| # taz.de -- Film „Tagebuch einer Pariser Affäre“: Verwickelte Liebeskonste… | |
| > Der französische Regisseur Emmanuel Mouret ist ein Meister komplizierter | |
| > Gefühle. Sein Film „Tagebuch einer Pariser Affäre“ bestätigt das. | |
| Bild: Charlotte (Sandrine Kiberlain) und Simon (Vincent Macaigne) lernen sich k… | |
| Ganz schnell geht das: Charlotte und Simon hatten sich kennengelernt, | |
| Nummern ausgetauscht, treffen sich wieder, trinken was in einer Bar, sie | |
| sagt ganz direkt, sie will jetzt mit ihm schlafen. Ab in ihre Wohnung, dort | |
| haben sie Sex, voilà. Beide sind sie nicht mehr ganz jung, sie über | |
| fünfzig, er über vierzig, er hat Frau und Kinder, ist der eher schüchterne, | |
| sanfte, nachdenkliche, ganz und gar nicht draufgängerische Typ, wie ihn | |
| [1][Vincent Macaigne], der, bevor er zum Film kam, als Schauspieler und | |
| Regisseur schon ein Theaterstar war, nicht zum ersten Mal spielt. | |
| Bei ihr gibt es keinen Mann, aber Kinder sehr wohl, sie will keine | |
| übertriebene Leidenschaft, einfach eine unkomplizierte Affäre. Dass sie die | |
| Geliebte ist und Simon anderweitig gebunden, ist für sie, sagt sie, kein | |
| Problem. [2][Sandrine Kiberlain] ist diese Charlotte als freundlich | |
| treibende Kraft, als eine Person, die weiß, was sie will, und die das, was | |
| an dem, das sie bekommt, vielleicht Kompromiss ist, schon einkalkuliert | |
| hat. | |
| Keine der anderen, die Frau nicht und auch nicht die Kinder, kommt in | |
| diesem Film jemals ins Bild, nicht einmal ein Foto von Simons Frau will | |
| Charlotte sehen. | |
| Ein Rendezvous folgt auf das andere, im Museum, eine gemeinsame Reise aufs | |
| Land, die beiden verstehen sich bestens, im Bett, aber auch sonst, Daten | |
| werden eingeblendet, mal liegt eine Woche zwischen den Begegnungen, dann | |
| weniger, klassische Musik sprudelt dazu, leichtfüßig ist der Schnitt, da | |
| haben sich zwei gefunden, es ist alles wirklich aufs Schönste harmonisch, | |
| einen Misston gibt es nur, als Charlotte Simon an seinem Arbeitsplatz | |
| aufsucht. (Er unterrichtet Achtsamkeitsübungen für Paare, bei denen die | |
| Frau schwanger ist.) | |
| Emmanuel Mouret, ein zunächst nicht sehr beachteter Schauspieler-Regisseur, | |
| hat schon immer Filme gemacht, bei denen einem zuerst das Klischee „typisch | |
| französisch“ einfällt. „L’art d’aimer“, die Kunst, zu lieben, heiß… | |
| von ihnen, aber alle könnten sie so heißen, selbst dann, wenn Mouret eine | |
| Episode aus Denis Diderots Roman „Jacques le Fataliste“ verfilmt (brillant, | |
| unter dem Titel: „Mademoiselle de Joncquières“), es geht um Liebe, Affäre… | |
| Beziehungen, Gefühle, die durcheinandergeraten. | |
| Das Milieu, so auch hier, meist bürgerlich, oft in Paris, es geht also um | |
| Personen mit Spielräumen nicht zuletzt finanzieller Art, Menschen, die | |
| nicht nur, wenn es glückt, einander genießen, sondern auch das Reden | |
| darüber, also über nicht nur, aber durchaus auch die Liebe. | |
| ## Jauchzen und Betrübnis ergreifen einen | |
| In der Kunst, von der Liebe zu erzählen, ist Mouret, der auch die | |
| Drehbücher (mit)schreibt, inzwischen ein (nun auch regelmäßig nach Cannes | |
| eingeladener) großer Meister, dem es gelingt, die schiere Lust an sich auch | |
| moralisch zusehends verwickelnden Konstellationen der Liebe mit Diskursen | |
| auf der Höhe der nicht gerade knappen Theorie- und Romanliteratur zu | |
| verbinden. | |
| Aber die Theorie und die Praxis der Liebe so zu verbinden, dass die Figuren | |
| kein bisschen ausgedacht wirken, dass ihr Jauchzen und ihre Betrübnis einen | |
| ergreifen, dass das Komische und auch das womöglich ein bisschen Tragische | |
| nie plump wird. | |
| Jede Einstellung ist in dem, was sie zeigt, und in dem, was sie verbirgt, | |
| nuanciert, so wie es auch die Darsteller*innen sind, die Menschen | |
| spielen, die sich im fortgeschrittenen Alter zu sich selbst zu befreien | |
| versuchen. Zu Kiberlain und Macaigne tritt eine formidabel zögernde Dritte, | |
| Georgia Scalliet als Louise. Damit kommt es zur Verkomplizierung der ganzen | |
| Affäre, die Affäre bekommt und das Tagebuch macht einen Sprung. | |
| Vorbereitung für ein Nachspiel und ein Ende, das wenn nicht happy, dann | |
| jedenfalls hinreißend ist. | |
| 17 Aug 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Berlinale--Wettbewerb-ausser-Konkurrenz/!5279828 | |
| [2] /Spielfilm-November-ueber-Bataclan/!5885621 | |
| ## AUTOREN | |
| Ekkehard Knörer | |
| ## TAGS | |
| DVD | |
| Spielfilm | |
| Schwerpunkt Frankreich | |
| Französisches Kino | |
| Liebe | |
| Luc Besson | |
| Schwerpunkt Frankreich | |
| Schwerpunkt Islamistischer Terror | |
| Familie | |
| Film | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Neuer Luc-Besson-Film „Dogman“ im Kino: Eine glänzende Travestie | |
| Mit Hilfe von Straßenhunden wird ein Außenseiter zum Robin Hood in Drag. | |
| Luc Besson knüpft mit „Dogman“ an Erfolge in den Neunzigern an. | |
| Ehemodelle in Frankreich: Dauert nur fünf Minuten | |
| Seit 1999 gibt es in Frankreich eine Alternative zur Ehe. Damals gab es | |
| Kritik, heute ist Pacsen fast so beliebt wie Heiraten. | |
| Spielfilm „November“ über Bataclan: Wer betroffen ist, geht nach Hause | |
| Der Film „November“ schildert den Terroranschlag auf das Pariser Bataclan | |
| aus Sicht der Polizei. Regisseur Cédric Jimenez inszeniert betont nüchtern. | |
| Politische Filme in Venedig: Höflichkeit als Waffe | |
| Die Filmfestspiele in Venedig erreichen die Zielgerade. Zum Abschluss geht | |
| es um einen Arbeitskampf sowie um Kritik am polnischen Staatsapparat. | |
| Coming-of-Age-Drama: Sprünge ins sehr kalte Wasser | |
| Zart, leicht, fast flirrend: Im Spielfilm „Mit siebzehn“ erweist sich André | |
| Téchiné als Meister des Zusammenhaltens divergierender Kräfte. |