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# taz.de -- Bachblüten gegen schlechte Laune: Positivität aus der Apotheke
> Gibt es einen Aberglauben, der okay ist? Das fragt sich unsere Autorin
> und entscheidet: Solange er keinem wehtut, vielleicht ja.
Bild: Tabletten mit Bachblütenessenz
Ich habe mitunter so Tiefs und neulich in der Apotheke fiel mein Blick auf
die gelben Dosen in einem Ständer an der Kasse. „Rescura“-Pastillen, mit
der [1][Original-Bachblüten-Mischung]. Wenn man die Pastillen lutscht, soll
man gelassener und fröhlicher werden, verspricht die Werbung. Rescura, das
klingt wie Rettung, Trost für meine Seele und das alles für unter zehn
Euro. Hm.
Ich müsste nur dran glauben. Womit ich beim Thema bin: Warum kann man nicht
beschließen, an was Positives zu glauben, auch wenn es keine medizinischen
Studien, keine Beweise dafür gibt? Ich habe gelesen, dass Placebos auch
dann wirken, wenn die Probandin weiß, dass es Placebos sind, sofern sie
trotzdem daran glaubt. Ich könnte beschließen, dass die
Bachblüten-Pastillen mich nervenstärker und optimistischer machen, als
Gegenmittel gegen meine schlechte Stimmung. Ich neige ja öfter zum
Negativen. Allerdings nicht so wie meine Langzeitbekannte G.
G. glaubt, dass alles immer schlimmer wird, dass Kondensstreifen der
Flugzeuge die Umwelt verseuchen, dass [2][Corona-Impfungen] schaden, dass
Migranten den Sozialstaat kaputtmachen und die AfD die Wahrheit sagt und
dass Arnika-Globuli und Retterspitz-Tinktur fast immer helfen, egal was die
Schulmedizin behauptet.
Ich habe den Kontakt zu G. nicht abgebrochen, weil wir uns seit der
Kindheit kennen. Ich habe aber auch noch keinen Weg gefunden, mit ihr
wirklich über ihren Glauben diskutieren zu können. G. will ihr Zeugs
glauben, weil sie und ihre Welt dann eine Besondere ist, so mein Eindruck.
Manchmal macht sie mir mit ihrem Glauben auch Angst, weil ich so wenig
dagegen unternehmen kann.
## Mondwasser und Hirsesäckchen
Die Apothekerin hat meine Medikamente auf den Tresen gepackt.
Bachblütenpastillen dazu, ja oder nein? Ich habe hier schon mal
Gummibärchen mit Melatonin gekauft, weil man damit besser schlafen soll.
Einen Roll-on-Stift mit Pfefferminzöl habe ich erworben, gegen
Kopfschmerzen. Einen Stoffbär habe ich gekauft, mit einem Hirsesäckchen
gefüllt. Den Sack kann man aus dem Bär herausnehmen und in der Mikrowelle
erwärmen und dann wieder in den Bären hineinstopfen und sich das warme Tier
auf den Bauch legen. Hab ich probiert, gegen die Schlaflosigkeit. Na ja.
„Ich nehme noch eine Dose mit Bachblüten-Pastillen“, sage ich zur
Apothekerin. Sie packt die Dose zusammen mit den Medikamenten in eine
Papiertüte. Vielleicht ist ja jeder [3][Aberglaube] okay, solange man
deswegen nicht zum asozialen Deppen wird. Solange die Sache nicht ausufert
in Verschwörungstheorien, Minderheitenbashing oder ein generelles
Misstrauen gegen die Welt. Vielleicht braucht es nur ein paar zivile
Regeln, um den kleinen, persönlichen Aberglauben einzuhegen.
Na ja, was soll ich sagen, ich habe zwei der Pastillen gelutscht. „Das
hättest Du billiger haben können“, sagt Freundin Hille, „umarme einfach
jeden Tag einen Baum und trinke am Abend eine heiße Milch mit Muskat. Das
hilft auch bei Tiefs.“
Bei G. werde ich demnächst einen neuen Anlauf starten. Ich bringe
Ginkgo-Extrakt mit, der soll gut sein fürs Hirn. Dann noch eine Flasche
Mineralwasser, abgefüllt bei Vollmond, die kommt auch mit, soll die Seele
kräftigen. Ich werde G. erzählen, dass ich fest daran glaube, dass wir froh
sein können um die meisten, die nach Deutschland kommen, hier arbeiten und
Kinder aufziehen wollen. Dass alles gut wird. Darauf trinken wir
Vollmondwasser. Vielleicht kann ich sie so erreichen.
17 Sep 2023
## LINKS
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[3] /Die-Wahrheit/!5865416
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
## TAGS
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Aberglaube
Esoterik
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