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# taz.de -- Vor der Regierungsbildung in Spanien: Der Preis ist heiß
> Carles Puigdemont fordert die Anerkennung der katalanischen
> Unabhängigkeitsbewegung. Regierungschef Sánchez zeigt sich
> verhandlungsbereit.
Bild: Der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont reagiert auf Appla…
Madrid taz | Die Spekulationen haben ein Ende. Der ehemalige katalanische
Präsident Carles Puigdemont legte am Dienstag auf einer Ansprache in
Brüssel die Bedingungen seiner Partei Junts per Catalunya (JxCat) vor, um
eine der beiden großen Parteien im spanischen Parlament – die
sozialistische PSOE von Ministerpräsident Pedro Sánchez und die
konservative Partido Popular (PP) – bei der Regierungsbildung zu
unterstützen.
Nach einer Auflistung der „Angriffe“ Spaniens auf die „katalanische Natio…
eine der alten Nationen Europas“, vom Fall Barcelonas im Erbfolgekrieg 1714
bis hin zu der Absetzung seiner Regierung durch Madrid nach der Abhaltung
eines Unabhängigkeitsreferendums 2017, forderte der im Brüsseler Exil
lebende Puigdemont, „ein historisches Abkommen“, um „den Konflikt endgül…
zu lösen“. „Spanien kann, wenn Spanien will“, betonte der Politiker, der
mittlerweile im Europaparlament sitzt, mehrmals in seiner knapp
halbstündigen Rede.
Puigdemont verlangte, dass „die Elemente des Konflikts angemessen
identifiziert werden“. Er will ein Amnestiegesetz für all diejenigen, die
wegen der [1][Abhaltung des Referendums am 1. Oktober 2017] gerichtlich
verfolgt werden. Neben hunderten von öffentlichen Angestellten und Beamten,
die Schulen als Wahllokal öffneten, gehört dazu auch Puigdemont selbst. Ihm
drohen in Spanien lange Haftstrafen, als einem der Hauptverantwortlichen
für die Volksbefragung. „Der 1. Oktober war kein Verbrechen“, betonte
Puigdemont. Ein Amnestiegesetz müsse noch vor den eigentlichen
Verhandlungen als Gesetzesvorlage im spanischen Parlament eingebracht
werden.
Außerdem forderte Puigdemont am Dienstag die Anerkennung der
Unabhängigkeitsbewegung als „politisch legitim“ und die Anerkennung des
„Rechts auf Selbstbestimmung“ für Katalonien, was eine Volksbefragung in
beiderseitigem Einvernehmen beinhalten würde. Der gesamte
Verhandlungsprozess sowie die Umsetzung des Vereinbarten müssten von
unabhängigen Beobachtern überwacht werden.
## Die Bedingungen für eine neue Sánchez-Regierung
Die Forderungen richten sich – auch wenn Puigdemont immer von den „beiden
großen Parteien Spaniens“ sprach – an die Sozialisten von Ministerpräside…
Sánchez. Zwar wurde seine [2][PSOE bei den Wahlen am 23. Juli nur
zweitstärkste Kraft], aber nur er ist der Lage, eine Mehrheit im Parlament
für eine erneute Legislatur seiner Linkskoalition zu bekommen. [3][Die PP
stützt sich auf die rechtsextreme Vox]. Weder Katalanen noch Basken wollen
diesen Weg mitgehen.
Puigdemont ist nicht der Einzige, der in den letzten Tagen mit Forderungen
auf Sánchez zuging. Auch der baskische Ministerpräsident Iñigo Urkullu
verlangt eine neue Beziehung des spanischen Staates mit den „historischen
Gemeinschaften“ – Baskenland, Navarra, Katalonien und Galicien. Er will
eine Kommission, die untersucht, wie weit die Verfassung eine Ausweitung
der Selbstregierung und eine weitgehend bilaterale Beziehung der vier
Regionen mit eigener Sprache und der Zentralregierung zulässt. „Warum kann
Spanien kein plurinationaler Staat sein, wie es bis ins 18. Jahrhundert der
Fall war?“, schreibt Urkullu in einem Artikel in der spanischen
Tageszeitung El País.
Während die PP all diese Ansinnen sofort als „nicht verfassungskonform“ vom
Tisch wischte, zeigt sich Sánchez verhandlungsbereit, auch wenn er zur
Einhaltung der derzeit gültigen Verfassung mahnt. Leicht werden die
Verhandlungen nicht.
Sowohl aus dem Baskenland als auch aus Katalonien braucht Sánchez die
Unterstützung von gleich zwei nationalistischen Parteien: der eher
konservativen JxCat und Urkullus Baskisch Nationalistischer Partei (PNV)
sowie der in Barcelona regierenden Katalanischen Republikanischen Linken
(ERC) und dem baskischen Linksbündnis EH Bildu, das bei den Baskenwahlen im
kommenden Jahr erstmals stärkste Partei werden könnte. In den Verhandlungen
mit Sánchez wollen sie alle zeigen, dass sie die einzig wahren Vertreter
ihrer Nation sind.
Sánchez hat rund ein Vierteljahr Zeit, kreative Lösungen innerhalb der
Verfassung zu finden. Ende September wird erst einmal der Spitzenkandidat
der PP, Alberto Nuñez Feijóo, im Auftrag von König Felipe VI. um das
Vertrauen des Parlaments bitten. Erst wenn er scheitert, ist Sánchez an der
Reihe.
5 Sep 2023
## LINKS
[1] /Referendum-in-Katalonien/!5450449
[2] /Ergebnis-der-Parlamentswahlen-in-Spanien/!5948979
[3] /Vor-den-Wahlen-in-Spanien/!5945201
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Spanien
Pedro Sánchez
PSOE
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Carles Puigdemont
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Schwerpunkt LGBTQIA
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