# taz.de -- Podcast über Letzte Generation: Wo bleibt die Tiefe? | |
> Der Podcast „Hitze“ versucht sich an einer Nahaufnahme der Letzten | |
> Generation. Leider kommt das teilweise voyeuristisch daher. | |
Bild: Aktivist:innen der Letzten Generation beschmieren das Werk „Grundgesetz… | |
Es klingt schon fast sensationalistisch, wenn das Intro mit der | |
Audio-Collage, bestehend aus Wortschnipseln von Journalist:innen, | |
Autofahrer:innen und Politiker:innen, erklingt. Und Host Daphne | |
Ivana Sagner ins Mikrofon spricht: „Ein halbes Jahr lang haben wir die | |
Letzte Generation begleitet.“ Wir, das sind die Klimajournalistin Céline | |
Weimar-Dittmar und sie. Das Ergebnis der halbjährigen Recherche ist ein | |
Podcast von RBB und TRZ Media über sechs Episoden. | |
Das Cover dazu ist die Nahaufnahme eines Gesichts; ein Auge und | |
Schweißperlen auf der Haut, ein gelber Schriftzug: Hitze, der Name des | |
Podcasts. Mit den Klimaaktivisten der [1][Letzten Generation] bringt man | |
das zunächst kaum in Verbindung. Keine orangefarbenen Westen, keine | |
angeklebten Hände auf Asphalt. Denn „Hitze“ möchte näher rangehen. Ein | |
Porträt der Gruppe bieten, das näher herantritt, als die meisten Medien das | |
bislang getan haben. Er möchte die Menschen der Bewegung zeigen, vielleicht | |
sogar versuchen, ihre Motive zu verstehen. Die Entscheidung, ihr Leben dem | |
[2][Aktivismus] zu widmen, zivilen Ungehorsam auszuüben, ja sich selbst in | |
Gefahr zu bringen, im Kampf gegen die Klimakrise. | |
„Genau in diesen Brennpunkt bewegen wir uns für diesen Podcast“, sagt | |
Sagner verschwörerisch. Vielversprechend für alle, die sich mit der | |
Klimakrise auseinandersetzen. Das Material der Recherche ist gut. Das | |
Thema ist mehr als catchy: eine „verschworene Gemeinschaft, die in eigener | |
Überzeugung versucht die Welt zu retten“. Alles überzeugt, den Podcast zu | |
hören, und doch bleibt „Hitze“ am Ende leider hinter seinen Möglichkeiten | |
zurück. | |
Die Episoden sind thematisch geordnet. Es beginnt etwas abrupt mit | |
„Zuhause“. Zwei Aktivist:innen werden vorgestellt: Jakob und Solvig. | |
Beide sind sie irgendwie „reingerutscht“ in die Letzte Generation. Beide | |
haben sie immer mehr geopfert für den Aktivismus. Und irgendwie steckt ein | |
sogenanntes „Strategieteam“ von sechs Leuten dahinter, die gut überzeugen | |
können, sich ganz aufzuopfern. Ab da wirft der Podcast schon mehr Fragen | |
auf, als er Antworten gibt. Er bleibt an der Oberfläche. Wer ist dieses | |
Strategieteam? Davon erfährt man wenig. Aber auch bei der Porträtierung | |
der Protagonist:innen fehlt es an Tiefe und Charakterentwicklung. Auch | |
fehlen immer wieder Hintergrundinfos – die Forderung nach einem | |
[3][Lebensmittel-retten-Gesetz] wird zum Beispiel gar nicht erwähnt. | |
## Wenig Beachtung für die Klimakrise | |
Hört man sich „Hitze“ an, um einen tieferen Einblick in die Gruppierung zu | |
bekommen, so erfährt man wenig Neues. Der Podcast gibt zwar einen guten | |
Überblick über die Bewegung, stellt ein paar Aktivisten vor, was näher und | |
direkter wirkt als viele andere Features, aber das war es auch schon. | |
Manche:r Hörer:in wird es vielleicht ganz voyeuristisch-aufregend | |
finden, „live“ bei einer Aktion dabei zu sein. Zum heutigen Standpunkt der | |
Debatte – Blockaden und Aktionen wurden schon in verschiedensten Formaten | |
gezeigt und kommentiert – kommt das zu spät. | |
Die zweite Episode dreht sich um die Pressearbeit der Letzten Generation, | |
um die Aufmerksamkeit, die sie generiert, und die Medien, die darauf | |
anspringen. Man vermisst dabei eine dritte, neutrale Meinung, die das Ganze | |
aus politik- oder medienwissenschaftlicher Perspektive einordnet, | |
Zusammenhänge erklärt. Stattdessen bekommt man viel zu lange einen O-Ton | |
von TV-Moderator Markus Lanz zu hören, der sich darüber echauffiert, dass | |
die Letzte Generation Kunst zerstöre. Und sich mal anpassen solle. Und dann | |
gibt es immer wieder Daphne Ivana Sagners eigene Einordnung, oder sagen | |
wir, Meinung. Diese bleibt zu eindimensional. Welchen Bezug hat die | |
Erzählerin zu den Klimaaktivisten, außer dass auch sie jung ist und die | |
Klimakrise sie betrifft? Das ist etwas wenig, um aus der Ich-Perspektive zu | |
erzählen. | |
„Hitze“ ist nah dran, aber nicht nah genug. Ein guter Storytelling-Podcast | |
zur Letzte Generation, aber ohne neue tiefgründige Erkenntnisse. Einer, der | |
der tatsächlichen Dringlichkeit der Klimakrise letzten Endes zu wenig | |
Beachtung schenkt. | |
6 Sep 2023 | |
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## AUTOREN | |
Ruth Lang Fuentes | |
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