# taz.de -- Skywalk über der Elbe: Nach drüben geht es weiterhin nicht | |
> Die Dömitzer Eisenbahnbrücke ist ein Industriedenkmal, das Touristen nun | |
> auf einem Skywalk begehen können. Überwunden ist die Teilung damit noch | |
> nicht. | |
Bild: Auf der Brücke ist man dem Himmel noch ein Stückchen näher | |
DÖMITZ taz | Wie ein Wahrzeichen ragt die im Zweiten Weltkrieg zerstörte | |
Dömitzer Eisenbahnbrücke über die Elbe. Jahrzehntelang war das kolossale | |
Bauwerk nur von den Ufern aus zu bestaunen. Der Elbe-Radweg, wiederholt zum | |
beliebtesten Radfernweg Deutschlands gekürt, führt auf niedersächsischer | |
Seite direkt unter dem wuchtigen Brückenkopf mit den beiden Wehrtürmen | |
hindurch. Jetzt können Besucher:innen den hier noch nicht begradigten | |
und ausgebaggerten Fluss und das mecklenburgische Ufer gegenüber mit der | |
[1][Kleinstadt Dömitz] auch von oben erkunden. | |
Über insgesamt rund 130 Meter ist die Dömitzer Eisenbahnbrücke begehbar. | |
Knapp 2 Meter breit ist der sogenannte Skywalk, die massiv-metallenen Zäune | |
auf den Seiten sollen auch Nichtschwindelfreien ein Gefühl von Sicherheit | |
vermitteln. Im August wurde die Touristenattraktion nach dreijähriger | |
Bauzeit eröffnet. | |
## Ein Zeuge der deutschen Teilung | |
Die zwischen 1870 und 1873 errichtete Brücke war ursprünglich knapp einen | |
Kilometer lang und verband Wittenberge und Lüneburg. Am 20. April 1945 | |
wurde sie durch einen Luftangriff der Alliierten zerstört. Nie mehr | |
aufgebaut, blieb sie ein stummer Zeuge der deutschen Teilung. | |
In seinem Film „Im Lauf der Zeit“ setzte der Regisseur Wim Wenders der | |
Brücke ein filmisches Denkmal. Autoren wie Guntram Vesper und Nicolas Born | |
zeigten sich von ihr beeindruckt. Vertriebenenverbände luden den Ort | |
politisch auf, bis 1981 versammelten sie sich hier an Gedenktagen wie dem | |
17. Juni. Zugleich dokumentieren die Brückenreste mit den später weltweit | |
nachgeahmten Brückenbögen die hohe Ingenieurskunst im 19. Jahrhundert. 1987 | |
wurden in der DDR die Brückenpfeiler auf dem Ostufer gesprengt, die | |
Brückenreste im Westen blieben stehen, insgesamt etwa 550 Meter. | |
Nachdem die Deutsche Bahn lange vergeblich versucht hatte, die Brücke zu | |
verkaufen oder sogar zu verschenken, gab sie das Bauwerk 2010 an ein | |
Auktionshaus zur Versteigerung. Den Zuschlag erhielt der Niederländer Toni | |
Bienemann, der für die Brücke 305.000 Euro auf den Auktionstisch blättern | |
musste. | |
Der Landkreis Lüchow-Dannenberg sowie die Gemeinde Langendorf und die | |
Samtgemeinde Elbtalaue, auf deren Gebiet die Brückenreste stehen, äußerten | |
schon damals die Hoffnung, dass der neue Besitzer das historische Monument | |
einer touristischen Nutzung zuführen würde. Der Kreisverwaltung etwa | |
schwebte vor, den Brückenkopf als Aussichtsplattform zu gestalten und dort | |
ein Café einzurichten. | |
Doch zunächst passierte: Nichts. Erst 10 Jahre später begannen Handwerker, | |
die beiden historischen Kopftürme der Brücke zu restaurieren. Rund 12.000 | |
Steine mussten sie dafür neu setzen. „Die größte Herausforderung war | |
eigentlich, dass dieses sehr stark geschädigte Bauwerk hinterher nicht viel | |
anders aussehen sollte als in seinem historischen Zustand“, sagt der | |
leitende Architekt Ralf Pohlmann. Deshalb nutzten die Maurer so viel altes | |
Material wie möglich. | |
## Frische Ziegel nach historischer Art | |
Natürlich, so Pohlmann, ging auch einiges zu Bruch, „dafür haben wir nach | |
