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# taz.de -- Ex-Brauereihochhaus in Dortmund: Das omnipräsente U
> Früher Europas Bierstadt Nr. 1 und heute? Eine Spurensuche in Dortmund,
> wo die kreative Kultur in einem Brauereihochhaus ein Zuhause fand.
Bild: Aus einem Hochhaus der Union-Brauerei wurde das Kultur- und Kreativzentru…
Dortmund taz | An Bier dachte ich damals nicht, vor fast 20 Jahren, als ich
ihn das erste Mal sah. Im Gegenlicht des Sonnenuntergangs, blieb mir der
Turm mit dem „U“ an der Spitze in Erinnerung. Als erste Begegnung mit der
Industrieromantik im Ruhrgebiet und als Wahrzeichen einer großen Stadt.
Denn als neu Ankommende aus der argentinischen Hauptstadt und Megacity
Buenos Aires spürte ich in Dortmund wenigstens ein bisschen des urbanen
Gefühls, wie ich es von daheim kannte und nach dem ich mich in meinem neuen
Zuhause in beschaulichen Münster sehnte.
Mir war damals nicht klar, dass das „U“ für „Union“ steht und dass das
„[1][Dortmunder U“] als Gär- und Lagerkeller einer der wichtigsten
Brauereien Europas – der Union-Brauerei – fungiert hatte. Auch nicht, dass
Bier, neben Kohle und Stahl, lange Zeit der größte Industriezweig in
Dortmund war. Und (neben dem Fußballverein Borussia) immer noch eine
touristische Attraktion sowie ein Grund für Lokalpatriotismus sein soll.
Und ehrlich: Der imposante Buchstabe U hat mich einfach fasziniert.
Dieser 70 Meter hohe Gewerbebau, in dem noch bis in die 1990er Jahre hinein
Bier gebraut wurde, stand länger als zehn Jahre leer. 2007 kaufte die Stadt
den Komplex und machte daraus das [2][Kultur- und Kreativzentrum Dortmunder
U], um das Ruhrgebiet im Jahr 2010 als Europäische Kulturhauptstadt zu
präsentieren. Als ich im letzten Sommer das erste Mal wieder in Dortmund
war, nahm ich mir vor, den Turm näher zu betrachten und der Geschichte der
Brauerei nachzugehen.
Früher hat die Stadt ja auf einer Werbetafel am Hauptbahnhof mit dem Slogan
„Willkommen in Europas Bierstadt Nr. 1“ geworben. Heute ist davon keine
Rede mehr, wenn man in Dortmund ankommt – bis auf ein paar Dosenbier
trinkende Fußballfans vor dem Bahnhof.
## Wie im Film „Metropolis“
Gegenüber liegt der Platz der Einheit und im Hintergrund rechts der U-Turm.
Wie hypnotisiert laufe ich in seine Richtung. Auf dem Weg verliere ich ihn
aus den Augen und entdecke ihn hinter jeder Ecke, über Häuser und Bäume
hinweg immer wieder. Er scheint von oben auf die Bewohner*innen
herabzuschauen, so wie ein Riese. Wie der Fernsehturm am Alexanderplatz in
Berlin ist er omnipräsent und erinnert an den „neuen Turm Babel“ aus Fritz
Langs Filmklassiker „Metropolis“, der 1927 Premiere hatte.
Das goldene Firmenzeichen gibt es seit 1968, das aus allen
Himmelsrichtungen sichtbare U. Das Hochhaus existiert schon viel länger:
1926 wurde es am Königswall errichtet, ein Jahr später ging die Brauerei in
Betrieb. Mit fast 2.000 Mitarbeitenden zu Spitzenzeiten war sie die größte
Brauerei Europas und eine der 30 Braugeschäfte, die man Anfang des 20.
Jahrhunderts in der Stadt zählte.
Fusionen, Übernahmen und Pleiten läuteten Ende der 1990er den Niedergang
der lokalen Braugeschichte ein, lässt sich auf der Homepage des
[3][Dortmunder Brauerei-Museums] nachlesen. Übrig geblieben sind nur noch
zwei Brauereien. Fast alle Dortmunder Biermarken (Ritter, Hansa, Krone)
gehören zur Radeberger Gruppe.
Heute teilen sich [4][das Museum Ostwall] – das Museum der Stadt Dortmund
für die Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts –, die Technische Universität,
der Hartware Medienkunstverein und andere Institutionen die Räumlichkeiten
des Dortmunder U auf sieben Etagen. Digitale und zeitgenössische Kunst,
Medien, Bildung und Forschung sind thematische Schwerpunkte, das lockt
jährlich rund 200.000 Besucher*innen an.
Auf die Turmspitze werden die „Fliegenden Bilder“ von Filmregisseur Adolf
Winkelmann projektiert. Jeden Tag laufen verschiedene Videos, dank mehr als
einer Million LEDs, gerade sind blaue Flammen eines Gasherdes zu sehen. Die
U-Turm-Bilderuhr an der Dachkrone ist Teil der Installation und sendet
Filmbilder in den Himmel. Jede volle Stunde sind Friedenstauben gegen den
Krieg zu sehen.
## Alles so klein von hier oben
Betreten lässt sich das Kulturzentrum über einen roten Teppich. „Das war
alles eine Ruine“, erklärt eine Besucherin gerade ihrem Begleiter. Sie habe
früher dort Bier getrunken und Graffitis gesprüht. Davon sei nichts mehr zu
erkennen. „Das ist jetzt so modern, so fancy“, sagt sie. Und nachdem ich an
dem Kino, der Kunstbibliothek und den Ausstellungsräumen vorbei bis zum
Glasdach in der siebten Etage die Rolltreppe hochgefahren bin, stimme ich
ihr zu. Dabei führt ein Lichtschacht den Blick nach ganz unten und auf die
Ostwand des Turms, die auch als Projektionsfläche für Filmsequenzen dient.
Durch den sogenannten Kathedralenraum im letzten Stockwerk findet sich der
Zugang zur Dachterrasse. Von hier oben wirkt Dortmund so klein, als wäre
das alles nur ein Modell der Stadt – und oben leuchtet das U wie ein Gott,
der über allem wacht.
Um meinen Besuch abzuschließen, geht es wieder nach unten, ich möchte mir
in der Moog-Bar im Erdgeschoss ein Bier gönnen. Einige Sonnenstrahlen
dringen durch das Fenster und beleuchten die schwarzen Wände des Clubs.
Obwohl es hell ist, leuchten die roten Neonlichter. Abgesehen von seinem
Namen, der an den Dortmunder-U-Architekten [5][Emil Moog] erinnert und dem
Brinkhoffs-Bier, das früher in der Dortmunder Union gebraut wurde, erinnert
auch hier nicht so viel an die Union Brauerei. Nicht einmal in der
animierten Werbung an einer Wand mit der durstigen Mona Lisa: Sie trinkt
RedBull und gar kein Bier.
16 Oct 2023
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Dortmunder_U
[2] https://dortmunder-u.de/
[3] https://www.dortmund.de/de/freizeit_und_kultur/museen/brauerei_museum/start…
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Museum_Ostwall
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Emil_Moog
## AUTOREN
Luciana Ferrando
## TAGS
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