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# taz.de -- Russland und das Kino aus dem Westen: Barbies Schleichwege
> Die großen Hollywoodfirmen boykottieren Russland – aber nicht alle. Und
> auch deutsche Filmproduktionen laufen trotz Krieg weiter in russischen
> Kinos.
Bild: Hier laufen einige Filme aus Hollywood: Blick in einen Kinosaal in Moskau…
Das Eröffnungswochenende von „Hypnotic“ war das schlechteste in der
Karriere Ben Afflecks. Der Actionthriller, der im Frühjahr 2023 in die
Kinos kam, erhielt durchwachsene Kritiken, auf der Filmreview-Plattform
Rotten Tomatoes konnte er einen mageren Score von 34 von 100 erzielen.
[1][In russischen Kinos jedoch war „Hypnotic“ im letzten Monat der
meistgeschaute Film;] dicht gefolgt von „Jeanne du Barry“, in dem Johnny
Depp den französischen König Ludwig XV. mimt.
Von [2][„Barbie“] oder [3][„Oppenheimer“] keine Spur. Hollywoods
Produktionsriesen wie Universal und Warner Bros. hatten mit Beginn des
russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine den Vertrieb ihrer Filme in
Russland untersagt.
Einen branchenweiten Boykott gibt es jedoch nicht. Filme vieler kleiner und
mittelgroßer Produktionsfirmen feiern weiterhin Premiere in Russland. Der
russische Markt sei momentan leer, was den Verkauf von Filmen gen Moskau
sehr verlockend mache, zitierte vor Kurzem die US-Zeitschrift The Hollywood
Reporter einen Handelsvertreter der Branche.
Den dritten Platz der erfolgreichsten Filme des Jahres belegt in Russland
der Actionhit „John Wick 4“ mit Keanu Reeves. Verantwortlich zeichnet hier
Lionsgate Films, die als Produzenten von Kassenschlagern wie „The Hunger
Games“ oder „La La Land“ nicht gerade zu den Zwergen im Business zählen.
## Ach du Scheiße!
Über kinobusiness.com, ein russisches Marktportal, lassen sich auch die
Einspielsummen deutscher Filme in Russland abrufen, etwa der Komödie „Ach
du Scheiße!“ von Lukas Rinker aus dem Jahr 2022. Auf Anfrage bei dem
zuständigen Weltvertrieb The Playmaker Munich, der den Verkauf des Films
ins Ausland verantwortet, erklärt ein Sprecher, dass seit Januar 2023 keine
Auswertungsrechte mehr an russische Lizenznehmer sublizenziert werden.
Der Lizenzvertrag von „Ach du Scheiße!“ sei jedoch vor dieser
Policy-Einführung abgeschlossen worden. Andere Weltvertriebe scheinen
jedoch keinen solchen Richtlinien zu verfolgen. Filme, die erst in diesem
Jahr in die Kinos kamen, finden sich ebenfalls in der Liste. Auf Anfragen
der taz reagierten die Vertriebe bis Redaktionsschluss jedoch nicht.
Wie das Unternehmen German Films, das an erster Stelle zuständig ist für
die Vermarktung deutscher Filme, bestätigt, gibt es keinen generellen
Boykott von deutscher Seite – weder aus der Produktion noch von den
Weltvertrieben. Verkäufe nach Russland zu unterbinden, sei eine
individuelle Entscheidung, die nur wenige Firmen träfen, sagt eine
Sprecherin von German Films. Viele Firmen würden sich jedoch dazu nicht
äußern oder verkauften weniger als früher.
Die offizielle Haltung internationaler Produktionsfirmen hat in Russland
vielerorts wenig Konsequenzen. Online lassen sich die meisten Filme ohnehin
problemlos streamen, und selbst in den Kinos laufen internationale
Blockbuster mit einem kleinen Trick weiter: [4][Wer eine Karte für eine
russische Produktion kauft, die mit „Zusatzservice“ markiert ist, bekommt
im Anschluss einen ausländischen Film zu sehen.] Das ist zwar illegal, wird
Berichten zufolge von russischen Behörden jedoch ignoriert.
## Illegale Kinofassungen
Wie die Deutsche Presse-Agentur jüngst vermeldete, steht die russische
Raubkopieindustrie momentan allerdings vor Schwierigkeiten. Vor
einiger Zeit seien Verkaufs- und Lieferwege für illegale Kinofassungen
aufgeflogen, weshalb der Schwarzmarkt nun auf Onlineversionen von Filmen
zurückgreifen müsse, die erst nach der internationalen Kinopremiere
erscheinen. „Barbie“ zum Beispiel wird aufgrund der Kinoeinnahmen in
Milliardenhöhe noch eine ganze Weile in den Kinos zu sehen sein, bevor der
Film auf Streamingplattformen angeboten wird.
Doch die Raubkopierszene ist findig und wird Wege finden, auch in Russland
in Bälde Kinoleinwände pink einzufärben. Von einem „Barbie“-Screening
berichtet zumindest schon die in Russland gesperrte Onlinezeitung The
Moscow Times. Demnach sei der Film von Greta Gerwig in der sibirischen
Stadt Tjumen gezeigt worden, nicht allzu weit entfernt von der kasachischen
Grenze.
Zuschauern zufolge muss die Synchronisation jedoch katastrophal gewesen
sein. Dass zudem immer wieder Pop-up-Ads für Glücksspiele auf der Leinwand
aufgetaucht sind, wird ebenfalls nicht gerade für Kinostimmung gesorgt
haben.
11 Aug 2023
## LINKS
[1] https://www.statista.com/statistics/755354/russia-box-office-top-movies/
[2] /Barbie-als-Realverfilmung/!5945196
[3] /Christopher-Nolans-Film-Oppenheimer/!5945288
[4] /Auslaendische-Filme-im-russischen-Kino/!5882079
## AUTOREN
Julia Hubernagel
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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