# taz.de -- Kreativzentrum in Erlangen: Zusammen an der Zukunft bauen | |
> In Erlangen entsteht das „Zentrum für Austausch und Machen“ mitten in der | |
> City. Es bietet Raum für Handwerksarbeitsplätze, Kreativtreffs, | |
> Repaircafés. | |
Bild: Im Kreativzentrum ZAM gibt es Arbeitsplätze zum Nähen, Drucken, Bohren … | |
Erlangen | taz | Die Zeichen stehen auf Veränderung. Über 200 Jahre lang | |
wurden in dem ehemaligen Geschäftshaus in der Hauptstraße 65–67 | |
Haushaltswaren, Werkzeuge und Schrauben aller Art verkauft. In Hochzeiten | |
waren im „Greiner“ 40.000 Artikel auf Lager. Alle Einheimischen kennen den | |
verzweigten Laden, er war eine Institution. | |
Kein Wunder, dass knapp drei Jahre nach Schließung immer noch ab und zu | |
Leute nach der Schraubenabteilung suchen. Schließlich existieren der braun | |
gesprenkelte Steinboden und die große Schaufensterfront noch. Doch statt | |
Regalen mit Geschirr und Küchengeräten stehen Sofas, Stühle, PC-Schirme, | |
Schreibtische und Tafeln im Erdgeschoss des ehemaligen Verkaufsraums, wo im | |
November 2021 die Ära eines neuartigen soziokulturellen Zentrums begonnen | |
hat. | |
ZAM ist die Kurzform für [1][„Zentrum für Austausch und Machen“], das | |
mitten in der Innenstadt in einer Art Operation am offenen Herzen bis Ende | |
2024 fertig sein soll. Der Name passt gut, weil er auf Fränkisch die | |
Kurzform von „zusammen“ bedeutet. Und das Gemeinschaftliche wird im ZAM | |
großgeschrieben. Werkstätten, Workshops und Kurse stehen im Mittelpunkt. | |
Auf dem großen Whiteboard im Foyer stehen 166 Werkzeuge, die man kostenlos | |
ausleihen kann: 3D-Drucker, Schweißgeräte und Laser-Cutter gehören ebenso | |
dazu wie Stichsäge und Nähmaschinen. | |
3.000 Quadratmeter sollen nach dem Umbau zur Verfügung stehen, momentan | |
sind es erst 300, wo sich Arbeitsplätze zum Nähen, Drucken, Bohren und | |
Spielen auf engem Raum ballen. Doch im unteren Stockwerk sind die frisch in | |
Weiß getünchten Holz- und Metallwerkstätten so gut wie bezugsreif. Und | |
jeden Freitag dürfen Neugierige ab 18 Uhr reinschauen und das Miteinander | |
testen; 70 bis 80 Leute kommen, Tendenz steigend. | |
## Die Macher von morgen | |
Bisher sind 18 Expert:innen – die sich englisch „Maker+“ nennen –, im | |
ZAM am Start. Sie kümmern sich um Werkstätten, offene Angebote und | |
Kreativtreffs, Repaircafés, ZAMräumen-Dienstage, | |
Spiele-Erfinder:innen-Runden oder Projekte wie die „Verbindung der Welten“. | |
Die in vielen Städten blühende Maker-Szene ist in Erlangen seit 2011 | |
präsent und seitdem auf der Suche nach einem festen Domizil gewesen, das | |
ein nachhaltiges Zusammenarbeiten und kreatives Wirtschaften möglich macht. | |
Als im Spätsommer 2020 mit dem Greiner-Aus noch ein großflächiger Leerstand | |
in der Erlanger City drohte, war die Kommune gefordert. Nach einer | |
halbjährigen Zitterpartie hatte der im März 2021 gegründete [2][Verein | |
Makerspace+] auch den Geschäftsmann Kurt Greiner vom ZAM-Konzept überzeugt: | |
Die Stadt kaufte die Immobilie und schloss einen Erbbauvertrag über zehn | |
Jahre mit dem Betreiberverein, der den Umbau in Eigenregie durchführt. | |
Als eine glückliche Fügung erwies sich dabei die Beteiligung der Stadt | |
Erlangen an der „Post-Corona-Stadt“-Ausschreibung der Nationalen | |
Stadtentwicklung, was zu sechsstelligen Zuschüssen des | |
Bundesbauministeriums geführt hat. Die besondere Bedeutung des ZAM-Projekts | |
hat bereits das Vernetzungstreffen aller 17 beteiligten Städte im April | |
2023 im Komplex an der Hauptstraße untermauert. | |
Interessanterweise liegt das 1982 gegründete Kulturzentrum E-Werk keine | |
zwei Steinwürfe hinter dem ZAM. Und selbst wenn Erlangens Oberbürgermeister | |
Florian Janik betont, dass das neue Zentrum „nicht als Konkurrenz, sondern | |
als Ergänzung“ gedacht ist: Es drängen sich Vergleiche auf. Im früheren | |
Elektrizitätswerk dominiert eindeutig die Veranstaltungskultur, den großen | |
Saal nutzte auch schon der 320 Mitglieder starke ZAM-Verein für | |
Mitgliederversammlungen. Doch bis auf die Fahrradwerkstatt gibt es im | |
E-Werk keine handwerklichen Anlaufstellen. | |
## Schließungswelle des Karstadt-Konzerns | |
Hier manifestiert sich ein Phänomen: Die klassischen Soziokulturzentren | |
sind quer durch die Republik in stillgelegten Produktionsstätten | |
entstanden, ob Fabriken, Brauereien oder Schlachthöfe, wo die handwerkliche | |
Arbeit des Menschen durch Maschinen und Roboter ersetzt wurde. | |
Nun stehen nicht nur wegen der Schließungswelle des Karstadt-Konzerns | |
landauf, landab Warenhäuser leer, die Platz für handwerkliches Machen | |
bieten. Das innovative Erlanger Projekt könnte durchaus zu einer Blaupause | |
für die Umwandlung von weiteren Handelshäusern werden. | |
Im ZAM markiert ein dickes gelbes Kreuz nach dem Eingang den „Startpunkt | |
der Zukunft“. Nebenan senden Leuchtbuchstaben kleine Botschaften durch die | |
Schaufensterfront, die via soziale Medien auch in die weite Welt geschickt | |
werden. Den Zusammenhalt der Gesellschaft durch handfeste Netzwerke zu | |
stärken, ist ein Anliegen im ZAM. Zusammen in die Zukunft – klingt gut! | |
2 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.zam.haus/ | |
[2] https://www.zam.haus/?doing_wp_cron=1684590740.0103590488433837890625 | |
## AUTOREN | |
Jo Seuß | |
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