stiftung in Armenien.
„Zum Vergleich: [3][Georgien] hat im Zuge des Kaukasuskriegs 2008 mehr als
5 Milliarden an Unterstützung bekommen. Die Zahl der Geflüchteten war
damals nur geringfügig höher“, sagt Sukiasyan. Er schätzt den tatsächlich…
Bedarf für die Geflüchteten aus Bergkarabach mindestens zehnmal so hoch wie
die bisher zugesagten Hilfsgelder ein. In Georgien seien damals außerdem
mit der Zeit viele Geflüchtete in ihre Heimatorte zurückgekehrt. Für die
Armenier aus Bergkarabach ist das aber nicht möglich.
28 Sep 2023
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## AUTOREN
Florian Bayer
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