# taz.de -- Linkspartei bei der Europawahl: Messlatte für Europa-Programm | |
> Bei der Europawahl will die Linke mit sozialen Forderungen, Klima und | |
> linker Asylpolitik punkten. Über Wagenknecht möchten sie „nicht | |
> spekulieren“. | |
Bild: Martin Schirdewan und Janine Wissler präsentieren in Berlin den Entwurf … | |
BERLIN taz | Am Ende der Pressekonferenz kamen die beiden Vorsitzenden | |
unvermeidlich auf ihre prominente Noch-Parteifreundin Sahra Wagenknecht zu | |
sprechen. Würde es den Wahlkampf zur Europawahl der Linkspartei | |
überschatten, wenn Wagenknecht mit einer eigenen Liste antritt und ihrer | |
bisherigen Partei damit Konkurrenz macht? Auf die Frage antwortete | |
Linken-Parteichef Martin Schirdewan schwammig. | |
Man wolle sich nicht an Spekulationen beteiligen. „Wir reden über ein | |
Phänomen ohne Programm.“ Seine Mit-Vorsitzende Janine Wissler sekundierte: | |
Über eine Partei zu spekulieren, die es nicht gebe und von der man nicht | |
wisse, wofür sie stehe, sei nicht sinnvoll. „Unsere Aufgabe ist es, unseren | |
Job zu machen.“ | |
Zuvor hatten die beiden Linken-Vorsitzenden über eine halbe Stunde lang | |
ausführlich das Programm ihrer Partei zur Europawahl referiert, dazu wurden | |
mehrere dicht beschriebene Folien eingeblendet. Dieses Programm habe der | |
Vorstand „einstimmig angenommen und verabschiedet“, betonte Schirdewan | |
stolz. Die Zeit der Streitereien in der Linkspartei sei vorbei, so lautete | |
die Botschaft. | |
Mehr als 80 Seiten umfasst der Programm-Entwurf in gedruckter Form, die | |
Broschüre wurde nach der Pressekonferenz ausgegeben. Das ganze liest sich | |
wie ein Best-of aller linken Vorschläge für ein besseres Europa, ein | |
bisschen auch wie ein „Wünsch dir was“. | |
## „Schuldenbremsen sind Zukunftsbremsen“ | |
Das Programm enthält Forderungen nach einem europäischen Mindesteinkommen, | |
einer Vier-Tage-Woche, einer kostenlosen Grundsicherung und einem Ausbau | |
des Schienennetzes samt kostenlosen Bussen und Bahnen. „Wir wollen Europa | |
zum Kontinent der Eisenbahn machen“, sagte Janine Wissler. Die Vision einer | |
„United Railways for Europe“ sei „eine meiner persönlichen | |
Lieblingsforderungen“, sagte sie. | |
Mehr öffentliche Ausgaben und „massive Investitionen“, weniger Auflagen | |
durch Schuldenbremsen will die Linkspartei, denn „Schuldenbremsen sind | |
Zukunftsbremsen“, so Wissler. Konzerne wolle man stärker besteuern, die | |
Rechte der Arbeitnehmer:innen stärken. Sozial gestaffelte | |
Energiepreise gemeinnütziger Versorger sollten Klimaschutz mit sozialer | |
Gerechtigkeit verbinden.Ein Kommunalisierungsfonds soll helfen, | |
öffentliches Eigentum zurückzukaufen. | |
Außerdem im Programm: keine Waffen in Krisengebiete liefern und | |
„Doppelstandards in den internationalen Beziehungen“ überwinden. Ziel sei | |
„ein geeintes Europa, das sich an Abrüstung und Verhandlungen orientiert | |
und strategisch unabhängig ist“, erklärt Schirdewan. Das Programm sei „ein | |
Angebot an alle, die sich ein friedliches, soziales und gerechtes Europa | |
wünschen“. „Unser Ziel ist das gute Leben für alle in der Europäischen | |
Union.“ Im November soll das Programm bei einem Europa-Parteitag der Linken | |
in Augsburg beschlossen werden. Dort werden dann auch die | |
Kandidat:innen offiziell gekürt. | |
## Abgrenzung von Wagenknecht | |
Stolz zeigte sich Wissler darüber, zwei parteilose Kandidat:innen auf | |
der Liste zu haben: die Seenotretterin Carola Rackete und den | |
Sozialmediziner Gerhard Trabert, bekannt als „Arzt der Armen“. Zusammen mit | |
Martin Schirdewan, der „im Osten verankert“ sei, als Spitzenkandidaten und | |
der Gewerkschafterin Özdem Demirel repräsentiere diese Liste die „Vielfalt | |
der Linken“. | |
Und: „Alle vier agieren auf der Grundlage unseres Programms“, betonte | |
Wissler. Dieser Satz soll wohl als kleiner Seitenhieb auf Wagenknecht und | |
deren Freunde gelten, bei denen das bekanntlich nicht immer der Fall | |
gewesen war. | |
Gerade in der Flüchtlingspolitik setzt sich das Programm sehr deutlich von | |
Wagenknecht ab. „Wir stehen für eine solidarische Flüchtlingspolitik“, | |
sagte Schirdewan. Die Linke sei ein „Bollwerk gegen rechts“. Wagenknecht | |
hatte dagegen in der Bild-Zeitung geklagt, wer Zuwanderung steuern und | |
begrenzen wolle, werde „als Nazi abgestempelt“. Mit einer neuen Partei will | |
sie ausdrücklich auch bisherigen Wähler:innen der AfD eine politische | |
Heimat bieten, erklärte sie dort. | |
11 Sep 2023 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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