einem möglichst originalgetreuen Ersatz gesucht“. Fündig wurden die | |
Baufachleute im brandenburgischen Werder an der Havel. Dort gibt es noch | |
eine Ziegelei mit einem historischen Ringofen, in dem handgeformte Ziegel | |
nach althergebrachten Verfahren hergestellt werden – perfekt für das | |
Projekt an der Elbe. | |
Wer die Brückenpfeiler betrachtet, nimmt kaum wahr, dass hier so intensiv | |
saniert wurde. Für Lüchow-Dannenbergs oberste Denkmalpflegerin Kerstin | |
Duncker ein Zeichen ausgezeichneter Arbeit: „Die beste Sanierung ist die, | |
die man nicht sieht.“ | |
Insgesamt 8 Millionen Euro sind in die Sanierung und die Errichtung des | |
Skywalks geflossen, davon 7,5 Millionen aus Mitteln des Landes und der EU. | |
Bei dem Projekt haben die niedersächsische Samtgemeinde Elbtalaue, das Amt | |
Dömitz in Mecklenburg-Vorpommern und weitere Behörden in Ost- und | |
Westdeutschland zusammengearbeitet. | |
Mittelfristig soll der Skywalk auf alle noch vorhandenen 16 Brückenpfeiler | |
ausgeweitet, ein barrierefreier Zugang geschaffen und ein Infozentrum | |
eingerichtet werden. Die Pläne dafür sind da, die Finanzierung ist | |
allerdings noch längst nicht gesichert. | |
Mit dem von den Kommunalpolitikern erhofften Café wird es aber wohl nichts: | |
Das Bauwerk verfügt weder über einen Strom- noch einen Wasseranschluss. | |
Auch sanitäre Anlagen sind nicht vorhanden. Da das Gebäude kilometerweit | |
von Ansiedlungen entfernt steht, würde allein die Verlegung von | |
Versorgungsleitungen Millionen verschlingen. | |
24 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Norddeutsche-Herbstreise/!5816105 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Stadtland | |
wochentaz | |
Elbe | |
DDR | |
Deutschland | |
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg | |
Schwerpunkt Stadtland | |
wochentaz | |
Schwerpunkt Stadtland | |
Schwerpunkt Stadtland | |
Schwerpunkt Stadtland | |
Reiseland Deutschland | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Sanftes Licht im Altonaer Volkspark: Es muss halt nur richtig leuchten | |
Abends im Altonaer Volkspark joggen? 48 Laternen laden dazu regelrecht ein. | |
Bis ihr Licht jetzt angeknipst wurde, dauerte es allerdings monatelang. | |
Ex-Brauereihochhaus in Dortmund: Das omnipräsente U | |
Früher Europas Bierstadt Nr. 1 und heute? Eine Spurensuche in Dortmund, wo | |
die kreative Kultur in einem Brauereihochhaus ein Zuhause fand. | |
Wanderung zum historischen Gefängnis: Gesetze, Zucht und Ordnung | |
Der Hohenasperg ist wie kein anderer Ort in Baden-Württemberg. Er ist eine | |
Demonstration von Macht und Herrschaft – und ein beliebtes Ausflugsziel. | |
KZ-Gedenkstätte Neuengamme: Und vorm Fenster das Elend des KZ | |
Mitten auf dem Gelände des einstigen KZ Neuengamme steht das | |
Kommandantenhaus. Dort wohnte Lagerleiter Max Pauly mit Familie. Eine | |
Ortsbegehung. | |
Norddeutsche Herbstreise: Stadt-Land-Schluss | |
In der Ferne heben sich dunkelgraue Brückenpfeiler gegen den grauen Himmel | |
ab. Alles hat zu in Dömitz. In Rostock ist's auch nicht besser. | |
Eine Wanderung am deutschen Limes: Unterwegs durch Raum und Zeit | |
In mehr als 30 Jahren ist unser Autor den kompletten Limes abgewandert und | |
hat dabei viel gelernt – über die alten Römer und die heutigen Deutschen. | |
30 Jahre deutsche Einheit an der Grenze: Einheit mit Abstand | |
Vor 30 Jahren ist unser Autor die deutsch-deutsche Grenze entlanggeradelt. | |
Jetzt hat er sich wieder auf den Weg gemacht. Bericht zur inneren Einheit. |