# taz.de -- Massenflucht aus Bergkarabach: Opferzahl nach Explosion gestiegen | |
> Bereits 88.780 Menschen sind aus Bergkarabach geflohen, UN erwarten bis | |
> 120.000. Die Zahl der Toten nach der Explosion von TankIager ist auf 170 | |
> gestiegen. | |
Bild: Unterwegs auf der Flucht aus Nagorno Karabach auf der Straße nach Kornid… | |
ERIWAN afp | Bei der [1][Explosion eines Treibstofflagers] in Bergkarabach | |
sind nach Behördenangaben deutlich mehr Menschen gestorben als zunächst | |
angenommen. Nach dem Vorfall seien die sterblichen Überreste von | |
„mindestens 170 Menschen“ gefunden worden, erklärte die Polizei der | |
selbsternannten Republik am Freitag. | |
Zuvor waren die Behörden von 68 Toten und rund 200 Verletzten ausgegangen. | |
Unterdessen verließen weitere armenische Bewohner das Gebiet, das | |
vollständig in aserbaidschanische Kontrolle übergehen soll. | |
Die Überreste der Opfer der Explosion sollen nach Angaben der Polizei zur | |
Identifizierung nach Armenien geschickt werden. Die Zahl der Verletzten | |
beläuft sich den Behörden zufolge inzwischen auf 349. | |
An dem am Montagabend detonierten Treibstofflager hatten sich viele | |
Menschen nach der aserbaidschanischen Militäroffensive gegen die | |
pro-armenischen Kämpfer in Bergkarabach mit Treibstoff für ihre [2][Flucht | |
nach Armenien] eingedeckt. | |
## Fast drei Viertel der Armenier aus Bergkarabach geflohen | |
Die Massenflucht der armenischen Bewohner Bergkarabachs über die einzige | |
Straßenverbindung nach Armenien ging indes am Freitag weiter. Die | |
Nachrichtenagentur AFP beobachtete zahlreiche Flüchtlinge, die aus | |
Bergkarabach kommend in der armenischen Grenzstadt Goris ankamen. | |
Bis Freitag hatten nach Angaben der armenischen Regierung 88.780 Menschen | |
Bergkarabach in Richtung Armenien verlassen. Das entspricht fast drei | |
Vierteln der rund 120.000 ethnischen Armeniern, die in der Kaukasusregion | |
lebten. | |
Die Bundesregierung pochte unterdessen erneut auf die Rechte der | |
armenischen Bevölkerung Bergkarabachs. Es sei die Hoffnung Berlins, dass | |
künftig auf dem Gebiet Bedingungen herrschten, unter denen „die | |
Karabach-Armenier weiter in Frieden dort leben können“, sagte ein Sprecher | |
des Auswärtigen Amts. | |
Bergkarabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, es leben dort aber | |
überwiegend ethnische Armenier. Die Region hatte sich 1991 nach einem | |
international nicht anerkannten und von der aserbaidschanischen Minderheit | |
boykottierten Referendum für unabhängig erklärt. | |
## Moskau will mit Baku über Friedenstruppe sprechen | |
Seit dem Zerfall der Sowjetunion lieferten sich Aserbaidschan und Armenien | |
zwei Kriege um die Region, zuletzt im Jahr 2020. Damals hatte das | |
traditionell mit Armenien verbündete Russland nach sechswöchigen Kämpfen | |
mit mehr als 6500 Toten ein Waffenstillstandsabkommen vermittelt, das | |
Armenien zur Aufgabe großer Gebiete zwang. | |
Am 19. September startete Aserbaidschan dann eine großangelegte | |
Militäroffensive in Bergkarabach. Bereits einen Tag später mussten sich die | |
pro-armenischen Kämpfer in der Region geschlagen geben – ein bedeutender | |
Sieg für den aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew. | |
Das lange mit Armenien verbündete Russland gab am Freitag bekannt, dass es | |
mit Aserbaidschan über die Zukunft der seit 2020 aktiven russischen | |
Friedensmission in Bergkarabach entscheiden werde. „Da sich die Mission nun | |
auf aserbaidschanischem Territorium befindet, wird dieser Punkt mit der | |
aserbaidschanischen Seite diskutiert werden“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri | |
Peskow auf die Frage eines Journalisten. | |
Die russischen Kräfte hatten sich der aserbaidschanischen Offensive am 19. | |
September nicht entgegengestellt – was die armenischen Separatisten als | |
Verrat betrachten. | |
## EU fordert UN-Beobachtermission in Bergkarabach | |
Die EU rief Aserbaidschan auf, UN-Beobachter nach Bergkarabach zu lassen. | |
Eine entsprechende Mission müsse in den kommenden Tagen erfolgen, erklärte | |
ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel. Die Menschen dort bräuchten | |
dringend humanitäre Hilfe. | |
Armenische Gruppierung riefen derweil für Sonntag im Brüsseler | |
Europaviertel zu einer Demonstration gegen den aserbaidschanischen | |
Militäreinsatz in Bergkarabach auf. Erklärtes Ziel der Veranstaltung ist | |
es, die EU zu einer „internationalen und humanitären Präsenz in Armenien“ | |
zu drängen und Sanktionen gegen Aserbaidschan zu fordern. | |
29 Sep 2023 | |
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